Krieg in Libyen: Die Stunde der Vereinfacher

Der Konflikt in Libyen ist kompliziert. Ihn auf Erdöl-Interessen zu reduzieren ist zwar verführerisch, aber Unsinn.

Ein brennender Öltank in Libyen mit einer Pipeline im Vordergrund.

„Kein Blut für Öl“ ist nun mal eine bessere Parole als „Die Lage ist kompliziert“ Foto: reuters

Der Konflikt in Libyen ist so kompliziert, dass selbst versierte Ex­per­t*in­nen Schwierigkeiten haben, zu erklären, wer der vielen nationalen und internationalen Akteure eigentlich warum gegen wen kämpft. Jedem Artikel und jeder Fernsehsendung müsste ein großes Schaubild beigefügt werden, um dem Inhalt halbwegs folgen zu können.

Doch dann kommt Sevim Dağdelen von der Linkspartei und erklärt in der ARD-Talkshow „Anne Will“: Keine Sorge, liebe Menschen dort draußen, es ist im Grunde alles ganz einfach, denn der Kapitalismus ist schuld. Der Libyen-Konflikt sei ein „Stellvertreterkrieg der Ölkonzerne“, namentlich zwischen dem italienischem Unternehmen Eni und dem französischen Rivalen Total. Deshalb müssten sie raus aus Libyen. Problem gelöst.

Natürlich würde niemand bei klarem Verstand bestreiten, dass Ölinteressen in Libyen eine durchaus erhebliche Rolle spielen. Frankreich strebt mehr Zugriff auf libysche Erdöllieferungen an, Italien will seinen bisherigen Marktanteil verteidigen. Auch für die libyschen Konfliktparteien ist der Zugang zum Öl ­– und damit zu Geld und Macht – von Bedeutung. Wenn es aber nur darum ginge, wäre dieser Bürgerkrieg mit internationaler Beteiligung tatsächlich zügig lösbar.

Dağdelen konnte der Versuchung nicht widerstehen, sich mit einer schlichten Formel in dieser unübersichtlichen Gemengelage in Szene zu setzen. Dabei dürfte auch ihr klar sein, dass in Libyen eine Reihe von Gründen gleichrangig nebeneinanderstehen. Für Europa etwa ist die Migrationsfrage viel wichtiger als Erdöl. Alle Flüchtlingsboote starten in der Küstenregion von Tripolis. Vor allem deshalb hat man die – keineswegs gewählte – Regierung von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch als Verhandlungspartner anerkannt.

Rechtsfreier Raum für Terrorgruppen

Dabei geht es nicht allein um die Flüchtenden aus Afrika südlich der Sahara. Inzwischen fürchtet die EU auch, dass die Li­bye­r*in­nen selbst sich bei einer Eskalation der Kämpfe massenhaft auf den Weg nach Europa machen könnten. Andere Akteure mischen sich ein, weil Südlibyen islamistischen Terrorgruppen einen rechtsfreien und lukrativen Raum bietet. Oder weil sie außenpolitische Machtinteressen in der Region verfolgen.

Eine Krise ist immer die Stunde der Vereinfacher. „Kein Blut für Öl“ ist nun mal eine bessere Parole als: „Die Lage ist kompliziert.“

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