Habeck will Strom- von Gaspreis lösen: Gaskraftwerke prägen den Strompreis
An den Strommärkten definiert das teuerste Kraftwerk den Börsenpreis. Das hat sich niemand ausgedacht, sondern ergibt sich zwangsläufig.
Strom zur Lieferung im Jahr 2023 wurde am Montag in einem von großen Schwankungen geprägten Markt zeitweise für mehr als einen Euro je Kilowattstunde gehandelt. Damit hat sich der Börsenpreis binnen einem Monat fast verdreifacht. Für die kommenden Wintermonate wurden sogar zeitweise mehr als 1,40 Euro je Kilowattstunde bezahlt – und das sind nur die Großhandelspreise. Bis die Kilowattstunde beim Endkunden ankommt, schlagen noch Netzentgelte, Vertriebskosten sowie ein paar weitere kleine Posten zu Buche. Und dann natürlich die Umsatzsteuer.
So skurril das im ersten Moment erscheinen mag – dies ist der übliche Weg der Preisbildung, wenn an transparenten Märkten homogene Güter gehandelt werden. So wie es beim Verkauf beliebiger Rohstoffe am Weltmarkt auch keine Rolle spielt, dass die Gewinnung identischer Rohstoffe sehr unterschiedliche Kosten verursachen kann; bezahlt wird – bei gleicher Qualität – ein einheitlicher Marktpreis, der für jede einzelne Tonne gilt. Und diesen setzt immer die teuerste Tonne, die nötig ist, um den Bedarf vollständig zu befriedigen. Nach ähnlichen Marktgesetzen funktionieren übrigens auch Auktionen auf Ebay.
Jeder freie, transparente Markt bildet auf diesem Weg seine Preise. Das zeigt ein einfaches Beispiel: Auf einem Markt – also einem definierten Handelsplatz – werden zehn gleichwertige Äpfel angeboten. Bestimmt man nun zu einem fixen Termin den Verkaufspreis, dann ist dieser natürlich (weil die Ware identisch ist) für alle Äpfel gleich.
Problem ist ein komplett liberalisierter Markt
Nehmen wir nun an, es wird bei zehn verfügbaren Äpfeln ein elfter Apfel nachgefragt. Was dann passiert, ist einfachste Lehrbuchökonomie: Der Preis der Äpfel steigt so weit, bis eines von zwei möglichen Ereignissen eintritt. Entweder es springt ein Interessent ab, weil er nicht mehr bereit ist, diesen Preis zu bezahlen, dann werden die zehn Äpfel zum erzielten Preis an die nunmehr zehn Interessenten verkauft.
Oder aber ein Anbieter ist angesichts des gestiegenen Preises bereit, einen weiteren Apfel (nun unter Inkaufnahme hoher Kosten) zu beschaffen. Dann gehen alle nun vorhandenen elf Äpfel zum Einheitspreis an die Kunden. Dieser ist – und damit ergibt sich die Parallele zum Strommarkt – definiert durch die Kosten, die für die Beschaffung des elften Apfels anfallen.
Nichts anderes spiegelt die Strombörse in hoher zeitlicher Auflösung wider. In Stunden, in denen Strom aus erneuerbaren Energien en masse vorhanden ist, wenn also keine Gaskraftwerke und überhaupt keine fossilen Kraftwerke nötig sind, geht der Preis in den Keller, denn dann setzen die Erneuerbaren mit ihren variablen Kosten nahe null den Preis. In Zeiten, in denen aber Kraftwerke mit teuren Brennstoffen nötig sind, steigt der Einheitspreis für alle verkauften Kilowattstunden.
Alternative: Staat steuert den Strompreis
Das kann man jetzt gut finden oder schlecht – in jedem Fall ergibt sich das zwangsläufig, wenn man den komplett liberalisierten Markt zulässt. Alternativ dazu ist natürlich eine – partielle oder vollständige – staatliche Steuerung des Strompreises möglich.
Dachten die Ampel-Parteien womöglich an ein Konzept dieser Art, als sie im vergangenen Herbst in ihren Koalitionsvertrag schrieben, sie wollten „ein neues Strommarktdesign erarbeiten“? Bis heute ist nicht klar, was die Koalitionäre mit dieser Formulierung meinten. Denn immer noch hat niemand ein anderes Modell vorgestellt, das die Funktion des europäischen Strommarktes weiterhin gewährleisten könnte. Damit werden die Strompreise auch künftig an den Gaspreisen hängen – so lange jedenfalls, wie noch Erdgas verstromt wird.
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