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Jüdische Wähler in den USAZwischen Pech und Kamala

Michaela Dudley
Gastkommentar von Michaela Dudley

Obwohl Donald Trump mit Neonazis flirtet, könnte er diesmal ironischerweise mehr jüdische Stimmen bekommen. Das liegt am Verhalten von Harris.

Die große Frage: wer wird wen wählen? Foto: Jose Luis Magana/ap/dpa

W er als schwarze Präsidentschaftskandidatin Unterstützung von Superstars wie Beyoncé und Taylor Swift erhält, könnte sich bereits auf der Siegerstraße wähnen. Im Rennen um das Weiße Haus startete Kamala Harris blitzschnell. Ihre Umfragewerte und Spendeneinnahmen stellten die von Donald Trump in den Schatten. Doch der Vorsprung schmolz allmählich dahin. Jetzt, auf der Zielgeraden, liefern sich beide ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

In den Swing States Michigan und Pennsylvania führt Harris zwar, doch in der einstigen Demokraten-Hochburg New Hampshire liegt Trump vorn. Sollte Trump in diesem kleinen Bundesstaat in Neuengland siegen, könnte er auch ohne Pennsylvania die erforderliche Mehrheit von 270 Stimmen im Electoral College erreichen. So säße der 78-Jährige wieder im Oval Office statt im Gefängnis. Allerdings könnte Harris auch in Pennsylvania verlieren, wenn 5.000 jüdische Demokraten abspringen. Damit sind wir beim Thema, das diese Wahl entscheidend beeinflussen kann: dem Nahostkonflikt.

Harris wirkt gleichgültig gegen antisemitische Gewalt

Für amerikanische Jüdinnen und Juden sowie Israels Verbündete bedeutet die US-Wahl am Dienstag eine Entscheidung zwischen Pech und Kamala. Trump, der mit Neonazis flirtet und Wehrmachtsgeneräle bewundert, könnte diesmal ironischerweise mehr jüdische Stimmen erhalten. Denn während die antisemitische Gewalt an Universitäten und vor Synagogen unübersehbar ist, wirkt Harris gleichgültig.

Michaela Dudley

geboren 1961 im Schatten der Freiheitsstatue, Berlinerin mit afroamerikanischen Wurzeln, Kolumnistin, Kabarettistin, Keynote-Rednerin und Juristin (Juris Dr., US). Ihr Buch „Race Relations: Essays über Rassismus“, erschienen 2022 im GrünerSinn-Verlag, reüssiert als lyrischer Leitfaden zum Antirassismus und liefert Hintergründe zu den bis heute anhaltenden Diskriminie­rungen.

Obwohl die 60-jährige Vizepräsidentin beteuert, sie stehe zum Existenzrecht Israels, verkam diese Zusicherung zur Floskel, als sie Benjamin Netanjahu eindringlich warnte, Rafah nicht anzugreifen. In dieser zerstörten Stadt im Süden Gazas befreite die IDF jedoch viele Geiseln und tötete den Hamas-Chef Jahia Sinwar. Harris bemüht sich verzweifelt, skeptische arabischamerikanische Wählende zu gewinnen. Ihre palästinensischstämmige Parteigenossin Rashida Tlaib, US-Congressabgeordnete aus Michigan, verweigert ihr jedoch die Wahlempfehlung. Am Ende könnte Trump sich ins Fäustchen lachen.

Harris kann es eigentlich

Wem genau das Lachen vergeht, steht noch offen. Aber kürzlich bei der Kultcomedyshow Saturday Night Live (NBC) erschien überraschenderweise Kamala im Cameo. Sie saß ihrer Doppelgängerin Maya Rudolph als Spiegelbild gegenüber, und das New Yorker Studiopublikum klatschte euphorisch. So erging es ebenfalls Hillary Clinton, als sie 2015 die Sendung auch ohne vorige Ankündigung persönlich beehrte, und zwar in der Rolle einer Kneipenwirtin gemeinsam mit ihrem zweiten Ich Kate McKennon. Schließlich ergatterte Hillary bei der Wahl 2016 rund drei Millionen mehr Wahlstimmen als Trump – aber nur direkt vom Volk. Trump gewann trotzdem.

Leider hat Harris nichts daraus gelernt. Sie sucht die Popularität, um geliked zu werden. Trump dahingegen liebt sein Bad in der Menge, um gefürchtet zu werden. Sie will Everybody's Darling sein und nicht mit Inhalten abschrecken. Der mehr als 30 Male strafrechtlich verurteilter MAGA-Mensch jedoch lässt sich nicht imponieren. Harris kann es eigentlich. Die aus Oakland stammende Oberstaatsanwältin weiß schon, wie frau mit Geg­ne­r:in­nen hart ins Gericht geht. Einst hatte sie Angeklagte gegrillt, nun aber setzte sie auf Brat. Letztere Bezeichnung hat nicht unbedingt mit der Pfanne zu tun, wobei es um eine „Sti(e)lfrage“ geht. Für Erläuterungen kann man beliebig die Sängerin Charlie XCX, Gen Z oder Susanne Daubner fragen. Man hat dabei die Qual der Wahl.

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19 Kommentare

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  • Ich finde es ja immer seltsam, wenn Kamala Harris als Schwarze bezeichnet wird. Sicher, die US-Gesellschaft sieht es so. Aber dem Augenschein nach ist sie es nicht. Und der sozialen Schicht nach unterscheidet sie sich von vielen der Schwarzen.

  • Die US-Bürger sind wahrlich nicht zu beneiden, denn sind wir ehrlich, beide Kandidaten, wie auch die beiden Parteien, für die sie stehen, sind als Wahloption eine Katastrophe.

    Auf der einen Seite eine von den Medien hoch geschriebene Millionärin, die mit dem gemeinen US-Bürger so viel gemein hat wie ein Lastenrad mit einem SUV. Und auf der anderen Seite ein Milliardär, der noch entkoppelter ist.

    Was für ein riesiger Mist! Wahlweise gehen zwischen 1/3 und 2/5 der Wähler auch nicht zur Wahl, weil sie überhaupt nichts erwarten. Denn gelöst werden allenfalls Probleme der Wohlstandsgesellschaft.

  • Da kann ich nur hoffen, dass die amerikanischen Juden klüger sind als von Frau Dudley vermutet.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Klabauta:

      Zur Klarstellung: Ich rechne damit, dass Harris insgesamt die Mehrheit der abgegebenen jüdischen Stimmen erhalten wird. Allerdings sehe ich in vereinzelten Bundestaaten mögliche Verschiebungen, die sich durchaus auf da Electoral College auswirken können.

  • In welche Parallelwelt leben wir eigentlich in Deutschland? Seit Wochen berichten Amerikanische Medien, dass Harris wegen kritischen arabischen und muslimischen Stimmen in Staaten wie Michigan verlieren könnte. Ihr wird vorgeworfen sich nicht klar gegen Waffenlieferungen zu positionieren, und keine klaren Worte und zu wenig Mitgefühl gegenüber Palästinensern zu zeigen… John Oliver hat deshalb seine ganze letzte Sendung diesem Thema gewidmet und grade diese kritischen Wähler aufgefordert trotzdem für sie zu stimmen. Selbst Trump bemüht sich auf den letzten Metern um (nicht Israel, sondern) Netanyahu kritische Wähler. Progressive israelische Medien wie Harretz warnen vor einem Trump Gewinn etc. etc

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Frida Kalt:

      Übrigens: Das Thema griff ich jüngst in meinem TAZ-Artikel „Palästina in der Schwarzen Community“ vom 15.10.2024 auf. taz.de/Palaestina-...ommunity/!6039758/

  • Ich will mich kein weiteres Mal an der Gleichgültigkeit abarbeiten, mit der Dudley - nicht zum ersten Mal - über die palästinensischen Opfer der israelischen Strafexpedition hinweggeht. Stattdessen weise ich darauf hin, dass der Artikel auch Klischees über Juden verbreitet, wenn er suggeriert eine Kandidatin, die nicht bedingungslos hinter der Politik der gegenwärtigen rechtsextremen Regierung Israels steht, wäre für amerikanische Juden keine gute Wahl: amerkanische Juden sind in der Regel US-Buerger, nur ein Teil hat auch einen israelischen Pass und gerade die Jüngeren unter Ihnen sind auch keineswegs geschlossen pro-israelisch - im Gegenteil. Es hat einen üblen Beigeschmack, wenn man seine Solidarität mit "den Juden" verkündet, dann aber diejenigen ignoriert, die nicht der eigenen Meinung sind...

    • @O.F.:

      "... über die palästinensischen Opfer der israelischen Strafexpedition hinweggeht. ..."

      Meiner Meinung nach ist es keine "israelische Strafexpedition" sondern die Erwiderung auf den Beginn des Angriffskrieges, ausgehend von Gaza. Dass in einem Krieg Menschen beider Seiten, auch unschuldige Menschen beider Seiten, sterben, ist bekannt und wird, wovon ich ausgehe, von jedem anständigen Menschen bedauert.

      "... amerkanische Juden sind in der Regel US-Buerger, nur ein Teil hat auch einen israelischen Pass ..."

      Die von uns ermordeten ca. sechs Millionen jüdischen Bürger hatten auch keine israelischen Pässe, was noch nicht möglich war und sich als denkbar nachteilig herausstellte.

      "... und gerade die Jüngeren unter Ihnen sind auch keineswegs geschlossen pro-israelisch - im Gegenteil.""

      Ich denke, wir stimmen zumindest in der Hoffnung überein, dass "gerade die Jüngeren" niemals die Notwendigkeit sehen, ihre israelische Staatsbürgerschaft einfordern zu müssen, um ihr Überleben zu sichern. Auch die jüdischen Bürger in Deutschland fühlten sich relativ lange sicher.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @O.F.:

      Mein Artikel verbreitet keine Klischess über Juden und suggeriert auch nicht, nur Likkud-Partei-Anhänger:innen könnten die beste Person ins Weiße Haus schicken.

      Das Judentum in den USA ist zum Glück vielseitig, tiefsinnig und parteiübergreifend demokratisch gesinnt.

      • @Michaela Dudley:

        Wenn es keine Suggestion ist, was steckt dann hinter der Aussage, dass das Existenzrecht Israels für die Präsidentschaftskandidatin lediglich eine Floskel sei, da sie vor einem Militäreinsatz in Rafah aufgrund der humanitären Lage gewarnt hat?

        Und das anscheinend nicht zu Unrecht, wie das IGH Urteil zum Rafaheinsatz gezeigt hat.

        Nach dieser Logik würde jeder der israelische Militäroperationen kritisch betrachtet oder ablehnt, damit auch dem Existenzrecht Israels wenig oder keinerlei Bedeutung zumessen.

        Für die anderen Punkte des Artikels schließe ich mich den Meinungen der Foristen Pflasterstrand, O. F. und Harmo-Nie an.

    • @O.F.:

      danke für diesen kommentar, der mir aus der seele spricht. er zeigt, was alles an notwendiger differenzierung verloren geht, sobald soziale konflikte aus eine essentialistischen und antiaufklärerischen perspektive kommentiert werden.

  • Ich frag mich von welchem New Hampshire Poll Frau Dudley spricht, laut New York Times hat Trump in nur 1 von 17 vorne gelegen und das war der 1. im Juli. Im Schnitt lag Kamala Harris zuletzt +6 Prozentpunkte vor Donald Trump. Außerdem liegt Harris bei jüdischen Wählern und Wählerinnen weit vor Trump.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @maebi:

      NEWS AUS NEW HAMPSHIRE ;-)

      Bitte schön. Auf diese Angaben habe ich Bezug genommen, was New Hampshire betrifft.

      „You Gave Me A Panic Attack’: Voters React To Trump Leading In New Hampshire Poll For The First Time“, in DAILY WIRE vom 03.11.2024

      Link: www.dailywire.com/...for-the-first-time

      „Kamala Harris No Longer Favorite in New Hampshire: Election Forecast“, in NEWSWEEK vom 31.10.2024:

      Link: www.newsweek.com/d...-hampshire-1977839

      Weitere Links auf Anfrage!

      • @Michaela Dudley:

        zur besseren verständnis der gesamtlage: www.nytimes.com/in...new-hampshire.html

        Sie sollten sich besser die datenlage ansehen, anstatt sich aus anderen zeitungsartikeln eigene wahrheiten zusammenzubasteln und diese datenlagen dann unerwähnt zu lassen.

        was Sie da machen ist hochgradig unseriös und verstößt meiner ansicht nach gegen grundlegende journalistische standards.

  • In Rafah wurden viele Geiseln befreit? Das muss sich für Angehörige nur noch wie Hohn und Spott anfühlen. Und die Unterstellung das Kamala Harris das Existenzrecht Israels ablehnt, weil Sie den Angriff auf Rafah kritisiert? soll das nen Witz sein?

    Angeblich bemüht sich Harris Ihrer Meinung nach verzweifelt arabischstämmige Stimmen zu gewinnen, aber es durfte kein Vertreter der Pro-Pali-Bewegung auf der DNC sprechen? Wie passt das denn zusammen?

    Die Autorin schustert sich die Welt wie es ihr gefällt und man fragt sich wie die Qualitätskontrolle in der Radaktion ausschaut. Studien, Umfragen oder ähnliches könnte man ja hinzuziehen, wenn man sich die Mphe macht? Aber dann würde man natürlich feststellen, dass die Realität mit dem eigenen Weltbild nicht übereinstimmt und das wäre ja unschön.

    "There is not a lot of data, but a set of recent studies conducted in battleground states by a pollster affiliated with the Jewish Democratic Council of America suggests that Harris has strong support and that Trump has not made inroads (71% v. 26% in a two-way vote)."

    www.brandeis.edu/s...election-saxe.html

    • @Harmo-Nie:

      "... weil Sie den Angriff auf Rafah kritisiert? ..."

      Ich persönlich halte es nicht für Zufall, dass Herr Sinwar in Rafah gestellt wurde und frage mich seitdem, weshalb so viele Regierungen/Staaten/NGOs die IDF ausgerechnet von Rafah fernhalten wollten. Diese Regierungen/Staaten/NGOs haben ja auch alle ihre Informanten und Zuträger.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Harmo-Nie:

      In puncto „Mphe“ (sic!) zur Qualitätskontrolle:

      Den Jewish Democratic Council of America habe ich bereits in meinem TAZ-Artikel „Trau, Trauma, Trump: Kandidatur von Kamala Harris“ vom 03.08.2024 namentlich erwähnt: taz.de/Kandidatur-...a-Harris/!6024920/

      Meiner eigenen Einschätzung nach wird Harris insgesamt die Mehrheit der abgegebenen jüdischen Stimmen bekommen. Das wäre auch der Normalfall. Doch da bedeuten keineswegs, dass es keine großen Verschiebungen in bestimmten Bundesstaaten – ob Swing States oder nicht – geben könnte.

      Sollte es interessieren: Hier berichtet die NYP vom 02.11.2024: „Harris campaign targets different messages about Israel-Hamas war to Jewish, Arab-American voters“.

      Link: nypost.com/2024/11...b-american-voters/

      Die Erstausstrahlung bezüglich dieser Angelegenheit sah ich via CNN: edition.cnn.com/20...l-gaza-ebof-digvid







      Was New Hampshire betrifft.

      „You Gave Me A Panic Attack’: Voters React To Trump Leading In New Hampshire Poll For The First Time“, in DAILY WIRE vom 03.11

    • @Harmo-Nie:

      Die Autorin fällt auch sonst mit stark Pro-Netanyahu Stellungnahmen auf. Ich wäre genau entsetzt, würde die TAZ irgendwelchen Hamas-Verstehern eine Plattform bieten wie über diesen Beitrag

      • @Oliver Grimm:

        Sie haben nicht den Eindruck, dass hier auch "Hamas-Versteher" zu Wort kommen bzw. Autoren, die Strategien vorschlagen, die den Kämpfern der Gaza-Hamas-Kriegspartei Vorteile verschaffen und nachteilig für die jüdisch-israelische Kriegspartei ebenso die jüdisch-israelischen Bürger:innen sind?

        Ich frage, weil ich einen anderen Eindruck habe.