Flugzeug oder Regierungs-Dienstwagen: Was frisst mehr Sprit?
Friedrich Merz behauptet, mit seinem Flugzeug weniger Sprit zu verbrauchen als jeder Dienstwagen eines Bundesministers. Der Hersteller sagt anderes.
Behauptung: „Ich verbrauche mit diesem kleinen Flugzeug weniger Sprit als jeder Dienstwagen eines Mitglieds der Bundesregierung“, sagte Merz im ZDF-Sommerinterview, das am Sonntag ausgestrahlt wurde.
Bewertung: So absolut formuliert ist das falsch.
Fakten: Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) schreibt dazu in Richtung Merz via Twitter: „Mein Dienstwagen ist ein E-Auto & verbraucht deshalb direkt gar keinen Sprit. Mein Fahrrad auch nicht.“ Wer hat nun Recht?
Merz-Pressesprecher Armin Peter gibt an, die zweimotorige Diamond DA62 seines Chefs verbrauche 44 Liter Diesel in der Stunde, wenn die Maschine mit 165 Knoten (rund 306 Stundenkilometer) unterwegs sei. Der österreichische Hersteller Diamond Aircraft gibt den Verbrauch bei einer bestimmten Geschwindigkeit in ähnlicher Höhe an. Das heißt: Bei einer Reisegeschwindigkeit von 165 Knoten verbraucht das Flugzeug 14,4 Liter Sprit auf 100 Kilometer. Sollte Merz schneller unterwegs gewesen sein, wäre der Verbrauch nochmals höher.
Im Fuhrpark der Mitglieder der Bundesregierung ist der Benzinverbrauch unterschiedlich, aber nur in sicherheitsrelevanten Ausnahmefällen höher als beim Merz-Flieger. Einer Aufstellung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) vom Mai 2022 zufolge ist genauso wie Özdemir auch Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) mit einem reinen E-Auto unterwegs – also ohne Benzinverbrauch.
Weil die Hybrid-Fahrzeuge der Kabinettsmitglieder Svenja Schulze und Hubertus Heil (beide SPD), Lisa Paus (Grüne), Bettina Stark-Watzinger, Volker Wissing und Marco Buschmann (alle drei FDP) teils mit Strom fahren können, verbrauchen sie nach DUH-Angaben im Schnitt zwischen 1,7 und 2,7 Liter Sprit auf 100 Kilometer. Der Benzin-BMW von Bauministerin Klara Geywitz (SPD) schluckt demnach 9,8 Liter – also alle weniger als der Merz-Flieger.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und einige Minister fahren aus Sicherheitsgründen schwere, gepanzerte Wagen aus dem Fuhrpark des Bundeskriminalamtes. Der mehr als vier Tonnen schwere Kanzler-Mercedes S680 Guard verbraucht zum Beispiel auf 100 Kilometer nach Medienberichten rund 18 bis 20 Liter.
Merz darf kostenlos Bahn fahren
Vom Flugplatz Schönhagen südlich von Berlin, von dem Merz Radardaten zufolge am 8. Juli Richtung Sylt startete, liegt die Insel 440 Kilometer Luftlinie entfernt. Bei durchschnittlich 14,4 Litern auf 100 Kilometer wäre das ein Verbrauch von rund 63 Litern. Bei der Autostrecke von etwa mehr als 550 Kilometern zwischen den beiden Orten und einem Verbrauch von 9,8 Litern (Geywitz) auf 100 Kilometer wären es nur knapp 54 Liter. Nimmt man die berichteten 18 bis 20 Liter auf 100 Kilometer von Scholz' gepanzertem Wagen, wären es auf der Strecke wohl um die 100 Liter.
Als Bundestagsabgeordneter darf Merz, der sich selbst einmal „zu der gehobenen Mittelschicht“ zählte, kostenfrei Bahn fahren. Damit hätte er keinen Liter Sprit verbraucht – aber auch deutlich länger nach Sylt gebraucht. Am 11. Juli flog die Diamond DA62, die neu rund eine Million Euro kostet, dann von der Nordsee-Insel zum Flugplatz Arnsberg Menden im Merz-Wahlkreis Hochsauerland.
Ein Beitrag von Sebastian Fischer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Innereuropäische Datenverbindung
Sabotageverdacht bei Kabelbruch in der Ostsee
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom