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Syrisch-russische BeziehungenRusslands Schmach in Syrien und das Trugbild seiner Macht

Der Fall des syrischen Diktators Baschar al-Assad ist auch eine Niederlage für Putin. An der Levante zeigen sich die Grenzen der Moskauer Illusionen.

Ende eines Diktators: Demonstrierende treten auf einen Teppich mit einem Abbild von Baschar al-Assad vor der syrischen Botschaft in Istanbul Foto: Kemal Aslan/afp

Moskau taz | In Russlands sozialen Medien wird fröhlich vor sich her gespottet: Ob denn irgendwo in Rostow ein Seniorenheim für Diktatoren entstehe, heißt es da. Rostow liegt an der Grenze zur Ukraine, dorthin hatte sich 2014 der gestürzte ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch geflüchtet. Moskau hatte ihm Asyl gewährt – wie es das nun auch dem gestürzten syrischen Diktator Baschar al-Assad und seiner Familie zukommen ließ, aus „humanitären ­Überlegungen“, wie es schlicht hieß. Es ist vor allem Russlands ressourcenfressendes Abenteuer seiner „Spezialoperation“ in der Ukraine, das Moskau nun auch seine Reputation als angeblich verlässlicher Partner im Nahen Osten kostet.

An welchem Ort sich Assad derzeit aufhält, ist unklar. Der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow verwies am Montag lediglich nur auf die Meldungen russischer Nachrichtenagenturen, wonach „eine Quelle im Kreml“ bereits am Sonntag meldete, Assad sei in Moskau. Peskow sagte ebenso, dass lediglich der Präsident ein solches Asyl gewähren könne.

Russlands Präsident Wladimir Putin ist auffallend still, die Pressearbeit für Assad hatte bereits am Sonntag das russische Außenministerium übernommen, als es seine Erklärung veröffentlichte, der syrische Präsident habe seinen Posten aufgegeben und Syrien verlassen, „mit der Anweisung, die Machtübergabe friedlich zu gestalten“.

Die noch vor wenigen Tagen als „Terroristen“ bezeichneten syrischen Aufständischen waren da schnell zur „Opposition“ geworden, mit der Moskau nun rede. An den Verhandlungen zur Aufgabe Assads habe sich Russland allerdings nicht beteiligt. Russlands Militärbasen seien zwar in höchster Alarmbereitschaft, eine ernste Gefahr aber bestehe für sie nicht, hieß es vom Außenministerium. Mittlerweile halten die Islamisten um Ahmed al-Scharaa alias Abu Muhammad al-Jolani, den Anführer der Rebellengruppe Hajat Tahrir asch-Scham (HTS), auch die Provinz Latakia, wo sich die beiden wichtigsten russischen Stützpunkte befinden.

Am Mittelmeer ist der einzige Marinestützpunkt Russlands

In Tartus am Mittelmeer ist der einzige Marinestützpunkt Russlands außerhalb der ehemaligen Sowjetunion. Vom Luftwaffenstützpunkt Hmeimim fliegt Russland seine Einsätze nach Libyen, in den Sudan und in die Zentralafrikanische Republik. Er ist längst zum Transitzentrum für seine Afrika-Operationen geworden. Deshalb reagiert Russland relativ schmallippig, es will sich mit den neuen Machthabern, wer immer das in Syrien sein wird, nicht verscherzen und so seine Militärbasen zu halten versuchen.

Für Moskau ist der Fall Assads eine Niederlage, vor allem, weil sich darin die Grenzen seiner Interventionspolitik im Ausland zeigen. Russland hat nicht genügend Streitkräfte, Ressourcen und Einfluss für wirksame militärische Einsätze. Es kann lediglich agieren, solange andere – mächtigere Akteure – es lassen. In Syrien ging es Putin stets um weltpolitische Ambitio­nen.

Investition in ein morsches System

Der Kreml hatte viel Geld in den Wüstenkrieg gepumpt, um Assad zu halten, hatte damit letztlich in ein morsches und ineffektives System investiert, um am Ende zwischen zwei Stühlen zu sitzen: Kämpfen konnte es nicht mehr, weil die Ressourcen in der Ukraine gebraucht werden, gehen aber konnte es auch nicht, weil es keine Exit-Strategie für Syrien hatte. Seit 2022, als Russland die Ukraine überfiel, zeigt sich noch offensichtlicher, dass Moskau auf der Weltbühne wunderbar mit der Illusion von Macht und militärischen Fähigkeiten auftrumpfen kann. Doch glaubt es oft zu sehr an den eigenen Bluff.

In Syrien sammelte Russland Kampferfahrung für die Ukrai­ne, dort nämlich wuschen die gescheiterten russischen Chargen oft ihr Versagen während der „Spezialoperation“ frei. In Syrien hatte Russland im großen Stil auch den Einsatz seiner Wagner-Truppe getestet, die später in die Ukraine verlagert wurde und nach dem gescheiterten Prigoschin-Aufstand vom Sommer 2023 zerschlagen wurde. Die Überreste davon agieren nun in Afrika; Syrien blieb eine vergessene Front. Die russische Schlappe zeigt sich hier gleich mehrfach: außenpolitisch, aber auch darin, dass die „Stabilität“ autoritärer Regime ein Trugbild ist.

Den Imageverlust Russlands redet die propagandagetränkte russische Öffentlichkeit klein. Die Nachrichtensendung des russischen Staatssenders „Perwyj Kanal“ meldet den Fall Assads als vorletzte Meldung und verweist vor allem auf „Chaos und Gewalt“, die sich derzeit in Syrien abspielten. Auf die Rolle Russlands im Nahen Osten, außer, dass es Assad Asyl gewähre, geht der Nachrichtenbeitrag mit keinem Wort ein.

Russlands Oberpropagandist Dmitri Kisseljow bezeichnete in seinen „Nachrichten der Woche“ den Fall Assads als „Rätsel“. Syrien sei für Russland zwar nicht gleichgültig, die Ukraine aber umso wichtiger nun. Manche russische Ex­per­t*in­nen rechnen damit, dass Russlands Schmach in Syrien nun erst recht zu keinen Kompromissen Russlands in der Ukraine führe.

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16 Kommentare

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  • Und obwohl alle russischen Pläne in Syrien geplatzt sind und die Stützpunkte in Hmeimim und Tartus wohl geräumt werden müssen, wirft Russland in Syrien nicht mit Atombomben herum. Soviel zur nuklearen Eskalation.

  • Russland möchte den Hafen Lattakia weiter nutzen. Die Chancen stehen sogar gut. Besser wäre es natürlich, wenn die Besatzungsmächte (Türkei, Iran, Russland, Israel, USA) sich aus syrischem Gebiet zurückziehen würden. Die Chancen stehen hier jedoch schlecht.

  • Die neue syrische Regierung sollte von Russland Milliarden an Reparationen fordern. Noch wichtiger wäre es, Russland zu einem öffentlichen Schuldbekenntnis zu bringen. Das ist zwar kaum aussichtsreich, aber in der russischen Kultur ist kaum etwas demütigender. So etwas würde dem Ansehen Putins und seiner Bande irreparablen Schaden in Russland zufügen.

  • Danke für diese Informationen.



    Ich teile die Ansicht, dass Russland hier einen Imageschaden erlitten hat.



    Das Geschäftsmodell russische Soldaten, als Garant zum Machterhalt, hat einen Knacks.



    Ebenfalls glaube ich, dass Putin nun noch erfolgreicher in der Ukraine sein will.



    Trump meinte ja schon jovial, " jetzt sei es auch an der Zeit, diesen Krieg zu beenden".



    DER lebt wohl auch nur in seiner Blase.



    Hier eine " militärische Schwäche" Russlands herauszulesen ist jedoch abwegig.



    Klar, dass Putins Fokus dem Ukrainekrieg gilt.



    Hier macht er Fortschritte. Pistorius sagte kürzlich, Russland produziere jährlich 1000 bis 1500 Panzer pro Jahr, soviel hätten die vier größten europäischen Länder noch nicht einmal im Bestand.



    Es wäre folglich ein Fehler, Putin zu unterschätzen.



    Das wurde im Ukrainekrieg bereits zu Beginn gemacht, als eine angeblich schlecht organisierte und schlecht ausgerüstete Truppe verlacht wurde. Die Realität ist nun ein Land in Kriegswirtschaft, das auf dem Feld täglich Erfolge erzielt. Der russische waffentechnolgische Fortschritt wurde jüngst getestet, wir träumen hingegen weiter von einem Abwehrschirm, der in weite Ferne gerückt ist, seitdem Israel Krieg führt.

  • >Niederlage für Putin<

    Wer weiß. Wenn mein türkischer Kollege recht hat, ist das vor allem ein Sieg für Erdogan. Man stelle sich vor, die Türkei würde Schutzmacht für Syrien. Direkte Nachbarschaft zu Israel. Nato-Mitglied. Assad war schwach und von Putin abhängig. Erdogan tickt da ganz anders.

    Die Absprachen zwischen Erdogan, Putin und den Ayatollahs kennt niemand.

  • Man müsste da wirklich eine genauere Kosten-Nutzen-Rechnung machen und dabei auch Gewinn- und Verlustmöglichkeiten mit einbeziehen, auch wenn diese nicht eingetreten sind. Wenn man nur das Geschehene mit einbezieht, erhält man nicht das ganze Bild.



    Vielleicht wäre es bei anderem Handeln Russlands im Endeffekt viel teurer geworden, weil der Westen sich viel früher und mit weniger Verlusten in Nahost durchgesetzt hätte und dementsprechend in der Ukraine eine stärkere Position gehabt hätte.

  • Also die Schmach von Russland in Syrien ist wohl deutlich geringer als die Schmach der NATO in Afghanistan. denn das Engagement Russlands in Syrien war deutlich geringer als das der NATO in Afghanistan und während die syrischen Islamisten von der Türkei massiv aufgebaut und unterstützt wurden, hatten die Taliban und die Warlords keinen großen Staat hinter sich, als sie den Westen kurzerhand überrumpelten.

    In beiden Fällen jedoch hing die Präsenz vor Ort von den Fähigkeiten des lokalen Militärs viel mehr ab, als von den Fähigkeiten der unterstützenden Großmächten. Von daher war es in erster Linie ein Versagen der eingesetzten afghanischen Regierung damals und ein Versagen von Assad diesmal. Dass Assad es nicht geschafft hat, die Situation trotz der massiven Unterstützung zu stabilisieren und seine Armee beim ersten Anzeichen von Widerstand einfach zerfällt, dafür können die Russen nichts.



    Aus meiner Sicht ist es gut, dass bei dem Coup wenig Blut geflossen ist. Ich hoffe nun das Beste für die syrische Bevölkerung, befürchte aber schlimmes.

  • Es bleibt die Erkenntnis von Barack Obama, der Russland als Kolonialmacht bezeichnete.

    Vielleicht ist das Beispiel Syrien auch ein Anlass für die Kriegsangstschürer einige Gänge runterzuschalten, anstatt permanent davor zu warnen, das Russland Ende des Jahrzehnts militärisch soweit sei einen Nato Partner anzugreifen.

    Denn wie seit über zwei Jahren zu beobachten ist, sind die Russen schon in der Ukraine überfordert und wären wohl schon weit abgeschlagen, wenn der Westen nicht so zögerlich reagiert hätte.

    • @Sam Spade:

      Ich bin kein Fachmensch diesbezüglich - aber könnte es sein, dass jetzt in Syrien russische Militärressourcen zum Schaden der Ukraine frei werden?

    • @Sam Spade:

      Das Problem ist nur dass a) der Aggressor sich dessen Unterlegenheit auch bewusst sein muss und b) die militärische Stärke der auf dem Papier Überlegenen auch "auf die Straße gebracht" werden muss.



      Letztlich ist Krieg nicht nur Material und Geld, sondern auch Wille bzw. Motivation - der Politik und natürlich der Soldaten.

      Historisches Beispiel: Nazi-Deutschland war 1939 nur die drittstärkste Militärmacht Europas hinter Frankreich und der UdSSR. Das hat Hitler aber nicht interessiert.



      Aus einer Mischung aus politischem Fanatismus, enormer militärischer Risiko- und Opferbereitschaft, viel Glück und jeder Menge Unvermögen (politisch und militärisch) der Gegner, ist es der Wehrmacht gelungen, ein auf dem Papier überlegenes Frankreich zu überrumpeln.

      Die Ukraine ist übrigens militärisch deutlich stärker als Deutschland. "Wir" hätten spätestens nach drei Tagen kapituliert.

    • @Sam Spade:

      war es nicht eine Lokalmacht

      • @nutzer:

        Ja kleiner Fauxpas. Regionlmacht hätte es heißen müssen.

        • @Sam Spade:

          Als Kolonialmacht versuchen die sich ja auch schon seit Katharina der Großen, die Länder am Südrand wissen ein Lied davon zu singen. Ob jetzt mit rotem Stern oder zaristrischem Gepränge.



          Man sollte jetzt sehen, dass die Flottenstützpunkte und Luftwaffenbasen in Syrien verschwinden.

        • @Sam Spade:

          Als Kolonialmacht versuchen die sich ja auch schon seit Katharina der Großen, die Länder am Südrand wissen ein Lied davon zu singen. Ob jetzt mit rotem Stern oder zaristrischem Gepränge.



          Man sollte jetzt sehen, dass die Flottenstützpunkte und Luftwaffenbasen in Syrien verschwinden.

      • @nutzer:

        Obama sprach ziemlich genau vor 10 Jahren von einer "regional power", pikanterweise mit der Ergänzung, dass Russland eine Schwäche bzgl Ukraine zeige. Nicht die einzige der grotesken Fehlbewertungen des Friedensnobelpreisträgers:



        www.theguardian.co...r-ukraine-weakness



        Der Rückzug Rußlands sind zumindest kurzfristig keine good news für die Ukraine.

      • @nutzer:

        Wenn Russland wegen Syrien nur eine Lokalmacht ist, wie bezeichnen wir dann die USA seit Afghanistan?