Aufnahmeprogramm für Afghanistan: Zu wenige, zu langsam
Der Haushaltsausschuss gibt Gelder frei, um jährlich 5.000 Afghan*innen aufzunehmen. Pro Asyl und Linksfraktion kritisieren das als unzureichend.
Berlin taz | Pro Asyl kritisiert die Beschlüsse des Haushaltsausschusses für ein Afghanistan-Aufnahmeprogramm als unzureichend. „Dieses Programm wird der Bedrohungslage nicht gerecht“, erklärte Günther Burkhardt, Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation, am Freitag.
Der Haushaltsausschuss des Bundestags hatte am Vorabend den Weg frei gemacht für die Aufnahme von 5.000 Menschen aus Afghanistan. Am Donnerstagabend beschloss das Gremium auf Antrag der Ampelfraktionen SPD, Grüne und FDP die Freigabe von zusätzlichen 25.000 Euro für „Resettlement und Leistungen im Rahmen der humanitären Aufnahme“. Sie sollen vollständig für das im Koalitionsvertrag vereinbarte Bundesaufnahmeprogramm verwendet werden. Der Antrag liegt der taz vor. Zuerst hatte der Spiegel darüber berichtet.
Im Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt sind die Kosten für ein solches Programm nicht enthalten. Ende April hatte sich deswegen das Bundesinnenministerium an die Mitglieder des Innenausschusses gewandt und um Unterstützung bei den Haushaltsberatungen gebeten. In diesem Schreiben heißt es, gebraucht würden 25 Millionen Euro für eine „Aufnahmezahl von operativ voraussichtlich realisierbaren 5.000 Personen jährlich“. Damit könnten etwa 1.000 Familien pro Jahr nach Deutschland kommen.
Schon als diese Zahl bekannt wurde, hatte es Kritik gegeben. Denn obwohl im Koalitionsvertrag keine konkrete Zahl genannt ist, kursiert schon länger, die Koalition wolle 20.000 Menschen aufnehmen. Pro Asyl warnte davor, die Aufnahme dieser Menschen auf einen Zeitraum von bis zu vier Jahren zu strecken. „Bis dahin könnten viele gefährdete Afghan*innen tot sein“, sagte Burkhardt. „Die Meldung eines Aufnahmeprogramms für 20.000 Menschen weckt falsche Hoffnungen bei jenen, die sich in Afghanistan für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt haben.“
Afghan*innen bleibt keine Zeit
Auch von den Linken, die dem Antrag anders als Union und AfD zugestimmt haben, kommt Kritik. „Ich finde es befremdlich, dass die Evakuierung von extrem gefährdeten Personen aus Afghanistan auf 5.000 pro Jahr gedeckelt wird“, erklärte Clara Bünger, fluchtpolitische Sprecherin der Fraktion. „Angesichts der Mitverantwortung Deutschlands für die schreckliche Entwicklung in Afghanistan, darf es keine Aufnahme nach Kassenlage geben. Vor allem muss es jetzt schnell gehen, wir können die Menschen nicht auf 2023, 2024, 2025 vertrösten.“
Scharfe Kritik kommt auch aus der SPD. Für den Bundesvorsitzenden der AG Migration und Vielfalt in der SPD, Aziz Bozkurt, läuft der „ganze Prozess extrem schleppend“. Es sei besonders bitter, dass ein Kontingent auf 5.000 Personen festgelegt worden sei, erklärte Bozkurt gegenüber der taz. Die Bedrohung in Afghanistan sei real.
Die Grünen-Politikerin Jamila Schäfer begrüßte die Entscheidung. „Ich freue mich sehr, dass wir die Bundesregierung mit diesem Beschluss befähigen, das Aufnahmekontingent für Afghanistan rasch umzusetzen“, sagte sie dem Spiegel. Im April hatten die Grünen die Aufnahme von 5.000 Menschen pro Jahr noch als zu kurzgreifend kritisiert und angekündigt, man sei mit dem Bundesinnenministerium im Gespräch über die Größenordnung.
Leser*innenkommentare
PolitDiscussion
Schon vor der Machtübernahme der Taliban war Afghanistan das unsicherste Land der Erde, noch vor Syrien. Wer die Fluchtgründe von Menschen aus solchen Ländern anzweifelt, kann das Asylrecht auch ganz abschaffen. Denn es wird zur Willkür.
Nun ist Afghanistan nicht nur das unsicherste Land der Erde, sondern zudem das einzige Land der Erde, wo Mädchen und Frauen nicht zu Schulen und Universitäten gehen können. Schwer vorstellbar, dass Unterdrückung noch extremer sein kann.
Einige Menschen müssen nun unter den Taliban leben, weil sie zuvor aus Deutschland dorthin abgeschoben wurden. Manche von ihnen mögen sogar bereits verstorben sein, niemand führt solche Statistiken.
Die Deckelung der Menschenrechte auf 5000 Personen pro Jahr spricht dagegen, dass die Verantwortlichen ein Konzept universaler Menschenrechte vertreten.