Facebook und Instagram in Europa: Keine Rücksicht auf Big Tech
Vorläufig bleiben Facebook und Instagram den Nutzer:innen in der EU erhalten. Fraglich nur, wie lange noch – und zu welchem Preis.
W as für ein Versprechen! Der Tech-Konzern Meta erwägt, sich mit seinen Plattformen Facebook und Instagram aus der EU zurückzuziehen, wenn es keine Datenschutzregeln gibt, die dem Unternehmen genehm sind. So las sich eine Passage im aktuellen Jahresbericht an die US-Börsenaufsicht. Das wäre ein echter Fortschritt im Vergleich zum Status quo: nämlich einfach tun und lassen, wie es beliebt, einigermaßen unbeeindruckt von der geltenden Rechtslage.
Eine Geschäftspolitik, die Meta natürlich weder erfunden noch exklusiv hat, sondern mit einigen internationalen Konzernen teilt, nicht nur solchen aus der IT-Branche. Aber: Was klingt wie eine interessante Chance für die europäische Start-up- und Debattenkultur, sei keine Drohung, sondern, so Meta, nur die übliche Offenlegung von Risiken gegenüber Investoren.
Ein Risiko, das nicht ganz neu ist, schließlich läuft der Konflikt zwischen der EU und den USA um die Frage von Überwachung und was mit den Daten von Nutzer:innen aus der EU passiert, die bei Unternehmen in den USA landen, schon eine Weile. Doch die 450 Millionen EU-Bürger:innen waren als Markt dann wohl doch zu interessant für einen Rückzug.
Interessant ist die Risikoerwähnung dennoch, denn sie wirft eine Frage auf: Könnte die EU, die gerade dabei ist, die Regeln für Plattformen neu zu schreiben, das skizzierte „Risiko“ nicht ernst nehmen? Dann schlösse sich die Frage an: Warum Rücksicht nehmen auf die zahlreichen Lobbyist:innen von Big Tech, die versuchen, geplante Regulierungen aufzuweichen, abzumildern oder gleich ganz wegzudiskutieren?
Dabei kann die EU ein klares Signal senden: Entweder, liebe Konzerne, ihr haltet euch an die Regeln zum Schutz von Privatsphäre und gesellschaftlichem Diskurs oder, wisst ihr, es war nett mit euch. Es gibt nämlich auch Ansätze, Plattformen zu entwickeln, die etwas gesellschaftsverträglicher sind. Eigentlich eine Win-win-Situation für Regulierer:innen.
Klar: Die Branche hätte Grund, leicht nostalgisch in die Vergangenheit zu schauen. In der kein Ende der Niedrigzinsphase in Sicht war und die Leute in (Tech-)Aktien investierten, als wären sie übermorgen ausverkauft. In der in den USA das Wort Zerschlagung noch böse und nach Kommunismus klang und nicht nach etwas, das in Klagen von US-Regierung und Bundesstaaten gegen Facebook und Google aufgeworfen wird.
In der sich der Präsident des Bundeskartellamtes noch nicht öffentlich dafür aussprach, dass bei einem Kartellverfahren doch eigentlich das Unternehmen, das kaufen will, beweisen sollte, dass die Übernahme nicht dem Markt schadet. „Amerikaner, werdet neidisch“, schrieb das Online-Magazin Mashable als Reaktion auf die Passage in Metas Jahresbericht. Die Lage war schon schlechter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“