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Klimakonferenz in GlasgowDie magische Zahl

Die Erderhitzung bei 1,5 Grad zu stoppen ist im Klimaschutz das Maß aller Dinge. Machbar ist das kaum. Trotzdem steht dahinter eine Erfolgsgeschichte.

Rehe nahe einer kalifornischen Stadt, die durch einen Waldbrand im August großteils zerstört wurde Foto: Mel Melcon/Los Angeles Times/getty images

Armin Laschet kam kaum zu Wort. „Man hat in Paris gesagt, Klimaneutralität bis 2050 …“, begann der CDU-Kanzlerkandidat am 9. Mai bei „Anne Will“. Doch Luisa Neubauer schnitt ihm das Wort ab: „Global, nicht für Deutschland, großer Unterschied!“, warf die Sprecherin von Fridays for Future ein.

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Laschet versuchte es nochmal: „Aber Deutschland hat sich verpflichtet, 2050 …“ – „Nein!“, unterbrach Neubauer wieder. Deutschland habe das Pariser Abkommen unterzeichnet, aber „1,5 Grad und Klimaneutralität 2050, das sind zwei verschiedene Welten“, sagte die Frontfrau der Jugendbewegung. Niemand in der Runde widersprach. Punktsieg für Neubauer. Und für das 1,5-Grad-Ziel.

Dieses Ziel hat eine erstaunliche Karriere gemacht. Das Versprechen, die globale Erderhitzung bis 2100 auf maximal 1,5 Grad Celsius über die Mitteltemperatur von 1850 bis 1900 steigen zu lassen, ist weltweit zur Messlatte für gute Klimapolitik geworden.

Der UN-Generalsekretär fordert das ebenso wie der Schauspieler Arnold Schwarzenegger, die schwedische Aktivistin Greta Thunberg und die Autobauer von BMW und Ford. In ihrem Sondierungspapier schreibt die potenzielle Ampelkoalition: „Wir sehen es als unsere zentrale gemeinsame Aufgabe, Deutschland auf den 1,5-Grad-Pfad zu bringen.“

Nur ein ambitionierter Arbeitsauftrag

Dabei wurde das Ziel so gar nicht in Paris beschlossen, sondern nur als ambitionierter Arbeitsauftrag formuliert. Seit 2015 wird es immer populärer, während es die steigenden Emissionen immer mehr gefährden. Die unwahrscheinliche Erfolgsgeschichte des 1,5-Grad-Ziels zeigt aber auch, welche unerwartete Dynamik Klimapolitik bekommen kann.

taz am wochenende

An diesem Wochenende startet der Klimagipfel in Glasgow. Das 1,5-Grad-Ziel scheint utopisch – oder kann aus Glasgow doch Paris werden? Außerdem in der taz am wochenende vom 30./31. Oktober: 10 Jahre nachdem der rechtsterroristische NSU aufgeflogen ist, sind noch immer viele Fragen offen. Und: Eine 85-jährige Akrobatin, eine Konditorin und viele schöne Kolumnen. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

„Die 1,5 Grad hatte bis zum Schluss niemand wirklich auf dem Zettel“, erinnert sich Jochen Flasbarth, SPD-Staatssekretär im Bundesumweltministerium. Er war einer der Verhandler in Paris. Denn seit der ansonsten gescheiterten Konferenz in Kopenhagen im Jahr 2009 galt „unter 2 Grad“ als Richtschnur. Aber schon in Kopenhagen forderten vor allem die Inselstaaten „One point five to stay alive“. 1,5 Grad, damit sie überleben könnten.

Der Slogan wurde allerdings kaum ernst genommen. Auch nicht von der Wissenschaft. „Wir waren die Außenseiter, die Papiere und Modellrechnungen vorlegten, die sich mit 1,5 Grad als Ziel beschäftigten“, erinnert sich der Klimaforscher Carl-Friedrich Schleussner vom Thinktank Climate Analytics.

Für den fünften Bericht des UN-Klimarats IPCC von 2014 „hätte man natürlich auch Szenarien für 1,5 Grad rechnen lassen können, aber das hatte niemand auf dem Radar“. Auch der große Unterschied zwischen 1,5 und 2 Grad, den der IPCC erst 2018 in einem Sonderbericht feststellte, sei da im Prinzip schon klar gewesen: „Eine Erwärmung um 2 Grad ist zu viel.“

Froh, überhaupt ein Ziel zu haben

Doch Politik und Wissenschaft in den Ländern mit dem größten CO2-Fußabdruck hielten an den 2 Grad fest. KlimaschützerInnen waren froh, überhaupt ein Ziel zu haben.

„Das hat etwas sehr Wichtiges geliefert“, sagt ein altgedienter Klimadiplomat, „es hat das abstrakte Ziel der Klima-Rahmenkonvention in eine konkrete Zahl übersetzt.“ Dieses Ziel besteht darin, eine „gefährliche menschengemachte Störung des Klimasystems zu verhindern“, wie es die schon 1992 verabschiedete Konvention forderte.

Angesichts von Waldbränden und Dürre wurde 1,5 Grad zur Chiffre, die Probleme noch lösen zu können

Mit diesem Ziel begann auch die entscheidende Konferenz in Paris im Dezember 2015. Der deutsche Pavillon, ein einfacher Verschlag aus Sperrholz, der allerdings mit einer begehrten und umlagerten Espressomaschine gesegnet war, hatte als Logo groß „Below Two Degrees“ an den Wänden stehen. Weil Gerüchte aufkamen, Umweltgruppen wollten den Slogan als PR-Aktion in „1,5 Grad“ umwandeln, luden die Deutschen schnell den von allen respektierten Verhandler der Marshallinseln Tony de Brum ein, erinnert sich Jochen Flasbarth.

Auf einer improvisierten Veranstaltung erklärte de Brum daraufhin, die Deutschen seien verlässliche Partner der kleinen Inselstaatengruppe Aosis. Er setze volles Vertrauen in sie. Flasbarth selbst sagte: „Deutschland unterstützt die Forderung nach 1,5 Grad“ – wohl wissend, dass das weder die deutsche noch die abgestimmte EU-Position war. Nachrichtenagenturen meldeten das in die Welt. „Ich bekam dann einen Anruf aus dem Kanzleramt, was das denn solle“, erinnert sich Flasbarth. „Ich habe denen gesagt: Das sagt man hier so auf der Konferenz, und dann hat keiner mehr nachgefragt.“

Eine rote Linie

Auf der Konferenz wurde das 1,5-Grad-Ziel immer wichtiger. „Für uns Inselstaaten war das eine rote Linie“, erzählt James Fletcher, damals Energieminister der Karibikinsel St. Lucia. „Wir waren entschlossen, daran festzuhalten und zur Not die Verhandlungen platzen zu lassen. Wir hatten schon zu viele ergebnislose Konferenzen gesehen.“

Trotzdem weiß Fletcher nicht, wie die 1,5 Grad in den Text kamen, gibt er zu. „Ich habe mit den Arabern geredet, die sagten: Keine Chance, das bedroht unsere Wirtschaft. Und mit einem Verhandler aus Argentinien, der sagte: Ich fühle mit euch mit, aber 1,5 Grad bedeutet, dass wir kein Rindfleisch mehr verkaufen. Das geht nicht.“

Dass die Passage im Endtext auftaucht, sei erst „sehr früh am Morgen des letzten Tages“ entschieden worden, erinnert sich Laurence Tubiana, damals Klimagesandte der französischen Regierung und rechte Hand von Außenminister Fabius, die hinter den Kulissen die Fäden zog. „Vor allem die Saudis und die Chinesen waren strikt dagegen.“

Eines allerdings sei diesen Ländern noch wichtiger gewesen: dass die „gemeinsame, aber unterschiedliche Verantwortung“ der Länder in den Text kam. Diese Formulierung verpflichtet die alten Industrieländer zu mehr Klimaschutz als Schwellenländer wie China. „Davon waren sie regelrecht besessen. Und im Austausch dazu kamen die 1,5 Grad in den Text. Das war unsere Balance.“

Die „Koalition der Hohen Ambition“

Martin Kaiser, der in Paris für Greenpeace Gespräche führte, lobt das Geschick der französischen Konferenzleitung. „Sie hat es meisterhaft verstanden, die Forderungen von allen Seiten so aufzunehmen, dass der Text von mehr und nicht von weniger Ehrgeiz geprägt wurde.“

Als sich die „Koalition der Hohen Ambition“ aus Inselstaaten, EU, USA und anderen fortschrittlichen Nationen hinter die 1,5 Grad stellte, war das Ziel erreicht: Am Abend des 12. Dezember wurde unter dem Jubel der Delegierten das Abkommen verabschiedet. Und mit ihm in Artikel 2 (a) das Ziel, „den globalen Temperaturanstieg deutlich unter 2 Grad zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, ihn auf 1,5 Grad zu begrenzen.“

Wohlgemerkt: Die Staaten hatten nur vereinbart, sich anzustrengen. Doch 2018 legte der IPCC ein Gutachten vor, in dem der Unterschied zwischen einer Erderwärmung um 1,5 oder um 2 Grad deutlich wurde: Bei 2 Grad sind praktisch alle Korallenriffe tot, der Meeresspiegel steigt um zehn Zentimeter mehr an, zehn Millionen Menschen verlieren ihre Heimat, „einige hundert Millionen Menschen“ sind zusätzlich von Armut bedroht.

Außerdem rückten „Kipppunkte“ mit unkalkulierbaren Folgen wie dem Absterben des Amazonas-Regenwalds und dem Auftauen aller Gletscher und Permafrostböden näher. „Selbst als jemand, der seit Jahren mit diesen Problemen vertraut war, war ich überrascht von den Unterschieden“, sagt Jochen Flasbarth.

Das Verfassungsgericht adelte die Sichtweise der „Fridays“

Praktisch gleichzeitig mit dem „1,5-Grad-Bericht“ des IPCC begann Greta Thunberg ihren Schulstreik. Sie mahnte die Delegierten der Klimakonferenz in Kattowitz, sie würden die Zukunft der kommenden Generationen verschleudern. Monate später liefen Millionen von Menschen durch die Metropolen der Welt. Sie forderten Klimaschutz – und die Einhaltung von „1,5 Grad“, die angesichts von Waldbränden und Dürresommern zur Hoffnungschiffre wurden.

1,5 Grad fordern, um wenigstens „deutlich unter 2 Grad“ zu erreichen, so stellt sich die Debatte oft dar. Auch bei der Berechnung des verbleibenden „Budgets“ an CO2, das die Welt noch ausstoßen kann. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung (SRU), ein externes Beratungsgremium, hat kalkuliert, Deutschland dürfe ab 2020 noch 6,7 Milliarden Tonnen CO2 emittieren. Der „Budget“-Ansatz (den die Bundesregierung ablehnt, weil nicht im Pariser Abkommen angelegt) ist noch gnädig mit der Politik. Er toleriert 1,75 Grad Erwärmung.

Wie groß die Wirkung von 1,5-Grad-Ziel und „Budget“ trotz allem ist, zeigt der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom April 2021, das ernsthaften Klimaschutz forderte. Zwar erwähnen die RichterInnen den Text des Pariser Abkommens, wonach 1,5 Grad nur anzustreben sind. Aber in der Begründung zitieren die RichterInnen den Budgetansatz. Damit adelt das Verfassungsgericht die Sichtweise der „Fridays“. Die Regierung reagierte: Klimaneutral soll Deutschland bereits 2045 werden. Mehr Ökostrom soll fließen. Doch auch diese Maßnahmen führen nach SRU-Berechnungen nicht auf den Pfad der 1,5-Grad-Tugend.

Auch hat der Sieg des 1,5-Grad-Ziels im globalen Bewusstsein bisher keinen ausreichenden Einfluss auf die realen Emissionen. Laut IPCC-Rechnung müssen sich die globalen Emissionen von 2010 bis 2030 halbieren, damit die Welt eine realistische Chance auf eine Erwärmung von nur 1,5 Grad behält. Doch die weltweiten Treibhausgasemissionen aus fossilen Brennstoffen sind nicht gesunken, sondern weiter gestiegen.

Auch in Deutschland sind „1,5“ keine Realpolitik. Ein Gutachten im Auftrag von Fridays for Future rechnete vor, dass mit drastisch verschärften Ökostromzielen, schnellem Kohleausstieg und Einschränkungen beim Verkehr Klimaneutralität bis 2035 machbar wäre. Das Gutachten nahm allerdings die Landwirtschaft aus der Rechnung heraus.

Immer noch planen Parteien, Verbände und Behörden im Alltag nicht mit dem 1,5-Grad-Ziel: „Bei den Verhandlungen der Kohlekommission wurde immer von einem 2-Grad-Ziel ausgegangen“, berichtet Martin Kaiser, für Greenpeace Mitglied des Gremiums.

Das zögerte den Ausstieg aus der Kohle bis 2038 hinaus. Vor den Toren demonstrierten damals die „Fridays“: für 1,5 Grad.

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16 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • SÜSSES ODER SAURES AUCH IN GLASGOW



    //



    Die zum Klimagipfel reisten/



    Aus China, Deutschland, Katar/



    Mussten sich noch Flüge leisten/



    Weil die Einladung so war/



    Um hitzig zu debattieren/



    Wieviel Grad zu welcher Zeit/



    Nächtelang zu diskutieren/



    Über Zukunft der Menschheit./



    Glück ihnen, Fortune und Segen!/



    Wer sie kennt, die Uhr, die läuft/



    Der erkannt hat, dass mit Regen/



    Eine Landschaft schnell absäuft./



    Fünf nach zwölf so steht die Uhr/



    Ob im Westen oder Osten/



    In Natur wie auch der Flur/



    Wird es Milliarden kosten/



    Minimalziele zu halten/



    Deutlich wärmer als gewollt/



    1,5 Grad - sie galten/



    Noch nicht gänzlich überholt./



    Ist man mit Fakten nicht ehrlich/



    Scheut Szenarien Hitze, Flut/



    Wird es schon sehr bald gefährlich/



    Weil die Politik nicht tut/



    Was klar zu Gebote steht/



    Schleunigst die Energiewende/



    Wer nämlich erst gar nicht sät/



    Kann gewiss dann auch am Ende/



    Aus der Kraft gemacht vom Wind/



    Mit Technik und auch viel Geld/



    Nicht etwa daher geschwind/



    Heilen die kaputte Mitwelt./



    //



    Halloween 2021, MR

  • RS
    Ria Sauter

    Jede/r hat das 1.5 Gradziel vor Augen.



    Dieses hat uns aber schon weit überholt. Es wird sich nichts aufhalten lassen. Wir sollten uns stärker auf die Folgen dessen konzentrieren und der Möglichkeit die Folgen etwas abzumildern.



    Es gibt keine weltweite Einigung. Es gibt nur Diskussionen darüber, die schon viel zu lange dauern.

  • Damit könnte man das Klima noch retten:



    www.teplator.cz/

    • @VanessaH:

      Ein eigener Atomreaktor für jeden Stadt-/Ortsteil? Wie soll bei einer solchen mutmaßlich fünfstelligen Anzahl von Reaktoren die Sicherheit gegenüber Anschlägen gewährleistet werden? Die irren Fanatiker jeglicher Couleur werden das Angebot mit nur einer einzigen Sprengladung eine ganze Stadt unbewohnbar zu machen sicher ausgesprochen dankbar annehmen? Weiter wäre da noch das Unfallrisiko allein, das linear mit der Anzahl der Reaktoren steigt, offenbar verfügt das Teil ja nicht einmal über irgendeine Form von Notkühlsystem, Borsäure-Einspeisung, Töpfer-Kerzen oder sonstige minimale Sicherheitsvorkehrungen, sowie der Umstand, dass Reaktoren auch im Normalbetrieb Strahlung freisetzen, etwa weil sich manche Isotope nicht aus Luft oder Wasser herausfiltern lassen oder sie während regelmäßiger Revisionsarbeiten entweichen.

    • @VanessaH:

      Den Vorschlag hatten wir doch schon mal:



      "Und dräut der Jänner noch so sehr / Atommüll wärmt von unten her."



      (Anti-AKW-Kalender, Merlin-Verlag, ca. 1980)



      Panik treibt merkwürdige Blüten.

  • Konsequenter Klimaschutz funktioniert meines Erachtens nicht in der jetzigen Gesellschaftsform und nicht in unserem Wirtschaftssystem.



    Die Menschen müßten ihre jetzige Freiheit aufgeben und sich dem Diktat des Klimaschutzes unterordnen. Es ist unwahrscheinlich, das sie das freiwillig tun.

    Wenn Staaten eine Postwachstums Ökonomie umsetzen wollen, in der die Wirtschaftsleistung über 10 Jahre auf 30-50% reduziert wird, müßten sie sich abschotten. Wegfallende Arbeitsplätze müßten mit einem "Grundeinkommen" kompensiert werden, das möglicherweise in "Naturalien" und Dienstleistungen bereitgestellt wird, das Wohnen, Gesundheit, Ernährung und Bildung umfasst.



    Menschen müßten in kleinere Wohnungen ziehen mit max ( 35-40 m2 pro Person), die klimaneutral mit Energie versorgt werden, auf Auto, Flugzeug, Fernreisen und Fleisch verzichten und dafür lokal Lebensmittel produzieren und ihre Konsumgüter, wenn sie kaput gehen,reparieren.



    In so einer Gesellschaft würde es keinen Aktienmarkt mehr geben und kaum Steuern die einen großen Staatshaushalt finanzieren, der viel Geld einnimmt und ausgibt.



    Das klingt wie eine Fiktion aus einem postapokalyptischen Film? So unwahrscheinlich, utopisch und vielleicht auch wenig wünschenswert wäre es, das umzusetzen. Es ginge womöglich auch nur durch Zwang und Gewalt.



    Was mich erstaunt ist, das in den Medien (z.B. Talkshows bei ARD&ZDF), zwar über viel Klimaschutz, aber kaum über alternative Gesellschaft und Wirtschaftsformen nachgedacht und gesprochen wird.

    • @Paul Schuh:

      Um 1960 lag die Wohnfläche pro Kopf bei um die 20m², Flug- und Fernreisen konnte sich nur eine kleine Oberschicht leisten, die Anzahl der zugelassenen PKW/Person betrug etwa 0,1 gegenüber dem aktuellen Spitzenwert von 0,569, der Fleischkonsum bei 64kg, gegenüber heute rund 70 kg (2011 noch 90kg) und auch die übrigen Lebensmittel waren sehr überwiegend regionalen Ursprungs, die Reparatur defekter Geräte die Regel und nicht die Ausnahme. Dennoch dürften sich die meisten Menschen zu diesem Zeitpunkt kurz nach dem Wirtschaftswunder wohl eher verhältnismäßig wohlhabend gefühlt haben und eben nicht "wie in einem postapokalyptischen Film".



      ...

      • @Ingo Bernable:

        ...



        Das Problem bei vielen für den Klimaschutz notwendigen Veränderungen ist realistisch gesehen kein realer Wohlstandsverlust, sondern, dass die Menschen Gewohnheitstiere sind und das Gefühl haben, dass ihnen etwas weggenommen wird, auch wenn das mit tatsächlicher Lebensqualität oft nichts zu tun hat oder teils auch geradezu widersinnig ist. Ist es denn wirklich erstrebenswert täglich stundenlang mit dem teuer unterhaltenen PKW im Berufsverkehr zu stecken, statt sich Job und Wohnen so zu organisieren, dass der Weg in 10 Minuten zu Fuß machbar ist und Zeit und Geld sinnvoller zu verwenden? Ist der Urlaub in Vietnam oder auf den Seychellen wirklich so viel erholsamer, dass er tonnenweise CO2-Emissionen rechtfertigt oder könnte man nicht auch am Bodensee oder im Harz den Kopf gut frei bekommen und zwar ganz ohne Jetlag und Visastress? Bietet die tägliche Ration von aggroindustriellem Fleisch (Bio-Anteil bei etwa 2-3%) in oft zweifelhaften Darreichungsformen wie Wurst aus Separatorenfleisch, mit Pink Slime gestrecktem Hack oder per Injektionsapparat maximal aufgespritztem Formfleisch tatsächlich einen echten kulinarischen Gewinn oder wäre nicht schon eine aus regionalen Kartoffeln bereitete Truffade oder ein Gratin Dauphinoise dem gegenüber vorzuziehen?



        Die Folgen des Klimawandels und deren Bekämpfung werden in den kommenden Dekaden in jedem Fall zu einem deutlichen Verlust an Lebensqualität führen, aber solange die breite Mehrheit notwendige Maßnahmen selbst dort als einen Anschlag auf ihren Lebensentwurf vehement ablehnt wo diese das Potential für echte Verbesserungen hätten weil es an der Phantasie dafür fehlt, dass die Dinge auch anders sein könnten als jetzt sieht es für den Klimaschutz ziemlich düster aus.

    • @Paul Schuh:

      Wieso erstaunt es, dass über alternative Gesellschaftsformen nicht gesprochen wird?

      Wie dargestellt, Menschen müssten Freiheiten aufgeben und das geht nur mit Gewalt.

      Nie und nimmer gibt jemand 50% freiwillig auf und gibt sich mit zugeteilten Naturalien (Rüben, Kartoffeln, Eichelnkaffee - anstelle von Avocardo, Reis und Kaffee) zufrieden.

      Zumal, wie soll mit max. 50% Wirtschaftsleistung noch ein BGE erwirtschaftet werden ?



      Alles was von aussen in die postulierte abgeschottete Gesellschaft kommen muss, wird viel teurer. Zb alle Rohstoffe für regenerative Energiequellen.

      Konsequenz wäre eine verarmte und gewaltbereite Gesellschaft.

      PS Das täuscht ein wenig über den Artikel hinweg. Der fasst die Konferenztsituation sehr gut zusammen. Fehlt noch eine Darstellung, warum die Kongress so groß sein müssen.

      • @fly:

        Noch vor 15, 20 Jahren waren Avocados noch etwas eher exotisches und absolut nichts was zum permanent verfügbaren Standardangebot eine durchschnittlichen Supermarktes gehörte. Allein innerhalb der rund letzten 10 Jahre hat sich die importierte Menge etwa verfünffacht. Aber auch vor 10 oder 20 Jahren war die Gesellschaft nicht so verarmt, dass sie sich allein von Rüben und Eichelkaffee ernähren musste und deshalb gewalttätigt wurde.



        Es wird massive Veränderungen brauchen und viele davon werden auch schmerzhaft sein, aber Freiheit meint dann doch etwas anderes als die Freiheit zum ökologisch fragwürdigen Avocado-Konsum.

    • @Paul Schuh:

      Das sehen halt die Wirtschaftsvertreter der Parteien, insbesondere von der FDP, anders. Angeblich werden zukünftig immer mehr technische Innovationen umgesetzt, die ein ökologisches Wachstum ermöglichen, welches das 1,5 Grad Ziel garantiert und unseren bisherigen Lifestyle garantieren! Damit kann dann alles so weiter gehen wie bisher. Das ist nicht meine Einschätzung! Insbesondere da die bereits vorhandenen technischen Innovationen nur zögerlich bis gar nicht umgesetzt oder gefördert werden!

  • Solange selbst in Deutschland noch in jedem einzelnen Haus eine Öl- oder Gasheizung massenhaft CO2 in die Atmosphäre bläst, und das nicht nur im Winter, bleibt eine weltweite Klimaneutralität bis 2050 ein frommer Wunsch. Stinkreiche Länder wie Deutschland stehen in der Pflicht, den grössten Teil der Einsparungen zu tragen, egal wie viel es kostet!

    30 bis 40 Prozent der Treibhausgase werden hierzulande allein durchs Heizen ausgestosen. Der Luxus, auch im Winter warmes Wasser zur Verfügung haben, darf nicht länger mit derart starken Emissionen verbunden bleiben! Man könnte in den Innenstädten moderne Mini-Atomreaktoren installieren, die Zigtausende Haushalte so gut wie CO2-neutral mit Fernwärme versorgen. Es gibt zum Schutz des Klimas sehr viele neue Entwicklungen im Bereich Atomkraft. Das würde den Ausstoss von Unmengen CO2 endlich beenden.

    • @VanessaH:

      "30 bis 40 Prozent der Treibhausgase werden hierzulande allein durchs Heizen ausgestosen."



      Laut Umweltbundesamt sind es 14,1%.



      "Das würde den Ausstoss von Unmengen CO2 endlich beenden."



      Wer glaubt einfach mal eben alles auf Nuklearbetrieb umzustellen zu können und damit die Silver Bullet gegen den Klimawandel zu haben irrt. Mit einer ubiquitären Verbreitung von Atomtechnologie steigt nicht nur das Proliferationsrisiko auf ein völlig irres Maß, sondern auch auch die Unfallgefahr. Technologien und Ansaätze für Erneuerbare und zur CO2-Verringerung sind bekannt, sie müssen nur eingestzt werden. Eine sinnvoll praktikable Technologie zum Umgang mit den Folgen von Atomunfällen gibt es nicht und wird es wohl auch nicht geben, die einzig bekannte Option ist das strahlende Material einzusammeln und bis in alle Ewigkeit von Menschen fernzuhalten. Aber manche meinen eben auch es sei eine gute Idee sich damit die Zähne zu putzen.



      www.umweltbundesam...n-deutschland-nach



      www.sueddeutsche.d...echeln-1.1103850-3

      • @Ingo Bernable:

        Meinen Quellen zufolge macht der Energieverbrauch fürs Heizen zumindest hier in der Schweiz 30-40 Prozent aus:



        www.wwf.ch/de/unse...ng-und-heizsysteme



        www.houzy.ch/post/...onen-von-heizungen

        In Deutschland scheint weniger verbraucht zu werden, vermutlich wegen niedrigerer Decken und kleinerer Häuser oder auch einfach nur wegen weniger Geld.

        • @VanessaH:

          Wahrscheinlich spielt auch eine Rolle, dass die Emissionen in DE mit 9,15t pro Kopf und Jahr mehr als doppelt so hoch sind wie die der Schweizer*innen mit 4,4 t, so dass der Anteil fürs Heizen gegenüber der größeren Basis weniger stark ins Gewicht fällt.

  • Das Maß aller Dinge? Hier wird versucht die Welt auf einem Status einzufrieren. Aber die Welt unterlage in ihrer Existenz und Entwicklung immer Veränderungen. Auch schon lage vor der Existent der Menschheit. Und auch die CO2-Belastung der Luft sah auch schon mal ganz anders aus! Es wäre besser sich auf solche Veränderungen einzustellen.