Greta Thunberg im Hambacher Forst: „Dieser Wald ist so wichtig“
Die Aktivistin besucht die Waldbewohner*innen. Sie besichtigt den Tagebau, steigt in ein Baumhaus und fordert den deutschen Kohleausstieg vor 2038.
Greta Thunberg hatte im März den Baumhausdörfern im Hambacher Forst die Goldene Kamera gewidmet. Jetzt ist sie in Deutschland und will die Waldbewohner*innen besuchen. Auf dem Weg hält sie kurz hier, bei Terra Nova: einem Platz mit Liegestühlen und Sonnenschirmen wie am Strand. Nur dass man nicht aufs Meer blickt, sondern auf den Braunkohletagebau Hambach. „Du siehst dieses Loch bis zum Horizont – und ganz weit hinten zehn Windräder“, sagt Thunberg. „Es ist armselig.“
Wegen Sicherheitsbedenken – Thunberg hat inzwischen mehrere Stalker, die ihr überall hinterherreisen – ist der Besuch streng durchgetaktet. Als es weitergeht zum Hambacher Forst, ist keine Zeit, um sich in Manheim umzuschauen, einem Dorf in der Nähe des Tagebaus, das teils noch bewohnt ist, teils bereits von RWE abgerissen wird. Türen und Fenster sind zugenagelt, vor ein paar Monaten wurde die Kirche entweiht. Der Autotross nimmt auf den Weg zum Wald einen kleinen Umweg, um hindurchzufahren.
Am Wald wartet ein Willkommenskomitee auf Thunberg: Waldbewohner*innen, zwei Schüler*innen von lokalen Fridays-for-Future-Gruppen, Aktivist*innen von Ende Gelände und Anwohner*innen von „Alle Dörfer bleiben“. Als Thunberg eintrifft, macht sich die Menge auf zu einem Spaziergang durch den Wald, in Richtung des Baumhausdorfes Oaktown. Vornweg gehen zwei Waldbewohner*innen und erzählen Thunberg die Geschichte des Hambacher Forstes. Sie zeigen ihr, wo vor dem Großeinsatz letztes Jahr das Baumhausdorf „Kleingartenverein“ stand. Dahinter führt ein schmaler Weg durch dichte Farne.
Thunberg zu Gast im Haus von Clumsy
„Es ist jetzt sehr wichtig, dass wir hintereinander gehen, damit wir den Wald nicht beschädigen“, sagt Waldbewohner Clumsy. „Sag das der Presse“, entgegnet Thunberg und schaut nach hinten. Mit einigem Abstand folgt ihr eine Gruppe aus zwanzig bis dreißig Pressevertreter*innen. Wenn Thunberg einen Waldspaziergang macht, passiert das unter Beobachtung. Sie schaut zu Boden, um nicht auf Triebe zu treten. „Hier achtet man auf jeden Schritt, um nichts kaputt zu machen“, sagt sie, „Und da drüben ist dieses riesige Loch. Was für ein Kontrast.“
Im Baumhausdorf angelangt, gibt Thunberg Interviews. Während sie redet, stehen Aktivist*innen der verschiedenen Bewegungen hinter ihr zusammen. „Was mir Hoffnung gibt, sind die Menschen, die auf verschiedene Weisen kämpfen, um den Wandel zu bringen, den wir brauchen“, sagt sie. Dass es eine Straftat ist, in Tagebaue einzudringen, bedeute nicht, dass es falsch sei. „In manchen Fällen ist ziviler Ungehorsam notwendig.“ Deutschland könne nicht, wie geplant, noch knapp zwanzig Jahre lang Braunkohle verbrennen. „Es ist nicht meine Meinung. Es ist nicht, was ich denke. Es ist, was die Wissenschaft sagt.“
In den Hambacher Forst sei sie gekommen, weil er eine symbolische Bedeutung habe. „Dieser Wald ist so wichtig, nicht nur als Ökosystem für Biodiversität. Sondern auch, weil er so bedroht ist und alle diese Leute kämpfen, um ihn zu erhalten – und das ist bewundernswert. Die Dörfer, die zerstört werden, die Anwohner, die umziehen müssen. Es ist verstörend.“
Empfohlener externer Inhalt
Zuletzt wird Thunberg noch eingeladen, ein Baumhaus zu besichtigen: Das Haus von Clumsy, in 16 Metern Höhe. Bevor sie aber einen Gurt anlegt, geht sie in die Hocke und sammelt Scherben. „Hier liegt Glas“, sagt sie. Clumsy kniet sich daneben und sammelt mit. „Als hier geräumt wurde, haben RWE und Polizei die Häuser kaputtgemacht und lauter Reste liegen lassen. Wir sammeln öfters, aber die liegen überall.“
Schließlich ist das Glas gesammelt und Thunberg hat einen Gurt an. Einer aus dem Sicherheitsteam nickt – und oben ziehen zwei Waldbewohner*innen Thunberg hoch. Lange bleibt sie nicht oben im Baumhaus: etwa zehn Minuten. Dann muss sie weiter. In Deutschland ist sie nur auf Durchreise, auf dem Weg nach Großbritannien. Von dort wird sie mit dem Segelboot zum Klimagipfel in New York segeln. Und nein: Mit Trump wolle sie nicht reden. Der höre eh nicht zu.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“