Rassistische Polizeigewalt in den USA: Das ist der Moment

Der Tag, an dem George Floyd beerdigt wurde, könnte eine historische Wende markieren – trotz Donald Trump und trotz des systemischen Rassismus im Land.

Zwei Personen knien bei einer Beerdigung vor einem Bild.

Historischer Tag: Beerdigung des Polizeiopfers George Floyd in Houston am 9. Juni Foto: Callaghan O'Hare/reuters

Geschichte wird geschrieben, historische Momente passieren. Oft hat man eine Ahnung davon. Heute, am Tag der Beerdigung von George Floyd, kann man eine Ahnung davon haben, dass diese Tage in den USA eine historische Wende markieren können – könnten. Trotz Donald Trump im Weißen Haus, trotz systemischen, die Gesellschaft durchdringenden Rassismus, obwohl die Gründungssünde der USA, die Sklaverei, damit nicht und niemals ausgeglichen sein kann.

Der 28. August 1963 markierte eine historische Wende in den USA. 250.000 Menschen zogen für den Marsch auf Washington durch die Straßen, für faire Bezahlung und Jobs, für Freiheit, für den Traum, den Martin Luther King dann vor dem Lincoln Memorial in Washington, D.C., für alle stellvertretend formulierte: Es ist und muss eine Selbstverständlichkeit sein, dass alle Menschen gleich geschaffen sind. Im Original: „We hold these truths to be self-evident: that all men are created equal.“

Auch die 1964 folgenden Reformen der Johnson-Regierung waren nicht von heute auf morgen entstanden. Vorausgegangen waren die Kämpfe der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung für den Zugang zu öffentlichen „weißen“ Schulen. Legendär war die Weigerung von Rosa Parks am 1. Dezember 1955 in Montgomery im Bundesstaat Alabama, für einen „weißen“ Mann ihren Sitzplatz in einem Bus frei zu machen. Es war der Beginn der Bewegung der „Freedom Riders“, die quer durch den Süden der USA fuhren, Plätze einnahmen, die nur für „Weiße“ reserviert waren, in Bussen, an Theken, auf Toiletten.

Marsch auf Washington

Auch die Reformen von 1964 konnten nur kommen, weil die organisierte Bürgerrechtsbewegung durch die Wut und die Kämpfe auf den Straßen getragen wurde. Und weil zuvor unzählige „schwarze“ Menschen Opfer rassistischer Morde wurden. Am 15. September, knapp zwei Wochen vor dem Marsch auf Washington, starben vier Mädchen bei einem Bombenanschlag in Birmingham im rassistischen Südbundesstaat Alabama auf eine vorwiegend afroamerikanisch besuchte Baptistenkirche.

Seit Jahren wächst in den USA die Wut. Nach dem Mord an Michael Brown brannte Ferguson, nach dem Mord am 12-jährigen Tamir Rice in Cleveland war das Entsetzen im ganzen Land mit Händen greifbar. Es folgten Morde, an Eric Garner, an Bettie Jones, viele andere wurden Opfer rassistischer Polizeigewalt. BlackLivesMatter entstand und wuchs im ganzen Land zu einer kraftvollen, wütenden Bewegung. Einzelne Polizeiapparte legten Programme gegen den Rassismus in den eigenen Reihen auf. Es gibt Trainungsprogramme, Reformen und koordinierte Aktionen. Diese Maßnahmen zeigen auch Wirkung. Aber es sind noch viel zu wenige Polizeien und das alles reicht nicht. Es reicht nicht, das Morden zu stoppen.

Polizei zurückstutzen

Jetzt wird ernsthaft davon gesprochen, eine Polizei aufzulösen und neu zu strukturieren. Metropolen beschließen ein Zurückstutzen ihrer Polizeiapparate. Die Demokraten bringen mit dem „Justice in Policing Act of 2020“, „Gesetz für Gerechtigkeit in der Polizeiarbeit“, eine Gesetzesvorlage ein, die auf alle Polizeibehörden des Landes zielt. Die Polizeiführer müssten sich endlich nicht nur vor ihren Wähler.innen rechtfertigen, sondern vor dem Bundesgesetz. Die Demokraten haben nur in einem Haus des Kongresses eine Mehrheit, aber selbst die Republikaner sehen sich jetzt genötigt, ihrerseits einen Entwurf vorzulegen.

Rassismus muss strukturell bekämpft werden, in der gesamten Gesellschaft und nicht nur in den USA. Aber zuerst einmal muss das unbegreifbare Morden durch Polizisten, die in vielen Fällen unbestraft davonkommen, aufhören. Nur mit Polizeigesetzen und durch den Umbau der Polizeiapparate kann sich überhaupt etwas daran ändern. Darauf muss alle Kraft ausgerichtet sein. Damit kann Geschichte geschrieben werden. Das ist der Moment.

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taz-Chefredakteurin, Initiatorin der taz-Klima-Offensive und des taz Klimahubs. Ehemals US-Korrespondentin des Tagesspiegel in Washington.

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