Kommentar zum Aufruf für Frieden: Kein Bückling vor Putin!
Der Aufruf gegen den Krieg wünscht Sicherheit für alle Staaten in Europa. Doch er unterschlägt, woran es liegt, dass es sie heute nicht gibt.
K lar, die Bewahrung des Friedens in Europa ist eine gute Idee. Aber weder von der Argumentation noch vom Inhalt her wird der von zahlreichen deutschen Prominenten unterzeichnete Aufruf „Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen!“ seinen Zielen gerecht.
Es herrscht längst Krieg in Europa. In der Ostukraine wird täglich geschossen und bombardiert, sterben täglich Menschen. Der Schlüssel zur Beendigung dieses Krieges liegt in Moskau. Russland hat sich ukrainisches Staatsgebiet einverleibt, unterstützt kriminelle Banden in der Ostukraine politisch und militärisch aktiv und treibt die Spaltung des Landes voran.
Aber der deutsche Aufruf überträgt nicht Russland, sondern Deutschland „besondere Verantwortung für die Bewahrung des Friedens“ und mahnt die „Friedenspflicht der Bundesregierung an“. Russland als Akteur kommt nicht vor – außer als „anerkannte Gestaltungsmacht Europas“. Wie sich Putin „Gestaltungsmacht“ vorstellt, ist in der Ostukraine zu beobachten – aber diesen Konflikt erwähnt der Aufruf nicht einmal. Die Länder Osteuropas haben jahrzehntelang Russlands „Gestaltungsmacht“ erlebt. Sie wollen das nicht mehr – aber das setzt der Aufruf gleich mit Russlands Machtstreben.
Es gehe nicht um Putin, mahnt der Aufruf. Richtig. Es geht um Europa. Aber das bedeutet eben nicht, einen Kotau vor Putin zu machen, der Europas extreme Rechte unterstützt und gerade vor seinem Parlament „Nationalstolz“ und „absolute Souveränität“ als Werte hochhielt, die Europa „vergessen“ habe.
Es bedeutet, für die wahren europäischen Werte einzustehen – gemeinsam mit jenen in Russland und anderswo, die sie teilen. Und es bedeutet keine andere Russlandpolitik, sondern erst mal eine Ukrainepolitik. Der Aufruf wünscht sich ein Europa, „in dem alle beteiligten Staaten gleiche Sicherheit erfahren“. Er unterschlägt, woran es liegt, dass es das heute nicht gibt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Einigung über die Zukunft von VW
Die Sozialpartnerschaft ist vorerst gerettet
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen