Haushaltsentwurf: Afghanistan-Aufnahme wackelt
Menschenrechtsorganisationen warnen vor den Kürzungen im Haushaltsentwurf. Die Aufnahme gefährdeter Afghan*innen wird dadurch erschwert.
BERLIN taz | Dem Aufnahmeprogramm für afghanische Menschenrechtler*innen droht das Ende. Im Haushaltsentwurf des Kabinetts ist nur noch ein minimaler Betrag für solche Zwecke vorgesehen. Die Linke und zahlreiche Menschenrechtsorganisationen kritisieren die geplanten Einsparungen scharf.
Bei der Präsentation des Haushalts stritt Bundesfinanzminister Lindner (FDP) auf Nachfrage der taz zwar ab, dass das Aufnahmeprogramm eingestellt werde. Die Zahlen im Haushaltsentwurf sind aber relativ eindeutig: Der Posten „Resettlement und Leistungen im Rahmen der humanitären Hilfe“ beläuft sich auf nur rund 9 Millionen Euro – kaum mehr als ein Zehntel des bisherigen Betrags von rund 70 Millionen.
Damit ließe sich das Bundesaufnahmeprogramm für Afghan*innen wohl nicht mehr finanzieren. Laut Lindner soll es aber noch weitere Besprechungen zwischen Bundesinnenministerium und dem Auswärtigen Amt geben, die für das Programm verantwortlich sind. Ohnehin stehen zunächst noch Verhandlungen im Bundestag an, bevor der Haushalt dort beschlossen wird.
Aufgelegt 2022 sieht das Aufnahmeprogramm die Evakuierung von Afghan*innen nach Deutschland vor, die sich für Menschenrechte und Demokratie engagiert werden und deshalb von den Taliban bedroht sind. Auch wer als Einzelfall besonderer Verfolgung ausgesetzt ist, etwa wegen sexueller Orientierung oder Geschlecht, kommt für die Aufnahme in Frage.
Auch wegen der intensiven Sicherheitsüberprüfung kamen bisher aber nur wenige hundert Personen über das Aufnahmeprogramm nach Deutschland. Über 32.000 gefährdete Afghan*innen wurden dagegen mit anderweitiger Unterstützung der Bundesregierung eingeflogen, etwa über ein sogenanntes Listenverfahren, das dem Aufnahmeprogramm vorangegangen waren.
Kritik an den Kürzungsplänen gab es am Mittwoch aus den Reihen der Ampelfraktionen nicht. Die fluchtpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Clara Bünger, sagte dagegen: „Die Koalition steht gegenüber den extrem bedrohten Menschen im Wort – hier finanzielle Gründe vorzuschieben, ist einfach nur schäbig.“
Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen, etwa Medico International, Pro Asyl oder Amnesty warnten am Mittwoch in einem offenen Brief zudem vor den Folgen der Kürzungen für die Betroffenen. Als besonders befremdlich kritisieren sie, „dass der Haushaltsentwurf vorsieht, den Haushalt des Innenministeriums um 400 Millionen Euro zu erhöhen, gleichzeitig aber essenzielle Mittel für humanitäre Aufnahmeprogramme zu streichen.“
Alema Alema, Afghanistan-Referentin bei Pro Asyl sagte der taz, die Bundesregierung dürfe „die gefährdeten Menschen in Afghanistan jetzt nicht ihrem Schicksal überlassen.“ Sie schätzt, dass sich derzeit noch etwa 30.000 Personen, die Kriterien für die Evakuierung nach Deutschland erfüllen, in Afghanistan und Nachbarländern aufhalten.
Korrektur 18.07.2025 um 13:55 Uhr. In einer früheren Version des Artikels hieß es fälschlich, das Aufnahmeprogramm richte sich auch an Ortskräfte der Bundeswehr. Das ist falsch, für diese gibt es ein separates Programm, das sogenannte Ortskräfteverfahren. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen. d. R.
Leser*innenkommentare
Frank Naumann
Bundestag, Drucksache 19/5454:
Stand: 4. Oktober 2018
Bundestag, Drucksache 19/5454:
Stand: 4. Oktober 2018
Derzeit sind insgesamt für die in Afghanistan tätigen Ressorts 576 Ortskräfte beschäftigt, davon 83 Ortskräfte für das Auswärtige Amt (AA), 10 Ortskräfte für das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und 483 Ortskräfte für das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg).
Darüber hinaus beschäftigen die im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) tätigen staatlichen Durchführungsorganisationen, die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die Entwicklungsbank der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und die politischen Stiftungen weitere ca. 1300 lokale Mitarbeiter.
dserver.bundestag....19/054/1905454.pdf
dserver.bundestag....19/054/1905454.pdf
Sonnenhaus
„Die Koalition steht gegenüber den extrem bedrohten Menschen im Wort – hier finanzielle Gründe vorzuschieben, ist einfach nur schäbig.“
nicht nur schäbig, sondern im höchsten Masse Geschichtsvergessen, denn tausende geflüchteter Deutscher aus dem Nationalsozialistischen Deutschland fanden in vielen Staaten trotz damaliger klammer Staatskassen eine neue "Heimat" und Überleben. Unsere Regierung mit der Enkelgeneration hat das wohl alles schon wieder vergessen oder verdrängt. Ein solcher staatlicher Wortbruch mit bürokratischer Unterstützung gegenüber Menschen, die wie unsere Soldaten in Afghanistan ihr Leben riskierten ist unverzeihlich. Vielleicht wird in 10 Jahren ein Gedenkstein errichtet zum Andenken an die Zurückgelassenen und Ihrem Schicksal überlassenen.
Es zeigt sich, die Zusagen sind nicht viel mehr als heiße Luft. Das zerstört jegliche Zuversicht für kommende ähnliche Situationen, auf Hilfe von unserer Regierung zu hoffen.
Puky
@Sonnenhaus Geschichtsvergessen ist das richtige Stichwort: Ein Großteil der in andere Länder während des Nationalsozialismus geflohenen Menschen brachte Geld mit und bekam dort keine staatliche Unterstützung. Im Gegensatz zu unseren Soldaten, haben diese Menschen für die Freiheit und Demokratisierung ihres eigenen Landes gedient. Weiterhin ist Lage in Afghanistan nicht so dramatisch, wie es angenommen wurde. Es ist nicht bekannt, daß Hilfskräfte massenhaft verhaftet und hingerichtet wurden. Von daher wird in 10 Jahren auf dem Gedenkstein nicht viel geschrieben stehen können.
Janix
@Sonnenhaus Und auch nur macchiavellistisch: es wird sich niemand mehr für Deutschland ins Zeug legen, wenn es so gedankt wird.
Puky
@Janix Hier liegt ein großer Irrtum vor. Deutschland hat sich für Afghanistan ins Zeug gelegt und hat versucht demokratische Strukturen ins Land zu bringen. Die Ortskräft wurden gut bezahlt und haben in dieser Funktion ihrem eigenen Land gedient und nicht Deutschland.
Michi81093
@Sonnenhaus Einen Unterschied gibt es aber schon:
Damals fanden Tausende von Deutschen Schutz in anderen Ländern. Nun hat Deutschland aber bereits Tausende von Syrern, Afrikanern und zuletzt auch noch Ukrainern aufgenommen. Im Gegensatz zu den geflüchteten Deutschen von damals müssen die aufgenommenen Flüchtlinge nicht selbst für ihren Unterhalt und ihre Wohnung aufkommen.
Irgendwann kann der deutsche Steuerzahler diese Kosten schlicht und einfach nicht mehr stemmen.