Industriestrompreis: Ampel entlastet Betriebe
Der Strompreis für produzierende Unternehmen sollen sinken. Darauf hat sich die Ampelkoalition geeinigt. Je nach Verbrauch sparen Unternehmen so Millionen.
Weil energieintensive Branchen stark unter hohen Kosten leiden, hat Habeck bereits im Mai ein Konzept für einen Industriestrompreis von 6 Cent pro Kilowattstunde vorgelegt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatten sich dagegen gesperrt. Die jetzt gefundene Lösung unterscheidet sich erheblich von Habecks Vorschlag. So gelten die Entlastungen nicht nur für Unternehmen mit internationalem Wettbewerbsdruck, sondern für alle produzierenden. Außerdem sind die Entlastungen nicht an Bedingungen wie eine Standortsicherung, Zahlung von Tariflohn oder Investitionen in energiesparende Anlagen gebunden.
Die Regierung will die Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß senken. Das wird in den kommenden Wochen für 2024 und 2025 beschlossen. Die Senkung soll für weitere drei Jahre gelten, allerdings ist die Gegenfinanzierung noch offen. Bereits beschlossen ist die Stabilisierung der Netzgebühren. Bestehende Regelungen für die 350 Unternehmen, die am stärksten im internationalen Wettbewerb stehen, werden für fünf Jahre verlängert. Die Unternehmen müssen keine Eigenbeteiligung mehr leisten.
Für die energieintensivsten 350 Unternehmen könnten alle Entlastungen zusammen nach optimistischen Prognosen zu einem Strompreis von 6 Cent führen. Die anderen werden um 1,5 Cent pro Kilowattstunde bei der Stromsteuer entlastet. Von diesem Preis profitieren von der Bäckerei bis zur Aluminiumhütte alle produzierenden Unternehmen sowie die Land- und Forstwirtschaft.
SPD reagiert positiv
Für eine durchschnittliche Bäckerei rechnet die Regierung mit Entlastungen von 30.000 Euro pro Jahr – vorausgesetzt, der Backofen wird mit Strom betrieben. Viele Bäcker:innen arbeiten allerdings noch mit Gasöfen. Für einen energieintensiven Großbetrieb wie eine Aluminiumhütte könnten sich nach Angaben aus Regierungskreisen sogar jährliche Erleichterungen von 150 bis 250 Millionen Euro ergeben.
Von den insgesamt 12 Milliarden Euro Entlastung im Jahr 2024 kommen 2,75 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt, die übrigen Mittel sollen aus dem Klima- und Transformationsfonds fließen. Der Fonds wird vor allem aus Einnahmen aus dem CO₂-Preis gespeist.
Die ersten Reaktionen aus der SPD fallen positiv aus. Die Partei hatte zuvor vehement für einen Industriestrompreis geworben und den Kanzler damit traktiert. „Es ist gut, dass sich unser monatelanges Werben auszahlt“, so Fraktionschef Rolf Mützenich und Parteichef Lars Klingbeil in einer gemeinsamen Stellungnahme. Die Bundesregierung habe für eine zeitlich befristete Strompreissenkung insbesondere energieintensiver Unternehmen einen konzeptionellen und belastbaren Vorschlag vorgelegt. Die SPD will die Vorschläge nun mit Gewerkschaften, Industrie und Mittelstand weiter bewerten.
Der finanzpolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag Christian Görke begrüßte die Entlastung, fordert aber eine Ausweitung. „Die Einigung war überfällig, weil die Unsicherheit in der Wirtschaft groß ist“, sagte er. Die Senkung der Stromsteuer müsse aber für alle Betriebe und für Verbraucher:innen kommen. „Die gucken bei der Einigung in die Röhre“, sagte er.
Keine Begeisterung bei Greenpeace
Beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) stoßen die Maßnahmen auf Zustimmung. „Das Strompreispaket der Bundesregierung bringt dringend notwendige Entlastungen für Unternehmen und ist ein wichtiger Schritt in Richtung mehr Wettbewerbsfähigkeit“, sagte Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner. Auch der Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) ist zufrieden. Damit Unternehmen auf klimaschonende Produktionsweisen umstellen können, bräuchten sie günstigen Strom, sagte Präsident Peter Adrian. Er schränkte aber ein: „Ob das Paket am Ende ausreicht, um für die gesamte Industrie wettbewerbsfähige Strompreise zu sichern, ist allerdings zweifelhaft.“
Auf wenig Begeisterung stoßen die Entlastungen bei der Umweltorganisation Greenpeace. Die Maßnahmen „untergraben Anreize, den Energieverbrauch und Emissionen zu senken“, sagte Greenpeace-Energieexperte Bastian Neuwirth: „Damit bremst die Bundesregierung die notwendige klimagerechte Transformation der Wirtschaft und riskiert die Klimaziele.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken