Islamverbände und der 7. Oktober: Nicht von oben herab
Regierungspolitiker produzieren mit ihren Vorwürfen gegen deutsche Islamverbände Misstrauen. Was tun sie eigentlich für den Zusammenhalt?
M an kann den großen Islam-Verbänden in Deutschland viel vorwerfen. Sie sind konservativ, schwerfällig und wirken an ihrer deutschen Umwelt oft desinteressiert. Viele haben ihre Wurzeln in der Türkei; der Ditib-Verband untersteht sogar der türkischen Regierung. Dass der Chef der Religionsbehörde in Ankara, Ali Erbas, Israel in einer Predigt als einen „rostigen Dolch“ im Herzen der islamischen Welt bezeichnet hat, ist alarmierend.
Denn Erbas ist der oberste Vorgesetzte der Imame, die in den Hunderten von Ditib-Moscheen in Deutschland predigen. Zu eigen gemacht hat sich die Ditib diese Aussagen zwar nicht, distanziert hat sie sich von ihrem obersten Dienstherrn aber auch nicht.
Was man den Islam-Verbänden aber nicht vorwerfen kann, ist, dass sie den Terror der Hamas gutheißen würden. Tatsächlich haben die großen Dachverbände sogar erstaunlich schnell reagiert und schon am 8.Oktober eine erste Erklärung abgegeben, in der sie die Gewalt verurteilten und vor einer Eskalation warnten. In vielen Freitagspredigten wurden ähnliche Töne angeschlagen. Wenn Politiker von Cem Özdemir über Volker Beck bis Jens Spahn den Islamverbänden vorwerfen, sie hätten den Terror der Hamas nicht klar genug verurteilt, dann ist das Populismus, der Misstrauen sät.
Wenn Vizekanzler Robert Habeck Muslimen indirekt droht, sie könnten ihren Anspruch auf Toleranz verwirken, wenn sie sich nicht so verhalten, wie er es von ihnen erwartet, dann fühlen sich viele davon tatsächlich bedroht. Und wenn Innenministerin Nancy Faeser von Muslimen jetzt fordert, sich noch klarer gegen Antisemitismus zu stellen, dann befördert sie jenen Generalverdacht, dem sie angeblich entgegentreten will.
Besser wäre es, die Bundesregierung würde selbst mehr tun, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern. Das hieße, Muslime nicht nur von oben herab zu belehren und ihnen Bekenntnisse abzuverlangen, sondern sie als gleichberechtigte Bürger zu begreifen und auch auf ihre Sorgen und Ängste einzugehen.
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