Globale Proteste gegen Rassismus: Das letzte weiße Aufbäumen
Der Mord an George Floyd hat weltweite Auswirkungen. Viele fordern, nicht mehr außen vor gelassen zu werden.
D ie Wirksamkeit, mit der sich Nichtweiße gesellschaftliches Gehör verschaffen, hat sich in diesen Tagen verändert. Die „Black Lives Matter“-Demos, an denen allein in Deutschland am Wochenende mehr als 180.000 Menschen teilnahmen, sind nur ein Ausdruck davon.
Die durch den Mord an George Floyd nicht ausgelösten, aber dadurch forcierten Kämpfe um Respekt, Teilhabe, Repräsentation unterscheiden sich von Land zu Land – postkolonial grundiert in Frankreich, als umkämpfter Einwanderungsdiskurs in westeuropäischen Staaten wie Deutschland oder vor dem Hintergrund von Sklaverei wie in den USA. Und gleichzeitig haben sie alle mit der „Pandemie des Rassismus“, wie es der Anwalt Floyds nennt, ein gemeinsames Gegenüber.
Die Forderung, Nichtweißen zuzuhören, wenn sie über Rassismus sprechen, ist nicht neu, aber sie hat jetzt mehr Nachdruck denn je. Es hat sich eine gesellschaftliche Gegenmacht gebildet, die nicht nur gehört werden will, sondern tatsächlich Aussicht hat, Konsequenzen durchzusetzen, von der Straße in die Institutionen hineinzuwirken und von diesen nicht länger ignoriert werden kann.
Dinge kommen in Bewegung, aber in kleinen Schritten. Podien, auf denen nur Weiße über Rassismus sprechen, wird es weiter geben – aber sie werden künftig so gestrig wirken wie schon jetzt solche, auf denen nur Männer sitzen. Die Polizisten, die Oury Jalloh getötet haben, laufen noch immer frei herum – aber die Lüge, er habe sich selbst angezündet, ist widerlegt. Die Forderung, unabhängige Instanzen zu schaffen, die gegen Polizeigewalt vorgehen, wird auf die ein oder andere Weise erfüllt werden – da mag die Polizeigewerkschaft noch so zetern. Und es geht nicht nur um ein Ende rassistischer Übergriffe.
Minderheiten lassen sich immer weniger damit abspeisen, außen vor gelassen zu werden, wo Macht und Ressourcen sind. Ihnen hilft dabei ein demografischer Faktor: In Westeuropa und Nordamerika steigt der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund und damit auch der von Nichtweißen – völlig normal und nicht revidierbar in einer zusammenwachsenden Welt. Nicht nur in den USA gibt dies vielen Menschen Hoffnung, Antirassismus aus einer Position zunehmender Stärke verhandeln zu können.
Jene, die an der Vorstellungen ethnisch homogener oder weiß dominierter Gesellschaften festhalten, geraten hingegen in die Defensive. Das erklärt auch die Aggression, mit der vielerorts auf das gewachsene politische Selbstbewusstsein von Nichtweißen reagiert wird. Nicht umsonst ist von Trumps Präsidentschaft oft als „letztem Aufbäumen des weißen Amerika“ die Rede.
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