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Haushaltsdebatte im BundestagLindner strikt gegen neue Schulden

Der Bundestag debattiert über Sparmaßnahmen und die Schuldenbremse. Mit unterschiedlichsten Mitteln wollen die Ampel-Parteien jetzt Geld auftreiben.

Berlin am Freitag den 1.12.2023: Christian Lindner grübelt im Deutschen Bundestag Foto: Annegret Hilse/reuters

Berlin dpa | Finanzminister Christian Lindner will für den Haushalt 2024 keine zusätzlichen Schulden aufnehmen, sondern sparen. „Wir werden auf der Ausgabenseite umschichten. Dafür, dass wir Zukunftsinvestitionen und bedeutende Vorhaben der Koalition realisieren, werden wir andere überkommene, heute nicht mehr notwendige Ausgaben repriorisieren“, sagte der FDP-Politiker am Freitag im Bundestag.

„Noch mehr Schulden bei stark gestiegenen Zinsen ist jedenfalls nicht der richtige Weg“, so Lindner. Er wolle lieber Geld für Zukunftsinvestitionen ausgeben als für Zinsen. Nach dem Karlsruher Haushaltsurteil ringt die Ampel-Koalition um den Etat für das kommende Jahr.

Lindner beziffert die Finanzierungslücke auf 17 Milliarden Euro. Im Gespräch sind diverse Sparmaßnahmen, aber auch eine Aussetzung der Schuldenbremse, um so zum Beispiel die Hilfszahlungen an die Ukraine über Kredite zu finanzieren.

Der Haushälter der Grünen, Sven-Christian Kindler, sprach sich für den Abbau klimaschädlicher Subventionen aus. „Wann, wenn nicht jetzt?“, fragte er. Kindler verwies auch auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, das die Bundesregierung verurteilt hat, Sofortprogramme für mehr Klimaschutz im Verkehr und bei Gebäuden aufzulegen. Außerdem müsse die Schuldenbremse für Investitionen in Klimaschutz und Infrastruktur erweitert werden.

Streit um Schuldenbremse

Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg betonte, CDU und CSU seien bereit, der Koalition konstruktiv bei einer Lösung zu helfen – das setze aber voraus, dass die Ampel im Haushalt umschichte und ernsthaft spare. CDU-Haushälter Christian Haase sagte, frühere Regierungen hätten viel mehr als die 17 Milliarden eingespart. „Das trauen Sie sich nicht zu?“, fragte er an die Koalitionäre gerichtet. Außerdem betonte er: „Die Schuldenbremse verhindert nicht die wichtigen Ausgaben, die Schuldenbremse verhindert die unwichtigen.“

Linken-Haushälterin Gesine Lötzsch plädierte mittelfristig für die Abschaffung der Regelung im Grundgesetz. „Eine zerrüttete Infrastruktur, eine zerstörte Umwelt und eine unsinnige Schuldenbremse dürfen wir nicht an die nächste Generation vererben. Das wäre zutiefst unmoralisch und ungerecht“, sagte sie.

Formal ging es im Bundestag nicht um den Etat für 2024, sondern eigentlich um den Nachtragshaushalt für das laufende Jahr. Damit will die Ampel-Regierung zunächst für 2023 die Schuldenbremse aussetzen, um bereits genutzte Kredite nachträglich abzusichern. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist klar, dass die Regierung diese Kredite ohne weiteres nicht hätten aufnehmen dürfen. Ohne den Nachtragshaushalt hätte ein verfassungswidriger Haushalt gedroht.

Zeit der Krisen

Es geht um fast 45 Milliarden Euro, die großteils für die Energiepreisbremsen, aber auch zur Unterstützung der Flutopfer im Ahrtal ausgegeben wurden. Voraussetzung für die Aussetzung der Schuldenbremse ist, dass der Bundestag eine außergewöhnliche Notlage erklärt. Darüber soll Mitte Dezember abgestimmt werden.

Die Bundesregierung argumentiert, die tiefgreifenden humanitären, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Krieges beeinträchtigten auch im Jahr 2023 erheblich die staatliche Finanzlage. Auch die Beseitigung der Flutschäden vom Sommer 2021 sei noch nicht erledigt.

Die AfD sieht das nicht als gerechtfertigt an. Rückwirkend für 2023 eine Notsituation zu erklären, sei „in jedem Fall verfassungswidrig“, sagte der Haushaltspolitiker Peter Boehringer. Er forderte Unionsfraktionschef Friedrich Merz auf, dagegen zu klagen. Der AfD selbst fehlt dafür die nötige Zahl der Sitze im Bundestag.

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36 Kommentare

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  • @RUDOLF FISSNER

    Habe ich das gesagt?

  • Keine neue Schulden? OK.

    Steuern rauf!

    • @tomás zerolo:

      Sie wollen keine Ausgabenreduzierung, nicht mal die, die die von ihnen so geschätzte FDP in ihrem Bereich anbietet?

  • Man sollte auch die netto Zahlung an die EU halbieren. Das bringt satte 10 Milliarden Euro.

    • @Stoffel:

      "Zahlungen an" ist eine Unsinnsforderung.



      Sie müssen sich schon spezifizieren und mitteilen WOFÜR Sie weniger Ausgaben haben wollen.

  • Keine neuen Schulden heißt es jetzt bei 16,6 Milliarden Neuverschuldung für 2024 ?? FDP anprangern ist immer gut und momentan auch sehr Modern, nur sind über 60 Milliarden neue Schulden für 23 und 24 auch kein Pappenstiel !! Bei dem ( beschränkten ) Können unserer Politiker ist es sehr gut das es Grenzen für Schulden gibt, weil sonst alle Dämme brechen würden.

    • @Günter Witte:

      wenn man Dämme (vulgo: Deiche) zu dicht am Wasser baut - weil so die Wassergrundstücke zahlreicher und somit verlockend für den Immobilienhandel sind - dann kommt das (Hoch)Wasser mangels Raum noch schneller drüber...

      • @Monomi:

        Aber wenn man den Damm einreißt ist der Schaden für das Land dahinter größer, also lieber den Damm stabilisieren wie das absaufen riskieren !

  • Die FDP sollte raus aus dem Club der beliebigen Schuldenmacher. Sollen sie doch schauen, wie sie dann ans Geld kommen.

    • @Rudi Hamm:

      Das ist ja ein wirklich konstruktiver Vorschlag! Gibtessnst keine politischen Prioritäten, die Sie beim Haushal sehen?

  • Man braucht kein Studium, um zu erkennen dass das nicht geht:

    - 100 Mrd einer völlig dysfunktionalen, verfetteten Rüstungsindustrie in den Rachen schmeissen;



    - vom BIP statt 1,2% jetzt 2,0% für Waffensysteme ausgeben wollen;



    - dringend nötige Korrekturen am Sozialsystem durchführen (um zB Kinder von Alleinerziehenden nicht hinten runter fallen zu lassen)

    ...UND gleichzeitig den Superreichen und Erben NICHT ans Portemonnaie gehen zu wollen.

    Habeck war angetreten, die Widersprüche zur FDP wegzumoderieren. Geht nicht.

    • @sanity could be emailed:

      Die 200 Mrd Ausgaben für die Rüstung laufen über im GG festgezurrte Paragrafen. Dabei hat die Regierung außnahmswriße kene handweklichen Fehler gemacht.

      Ihr Vorschlag würde nur den gleichen Fehler wie bei den umgewidmeten Coronageldern wiederholen.

      Daher nö. Habeck nochmal beim Verfassungsgauflaufen zu lassen isten ganz mieser Vorschlag

    • 6G
      697175 (Profil gelöscht)
      @sanity could be emailed:

      Nun ist es ja erklärtes Ziel der Neoliberalen, den Staat (und die Demokratie) auszudünnen, damit die ohnehin schon bestimmenden Kräfte noch weniger gestört werden. Von daher bleibt es einfach ein grausames Wunder, dass sich ein "sozialdemokratischer" Kanzlerkandidat ausgerechnet die FDP nicht nur ans Bein bindet, sondern ih wie einem verwöhnten Einzelkind alles durchgehen lässt.



      Herr Habeck hatte da nie Chancen, aber er konnte sich ja nicht einmal als Kanzlerkandidat oder Finanzminister durchstzen, insofern...d

    • @sanity could be emailed:

      Kann nicht gehen: Habeck ist nicht so ideologiegebunden und nicht so egomanisch wie Lindner...

  • Herr Lindner sollte die Regierung verlassen. Er ist der Letzte im Kabinet der rechnen kann. Nur kann er es keinen in der Regierung erklären. Es ist nicht zu wenig Geld. Die Regierung weiß blos nicht damit umzugehen.

    • @Kristina Ihle:

      Yepp, wenn ich in der Regierung jemanden suche, der rechnen kann, ist Lindner der Letzte, den ich frage.



      Fakt ist: Es war seine Aufgabe für ein ordentliches Verfahren für die 60 Mrd Sondervermögen zu sorgen.



      Und er hat's versemmelt.



      Wer den Schaden hat, ...Spott....:



      Lieber gar nicht auf der Regierungsbank als dort Inkompetenz offenbaren....



      Oder wie war das.......?

  • Die Ampel hat seit Regierungsantritt mehr als 1700 neue Beamtenstellen geschaffen, zusätzlich zu den 30tausend vorhandenen. So viele hat noch keine Regierung aufgenommen.. Es sind fast ausschliesslich Stellen mit mehr als guter Vergütung.



    Wussten sie, dass es ohne nicht geht wegen fehlender Kenntnis . Vielleicht mussten auch Trauzeugen untergebracht werden.

  • Noch mal der Vergleich mit dem Haus:



    Wenn das Dach verrottet und die Reparatur kostet kreditfinanziert €5000 - dann lassen wir lieber die ganze Bude verrotten statt den Kredit zu nehmen und zahlen dann €300000 für ein neues Haus. Das macht Sinn. Oder nicht?

    • @Perkele:

      Yepp.



      Der Sinn, Hans-Werner, macht das so.



      Natürlich nicht bei der eigenen Hütte...

    • @Perkele:

      Tja, wenn das Geld schon für die Wärmepumpe draufgegangen ist, dann ist eben keine Dachreparatur mehr drin...

    • @Perkele:

      Die 5000€ für die Reparatur hat der Staat aber. Daher schlechter Vergleich. Dafür müsste man nur bei anderen Projekten etwas sparen.



      Das ist doch das Kern Problem, die Regierung möchte bei Konsumausgaben nicht sparen, denn das holt Wähler

    • @Perkele:

      Falls uns dann jemand die 300k leiht. Wenn nicht, wohnen wir im Zelt. :D

  • Möglicherweise ist 2024 das richtige Jahr, um mit dem Schuldgeldblödsinn endlich aufzuhören.

    Den runden Kopf (damit das Denken die Richtung wechseln kann) und die Freiheit der Imagination haben fleißige Schlauköpfe schon genutzt, um über eine eventuelle Geldtransformation nachzudenken:

    www.moneytransformation.org/

  • „Die Schuldenbremse verhindert nicht die wichtigen Ausgaben, die Schuldenbremse verhindert die unwichtigen.“

    Selbst die Politiker welche die Schuldenbremse umgesetzt haben, verstehen diese oft genug nicht. .

    Die Schuldenbremse unterteilt nicht in "wichtig" und "unwichtig", das kann diese auch garnicht da dies subjektive Werte sind.

    Die Schuldenbremse verhindert Ausgaben über die Summe X und definiert Ausnahmen.

    Ob in den Ausnahmen alle wichtigen Dinge erfasst sind, darüber herrscht jedoch keine Einigkeit.

    Infrastruktur, Umweltschäden, Anstieg von Hitzetoten sind zum Beispiel "unwichtig".

    Banken oder der Wirtschaft den Arsch zu retten ist "wichtig".

    Die Aussage von Herr Haase bezieht sich somit ausschließlich auf seine persönlichen Werte (und die der CDU), nicht die Schuldenbremse.

    • @sociajizzm:

      Umweltschäden wenn sie konkret sind durchaus Ausnahmen, der Klimawandel an sich nicht weil er ein fortlaufendes Problem ist wie Sicherheit oder Sozialstaat, aber wenn der Klimawandel so wichtig ist muss man halt abstriche anderswo machen. Diese Regierung begräbt jeden Streit mit Geld, es werden Haufenweise neue Leute mit gutdotierten Posten besehen, etc. wie wäre es mal ernsthaft zu Digitalisieren und die Verwaltung und Regelungen zu entschlacken? Geld zu sparen in der Verwaltung und für Prestige projekte? Steuern einzutreiben? Anstatt immer neue zu erfinden erstmal bestehende eintreiben.

  • Diese Koalition war einfach nie eine Koalition. Das Geld hat sie halbwegs zusammen gehalten, damit ist es jetzt vorbei, jetzt liegen die völlig unterschiedlichen, ja gegensätzlichen Positionen offen zutage. Jetzt kann man die Kompromisse nicht mehr erkaufen, jetzt ist Konfrontation, jetzt gibt es nur noch biegen oder brechen. Gut so! Mal im Ernst: kann es noch schlimmer werden? Jede Koalition ist besser, wenn nur die FDP nicht dabei ist.

  • Zinsen sind der Tod. Obacht.

  • Da werden sich die kommenden Generationen freuen: Schuldenfrei aber das Schulklo ist in einem Zustand, als stände es im Straftlager eines Schurkenstaats..

    • @Paul Meier:

      Man könnte sich zum Beispiel die unsinnige E-Auto- und Wärmepumpenförderung sparen und mit dem Geld Schulklos reparieren.

    • @Paul Meier:

      Würde die Schuldenbremse geschliffen würden die Schulklos genau in dem Zustand bleiben wie zuvor, das ist Ländersache. Das Geld würde für Subventionen und Soziales verpulvert, man will ja gewählt werden. Mit Brücken, Schienen, Forschung etc. gewinnen sie keine Wählerstimmen.

    • @Paul Meier:

      Schulklos oder auch Brücken sind irrelevant. Relevant ist, die Vorgaben der Ideologie zu erfüllen. Fragen Sie Herrn Lindner

  • Verschulden wir uns also lieber, indem wir unsere Infrastruktur, Bildung, Kultur, Gesellschaft und Natur verrotten lassen. Darauf sind übrigens auch Zinsen zu zahlen.

    • @Axel Donning:

      Sehen Sie das so: wir haben uns in den letzten 30 Jahren verschuldet, OHNE das in Infrastruktur, Bildung, Kultur, Gesellschaft und Natur investiert wurde.

      Warum sollte dies auf einmal anders sein?

      Für mich ist die Forderung, die Schuldenbremse auszusetzen bzw. abzuschaffen, nur ein weiterer Vorwand um Geld zu verschleudern und die Infrastruktur weiter zu schleifen.

    • @Axel Donning:

      Wir haben uns bereits mit 2.5 Billionen verschuldet, die Begründung war immer "für Infrastruktur, Bildung und Natur".



      Das Geld ist nur dort nie wirklich angekommen.



      Die Schulen sind vergammelt, die Bahn ist vergammelt, die Straßen sind vergammelt und für unsere Kinder sind für 1000 Generationen gefährlicher Atommüll und Schulden übrig.



      Glauben sie ernsthaft, dass eine weitere Neuverschuldung bei den Kindern und Schulen ankommt?



      Ich nicht, und deshalb bin ich gegen weitere neue Schulden. Der Haushalt von hunderten Milliarden, sinnvoll investiert, ist völlig ausreichend, sparen ist angesagt.

    • 6G
      697175 (Profil gelöscht)
      @Axel Donning:

      Das haben Union und FDP offenbar nicht verstanden : dass man bei der Bilanzierung ausser Barmitteln auch Sachwerte berücksichtigen muss. Dass Reparaturen teurer werden, je später man sie durchführen lässt, ist für diese Leute mit vorgeblicher Wirtschaftskompetenz offenbar auch keine Erkenntnis.