Jüdische Wähler in den USA: Zwischen Pech und Kamala
Obwohl Donald Trump mit Neonazis flirtet, könnte er diesmal ironischerweise mehr jüdische Stimmen bekommen. Das liegt am Verhalten von Harris.
W er als schwarze Präsidentschaftskandidatin Unterstützung von Superstars wie Beyoncé und Taylor Swift erhält, könnte sich bereits auf der Siegerstraße wähnen. Im Rennen um das Weiße Haus startete Kamala Harris blitzschnell. Ihre Umfragewerte und Spendeneinnahmen stellten die von Donald Trump in den Schatten. Doch der Vorsprung schmolz allmählich dahin. Jetzt, auf der Zielgeraden, liefern sich beide ein Kopf-an-Kopf-Rennen.
In den Swing States Michigan und Pennsylvania führt Harris zwar, doch in der einstigen Demokraten-Hochburg New Hampshire liegt Trump vorn. Sollte Trump in diesem kleinen Bundesstaat in Neuengland siegen, könnte er auch ohne Pennsylvania die erforderliche Mehrheit von 270 Stimmen im Electoral College erreichen. So säße der 78-Jährige wieder im Oval Office statt im Gefängnis. Allerdings könnte Harris auch in Pennsylvania verlieren, wenn 5.000 jüdische Demokraten abspringen. Damit sind wir beim Thema, das diese Wahl entscheidend beeinflussen kann: dem Nahostkonflikt.
Harris wirkt gleichgültig gegen antisemitische Gewalt
Für amerikanische Jüdinnen und Juden sowie Israels Verbündete bedeutet die US-Wahl am Dienstag eine Entscheidung zwischen Pech und Kamala. Trump, der mit Neonazis flirtet und Wehrmachtsgeneräle bewundert, könnte diesmal ironischerweise mehr jüdische Stimmen erhalten. Denn während die antisemitische Gewalt an Universitäten und vor Synagogen unübersehbar ist, wirkt Harris gleichgültig.
geboren 1961 im Schatten der Freiheitsstatue, Berlinerin mit afroamerikanischen Wurzeln, Kolumnistin, Kabarettistin, Keynote-Rednerin und Juristin (Juris Dr., US). Ihr Buch „Race Relations: Essays über Rassismus“, erschienen 2022 im GrünerSinn-Verlag, reüssiert als lyrischer Leitfaden zum Antirassismus und liefert Hintergründe zu den bis heute anhaltenden Diskriminierungen.
Obwohl die 60-jährige Vizepräsidentin beteuert, sie stehe zum Existenzrecht Israels, verkam diese Zusicherung zur Floskel, als sie Benjamin Netanjahu eindringlich warnte, Rafah nicht anzugreifen. In dieser zerstörten Stadt im Süden Gazas befreite die IDF jedoch viele Geiseln und tötete den Hamas-Chef Jahia Sinwar. Harris bemüht sich verzweifelt, skeptische arabischamerikanische Wählende zu gewinnen. Ihre palästinensischstämmige Parteigenossin Rashida Tlaib, US-Congressabgeordnete aus Michigan, verweigert ihr jedoch die Wahlempfehlung. Am Ende könnte Trump sich ins Fäustchen lachen.
Harris kann es eigentlich
Wem genau das Lachen vergeht, steht noch offen. Aber kürzlich bei der Kultcomedyshow Saturday Night Live (NBC) erschien überraschenderweise Kamala im Cameo. Sie saß ihrer Doppelgängerin Maya Rudolph als Spiegelbild gegenüber, und das New Yorker Studiopublikum klatschte euphorisch. So erging es ebenfalls Hillary Clinton, als sie 2015 die Sendung auch ohne vorige Ankündigung persönlich beehrte, und zwar in der Rolle einer Kneipenwirtin gemeinsam mit ihrem zweiten Ich Kate McKennon. Schließlich ergatterte Hillary bei der Wahl 2016 rund drei Millionen mehr Wahlstimmen als Trump – aber nur direkt vom Volk. Trump gewann trotzdem.
Leider hat Harris nichts daraus gelernt. Sie sucht die Popularität, um geliked zu werden. Trump dahingegen liebt sein Bad in der Menge, um gefürchtet zu werden. Sie will Everybody's Darling sein und nicht mit Inhalten abschrecken. Der mehr als 30 Male strafrechtlich verurteilter MAGA-Mensch jedoch lässt sich nicht imponieren. Harris kann es eigentlich. Die aus Oakland stammende Oberstaatsanwältin weiß schon, wie frau mit Gegner:innen hart ins Gericht geht. Einst hatte sie Angeklagte gegrillt, nun aber setzte sie auf Brat. Letztere Bezeichnung hat nicht unbedingt mit der Pfanne zu tun, wobei es um eine „Sti(e)lfrage“ geht. Für Erläuterungen kann man beliebig die Sängerin Charlie XCX, Gen Z oder Susanne Daubner fragen. Man hat dabei die Qual der Wahl.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind