Geplante Justizreform in Italien: Das Revanchefoul
Italiens rechte Regierung erklärt per Dekret 19 Staaten zu sicheren Herkunftsländern und schießt gegen die Justiz. Dahinter steckt ein langfristiger Plan.
I m Sport würde man das wohl als Revanchefoul bezeichnen. Kaum hatte ein Gericht am Freitag der italienischen Rechtsregierung auferlegt, die ersten zwölf ins neue Lager auf albanischem Boden geschafften Flüchtlinge zurück nach Italien zu bringen, da konterte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni am Montag mit einem Gesetzesdekret. Es soll mit der endgültigen Festlegung der „sicheren Herkunftsländer“ weitere Richtersprüche unmöglich machen, die wie jener am Freitag mit der fraglichen Sicherheit in Ländern wie Ägypten oder Bangladesch argumentieren.
Natürlich geht es der postfaschistischen Regierungschefin in erster Linie darum, ihre „albanische Lösung“ zu retten und eine peinliche Pleite, gar die Schließung der gerade erst errichteten Lager auf der anderen Seite der Adria zu vermeiden.
Doch zugleich zieht sie, zieht ihre Rechtskoalition in eine zweite, in eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit der Justiz. Schon seit Silvio Berlusconis Zeiten stört sich Italiens Rechte immer wieder an der Unabhängigkeit der dritten Gewalt, ruft sie immer wieder nach Reformen, die den Spielraum der Staatsanwaltschaften ebenso wie der Gerichte einschränken sollen.
Jetzt ist es wieder so weit. Rund um das gerade verabschiedete Dekret klangen die Töne aus der Rechtskoalition über Richter*innen, die angeblich ihre Befugnisse überschreiten, über die „politisierte“, „linke“, ja „kommunistische“ Justiz so schrill wie lange nicht mehr. Garniert wurden die Ausfälle mit dem Versprechen, nun erst recht und beschleunigt eine Justizreform im Parlament voranzutreiben. Deren Ziel ist es letztlich, die bisher völlig unabhängigen Staatsanwaltschaften der Exekutive unterzuordnen.
Dass der Konflikt der regierenden Rechten mit der Justiz jetzt auf dem Feld der Flüchtlingspolitik ausgetragen wird, kommt Meloni und ihren Alliierten durchaus zupass: Die von ihnen vorangetriebene Abschottungspolitik gegen Migrant*innen erfreut sich hoher Popularität – einer Popularität, die Meloni jetzt nutzen will, um sich die Justiz endlich gefügig zu machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Sensationsfund Säbelzahntiger-Baby
Tiefkühlkatze aufgetaut