Keine Fahrraddemo auf der A39: Das Grundrecht aufs Autofahren
Das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg hat eine Fahrraddemo gegen VW auf der Autobahn verboten. Es sieht die „Leichtigkeit des Verkehrs“ in Gefahr.
G ibt es in Deutschland ein Grundrecht auf ungehinderten Autobahnverkehr? Die Frage ist nur auf den ersten Blick fernliegend; oder sogar abstrus.
Am Sonntag sollte es ja auf der Autobahn 39 eine Demonstration geben, grob gesagt: zwischen Braunschweig und Wolfsburg. Aktivist:innen hatten dort eine Protest-Radtour angemeldet, weil sie gegen den Ausbau selbiger Autobahn und auch das geplante „Trinity“-Werk von Volkswagen sind, also die vom VW-Konzern geplante neue Fabrik für E-Limousinen.
Die Stadt Wolfsburg hat die Demo auf der Autobahn jedoch untersagt, was – polemisch gesprochen – noch nicht überrascht, und dabei nicht nur vom Verwaltungsgericht Braunschweig, sondern jetzt auch vom Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg Recht bekommen.
Zwar kommen die Richter:innen anfangs durchaus zu dem Schluss, dass eine Bundesautobahn „nicht von vornherein der Nutzung zum Zwecke einer Versammlung entzogen ist“. Soll heißen: Man dürfte da eigentlich schon demonstrieren. Zumal die verfassungsgemäß protestierenden Bürger:innen „selbst entscheiden können, wo sie ihr Anliegen zur Geltung bringen“. Und das auf der A39 zu tun, war hier ja naheliegend.
Die „öffentliche Sicherheit“ ist in Gefahr
Am Ende urteilt das OVG dann aber doch, dass die „öffentliche Sicherheit“ in Gefahr war, also keinesfalls auf der A39 demonstriert werden darf! Denn die „öffentliche Sicherheit“, bei der es in der Regel um Leib und Leben geht, mindestens aber um Freiheit, Ehre und Eigentum, die öffentliche Sicherheit also erstrecke sich auch auf die „Leichtigkeit des Verkehrs“. Die war in Gefahr. Also nix Demo und so.
Gefahren für Autofahrer:innen und auch Demonstrierende seien „kaum zu bestreiten“, heißt es im Urteil, es könnte sich ja am Ende des Radkorsos ein Stau bilden, der zu Unfällen führen könnte. Und wenn die Autofahrer:innen dann wegen der Demo vielleicht nur 60 Stundenkilometer hätten fahren dürfen, sei das doch eine „sehr unübliche Geschwindigkeit“ und damit erst Recht eine Unfallgefahr.
Das alles hätte sich natürlich durch Absperrungen, Umleitungen und andere polizeiliche Maßnahmen durchaus regeln lassen, wenn man denn politisch gewollt hätte. Bei anderen Demos geht das ja auch. Und bei Baustellen kommt es sonst durchaus vor, dass man halt nur 60 fahren darf, oder nicht mal das. Und weil das Urteil das alles doch sehr allgemein begründet, kann man, wie die Demo-Anmelder:innen, durchaus zum dem Fazit kommen, dass das OVG hier „faktisch ein Totalverbot“ von Demos „mindestens für alle Autobahnen“ begründet.
Das Urteil fällt in eine Zeit, in der einerseits Baumbesetzer vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs freigesprochen werden, weil sie sich für den Klimaschutz – ein Staatsziel, übrigens! – einsetzen. Andererseits aber sorgen die oft als „Klima-Kleber“ verfemten Aktivist:innen der Letzten Generation für Entsetzen, Empörung und Haftstrafen, vor allem, wenn sie sich mal wieder einer Autobahn nähern. Auch das OVG sagt: „Stop Trinity“ kann ja auch anderswo „öffentlichkeitswirksam“ demonstrieren, auf Landstraßen oder so.
Natürlich können Grundrechte miteinander im Konflikt liegen, und dann muss man entscheiden, welches höher wiegt. Da ist auf der einen Seite also das Grundrecht der Versammlungsfreiheit. Und auf der anderen Seite? Nicht mal das OVG geht so weit, sich anzumaßen, ein Grundrecht auf flüssigen Autobahnverkehr zu postulieren. Auf die Berufsfreiheit der Berufskraftfahrer:innen beruft es sich aber auch nicht.
Bleibt also eigentlich nur die Religionsfreiheit.
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