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Fragestunde mit Wladimir PutinEin Krieg aus Langeweile?

Russlands Präsident zeigt sich selbstbewusst und hält an seiner Position zur Vernichtung der Ukraine fest. Nordkorea oder Verluste in Kursk bleiben unerwähnt.

Be­su­che­r*in­nen lauschen im Kulturzentrum von Donezk Russlands Präsidenten Wladimir Putin Foto: Alexander Ermochenko/reuters

Moskau taz | Nach etwa 40 Minuten seiner „Bilanz des Jahres“ sagt Wladimir Putin – fast schon gut gelaunt –, was er von der Ukraine hält. Es ist eine Mischung aus einer Pressekonferenz des russischen Präsidenten und dem Format „Direkter Draht“, bei dem ausgesuchte Russinnen und Russen den Kremlherrscher am Telefon, per Video oder mittels SMS um die Lösung ihrer Probleme bitten.

Eine alljährliche, bestens inszenierte Psychotherapiesitzung in einem hell ausgeleuchteten Moskauer Konferenzsaal. Der Präsident lehnt sich zurück, räuspert sich und schlägt ein „Experiment“ vor: Der Westen, so der russische Oberzyniker, solle doch einfach ein „Objekt mitten in Kyjiw“ aussuchen, dieses „mit allen ihm zur Verfügung stehenden Abwehrsystemen“ ausstatten, und „Russland haut mit dem,Oreschnik' drauf“, der Mittelstreckenrakete, die Moskau als „sehr neue Waffe“ verkauft. „Dann sehen wir ja, was passiert. Wir sind bereit.“

Die Ukraine als Schießübungsplatz Russlands also. Ein Land, das in Putins Augen nicht existiert, das weder einen legitimen Präsidenten habe noch weitere legitime Machtstrukturen außer dem ukrainischen Parlament. Verhandlungen könne er dort mit „jedem Beliebigen“ führen, sagt Putin, Wolodymyr Selenskyj aber dürfe – weil eben illegitim – keine Unterschrift unter irgendwelche Verträge setzen.

Gerade am Anfang des viereinhalbstündigen, quer durch Russland und auch in den besetzen Gebieten der Ukraine übertragenen Auftritts Putins, geht es immer wieder um die „militärische Spezialoperation“, wie der Krieg in der Ukraine in Russland immer noch genannt werden muss, abgekürzt als „SWO“.

Zehnmal weniger Geld

Es sind Fragen zu den Vergünstigungen für „SWO“-Teilnehmer, zur Rehabilitation der Soldaten, zum Gang der „Militär­operation“ überhaupt. Auch geht es um den Sold für die Soldaten in der Region Kursk, die – „oh, das war mir nicht bekannt“, sagt Putin – nicht als „SWO“-Teilnehmer gelten und dementsprechend zehnmal weniger Geld erhalten.

Sogar nach der Kompromissbereitschaft Russlands wird gefragt. „Natürlich“ sei Russland immer bereit zu verhandeln, „ohne Vorbedingungen“, bekräftigt Putin, um gleich darauf auf seine Rede vom Juni 2024 zu verweisen, in der er klare Vorbedingungen formuliert hatte: Die Nato solle sich aus Osteuropa zurückziehen, die USA nur unter Beschränkungen ihre Waffensysteme in Europa stationieren, für Sicherheitsgarantien in der Ukraine sorge derweil Russland selbst. Befolge Kyjiw diese Ausführungen – den faktischen Aufruf zur Kapitulation – verhandle Russland „immer gern“. Eine Bewegung Moskaus ist damit nicht in Sicht.

Bei unangenehmen Fragen weicht Putin aus. Syrien? „Eine russische Niederlage, sagt man uns. Dem ist nicht so. Wir haben dort alle Ziele erreicht“, meint er. Kursk? „Es gibt gar keinen Zweifel, wir werden alles befreien“, versucht er eine Anruferin, die aus ihrem Dorf in der Kursker Region flüchten musste, zu beruhigen.

Wir hätten all das früher beginnen sollen

Putin über den Ukrainekrieg

Nordkoreanische Soldaten oder die Höhe russischer Verlust in der Region kommen nicht zur Sprache. Stattdessen sagt Putin: „In Kursk haben wir einen ganzen Friedhof an zusammgengehämmerter Nato-Technik.“ Ohnehin spricht er lieber über neue Straßen, neue Krankenhäuser, neue Sporthallen in Russland – und auch in den besetzten Gebieten. „Es geht voran“, sagt er immer wieder. „Wir haben die Souveränität im Herzen, im Westen dagegen sind sie gottlos.“

Flapsiger Ton

Von Anfang an gibt sich Putin flapsig: „Bei uns ist es immer so: Wenn es ruhig ist, ist uns langweilig. Man will mehr Action. Wenn dann die Kugeln pfeifen, fürchten wir uns. Aber ich sage Ihnen: Russland macht Fortschritte.“ Ein Krieg aus Langeweile? „Ich habe Russland vor dem Abgrund gerettet“, sagt Putin selbstbewusst.

Kinder in Kindergärten, Ärz­t*in­nen in Kliniken, Zu­schaue­r*in­nen in Kulturzentren in den besetzen Gebieten sind da gezwungen, der Übertragung zu folgen. „Würden Sie Ihre Entscheidung ändern, könnten wir in den Februar 2022 zurückkehren?“, fragt eine russische Journalistin gegen Ende. Putin entgegnet gewohnt selbstsicher: „Wir hätten all das früher beginnen sollen und hätten uns besser auf die,Militäroperation' vorbereiten sollen.“

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