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FFF-Sprecherin über die Bundestagswahl„Eltern wählen für ihre Kinder“

Beim globalen Klimastreik will „Fridays for Future“ am Freitag auch im Norden streiken. Ältere Wäh­le­r*in­nen seien nun in der Pflicht.

Spricht für die Hamburger „Fridays for Future“-Gruppe: Inga Mülheims Foto: Florian Ziemen
André Zuschlag
Interview von André Zuschlag

taz: Frau Mülheims, ein großer Teil der Wahlberechtigten hat bereits schriftlich gewählt – wen wollen Sie mit dem Klimastreik am Freitag noch erreichen?

Inga Mülheims: Das haben wir uns auch gedacht. Aber beim Klimastreik am Freitag geht es nicht nur darum, Wäh­le­r*in­nen von der Dringlichkeit des Klimaschutzes zu überzeugen. Es geht auch darum, Druck auf die künftige Bundesregierung aufzubauen. Das ist kein Nischen- oder Feelgood-Thema. Der große Teil der Gesellschaft will Klimaschutz, die zukünftige Regierung muss dem nachkommen und endlich auf ihre vielen Worte auch Taten folgen lassen. Je mehr Menschen das am Freitag deutlich machen, desto größer ist der Druck für eine künftige Regierung nach der Wahl.

Eine Umfrage ergab kürzlich: Je älter die Menschen sind, desto weniger richten sie ihr Wahlverhalten am Klimaschutz aus. Was lässt sich aus diesem ernüchternden Ergebnis ableiten?

Wir versuchen natürlich, die Älteren ins Boot zu holen. Aber dieses Umfrageergebnis ist sehr schade. Bei der Bundestagswahl sind rund 70 Prozent der Wahlberechtigten über 40 Jahre alt. Das heißt: Da entscheiden die Älteren über die Zukunft der Jüngeren. Was dabei noch hinzukommt: Wir sind überwiegend Schü­le­r*in­nen und viele von uns dürfen nicht wählen. Wir sagen den Älteren: Dieses Jahr haften Eltern nicht nur für ihre Kinder, sondern sie wählen auch für sie. Genauso wie die Großeltern. Und sie wählen auch für diejenigen, die keinen deutschen Pass haben und deshalb nicht wählen dürfen. Das alles zeigt, wie ungerecht dieses System ist. Aber es ist nun mal so, dass die nächste Regierung über unsere Zukunft entscheidet.

Hat der Klimaschutz einen angemessen großen Raum im Wahlkampf bekommen?

Ich würde sagen: Nein. Durch Fridays for Future und viele andere Organisationen hatten die Parteien das Thema zwar auf dem Schirm – es kam ja in den vergangenen Wochen immer wieder zur Sprache, aber die Klimakrise wurde nicht als das anerkannt, was es ist: die größte Herausforderung unserer Zeit. Stattdessen wurde nur im Klein-Klein über einzelne Maßnahmen gesprochen – selten mit der Erkenntnis, dass wir über die Klima­krise nicht verhandeln können. Wir haben im Wahlkampf eine massive Diskursverschiebung erlebt, was das Klima angeht. Die Frage, wie viel Klimaschutz uns kosten würde, wurde breit diskutiert. Die Frage, wie die Klimakrise meine Generation später einschränken wird, blieb weitgehend ungeachtet. Das ist eine der Ungerechtigkeiten, gegen die wir jetzt kämpfen müssen.

Im Interview: Inga Mülheims

22, ist Sprecherin der Hamburger „Fridays for Future“-Gruppe. Sie studiert Kultur- und Erziehungswissenschaften an der Uni Hamburg.

Die Grünen sagen das schon seit Ewigkeiten.

Auch die Grünen haben keinen ausreichenden Plan vorgelegt, wie Deutschland dazu beitragen kann, die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten. Sie haben vielleicht den richtigen Ansatz, aber er geht nicht so weit, wie es aus wissenschaftlicher Sicht nötig wäre.

Welche Wahlempfehlung sprechen Sie aus?

Wir machen keinen Wahlaufruf für eine Partei, auch nicht für die Grünen. Fridays for Future ist überparteilich. Das, wofür wir kämpfen, ist die 1,5-Grad-Grenze. Und die ist kein politisches Ziel, sondern eine existenzielle naturwissenschaftliche Grenze.

Im Wahlprogramm der Linken finden sich viele Fridays-Forderungen.

Natürlich gibt es zwischen unseren Forderungen und den Programmen der Linken oder auch der Grünen einige Überschneidungen. Aber noch mal: Deren Forderungen sind nicht ausreichend. Keine Partei konnte bisher einen ausreichenden Plan vorlegen, wie sie die 1,5-Grad-Grenze einhalten will.

Warum rufen Sie dann trotzdem für das Klima zum Wählen auf?

Das hört sich wie ein Widerspruch an und ist für uns auch schwierig. Man kann sich bei dieser Wahl leider nicht für ausreichenden Schutz aussprechen. Aber wir finden: Man kann sich immerhin gegen die Zerstörung entscheiden. Die Klima­krise ist nicht Aufgabe einzelner Parteien, sondern es wird die Aufgabe der nächsten Regierung sein, durch richtige Maßnahmen die Krise abzuwenden. Wir wollen eine Regierung, die den wissenschaftlichen Forderungen folgt. Und wir wollen nicht nur kleine Maßnahmen, sondern echte Klimagerechtigkeit. Schon jetzt bekommen besonders jene die Klimakrise zu spüren, die nicht reich sind. Dagegen hat die letzte Bundesregierung nicht viel getan. Wir müssen durch die Bundestagswahl eine fortlaufende Klimaschädlichkeit, wie wir sie bisher kennen, verhindern.

Wenn Sie bei allen Parteien kritisieren, dass deren vorgeschlagene Maßnahmen nicht ausreichend sind: Hat der Klimaprotest dann bislang versagt?

Nein. Fridays for Future und die vielen anderen Organisation haben Unglaubliches erreicht. Sie haben Klimaschutz überhaupt erst zum gesamtgesellschaftlichen Thema gemacht. Dabei hätte der Klimaschutz schon seit mehr als 30 Jahren Aufgabe der Regierung sein müssen – seit mehr als 50 Jahren wissen wir doch schon vom Problem. Daher ist es eigentlich absurd, dass wir seit drei Jahren mit Aktionen darauf aufmerksam machen müssen. Und das ist für uns auch frustrierend, aber es ist nicht unser Versagen, sondern das der Politik.

Andererseits ist es doch so: Seit es Fridays for Future gibt, wurden so viele Klimamaßnahmen beschlossen wie in den Jahrzehnten zuvor nicht. Sind Sie zu ungeduldig?

Nicht wir, sondern die Klima­krise ist ungeduldig. Es ist ein Wettrennen gegen die Zeit, um die Kipppunkte zu verhindern. Uns wird oft gesagt: Das Tempo der Politik beim Klimaschutz ist vielleicht etwas zu langsam, aber so sind nun mal die Strukturen. Da sagen wir: Dem Klima sind die Strukturen ziemlich egal.

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20 Kommentare

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  • Die Älteren entscheiden schon immer über die Zukunft der Jüngeren.

    Und einige Ältere entscheiden das sehr radikal - wie man an der Geburtenkurve sehr eindrucksvoll sehen kann ...

  • @ŠARRU-KĪNU:

    Ich nehme Ihr Angebot, die Diskussion zu beenden sehr gerne an :^)

  • @ŠARRU-KĪNU: Besser ein Parlament mit lauter Nüßleins und Löbels?

    Bürgerräte werden in DE und Frankreich getestet. Die sind so schlecht nicht.

    Die Demokratie braucht eine Verankerung in der Gesellschaft, und die verliert sie gerade.

    Sicher nicht zuletzt deshalb, weil die Leute, die am Ende des Monats ihre restlichen Kröten zusammenzählen müssen sehen, wie ein Parlamentarier bei seiner üppigen Diät den Kanal immer noch nicht voll hat und mit Maskendeals (zum Zeitpunkt, an dem sie knapp sind) nebenher noch 600K Euro machen muss.

    • @tomás zerolo:

      Jedes demokratisch legitimierte Parlament ist besser als jede wie auch immer geartete nicht-demokratisch legitimierte Alternative. Wemm Sie das anders sehen endet die Diskussion von meiner Seite. Ich habe genug Jahre meines Lebens im Totalitarismus verbracht. Kein noch so gut gemeintes Anliegen darf die Grundsätze unser Demokratie aushebeln. Ich war mein halbes Leben lang für Umwelt und Tierschutz engagiert, heutzutage allerdings nur noch als Spender. Besorgen wir uns Mehrheiten mit guten Argumenten. Es wird Kompromisse geben müssen. Das liegt im Wesen der Demokratie. Wer das Mist findet und sagt jetzt muss totalitär reagiert werden ist Teil des Problems. Dagegen ist so einfach zu polemisieren.

      • @Šarru-kīnu:

        Ich halte Demarchie für eine nicht demokratische Alternative die man wirklich mal ausprobieren sollte.

  • Das Ziel ist bestimmt sehr vielen klar, die sich um die Zukunft ihrer Kinder sorgen.



    Aber die Frage nach dem richtigen Weg ist, wie bei anderen politischen ZukunftsFragen auch, eben alles andere als eindeutig.



    Es gibt Stimmen die sagen nur radikaler KonsumVerzicht könnte helfen.



    Es gibt andere Stimmen die sagen nur wenn unsere Industrie stark bleibt und innovativ, hat sie die Möglichkeit Technologien zu entwickeln welche in Zukunft den Klimawandel aufhalten können

  • Ich habe meiner Tochter genau aus diesem Grund versprochen, dass wenn ich mal 70 bin, sie mir sagen darf, was ich am Wahlsonntag wählen soll.



    Die Borniertheit vieler Älterer gegenüber den berechtigten Ängsten der Jungen ist schon schlimm. Es liegt aber auch an den Jungen, im Verwandtschaftskreis genau das auch zu vermitteln und das Wahlverhalten ggf. zu beeinflussen. Eine einzelne FFF Offizielle stößt da eher auf Widerstand wenn das so verallgemeinert wird, gleichwohl inhaltlich gerechtfertigt.

    • @Tom Farmer:

      wenn das mal nicht leichtsinnig versprochen war.

      Warum ab 70?



      Warum nur für die Tochter?

      Bis 69 ist noch ok? Die meisten Leute sind durchaus auch über 70 Jahre noch in der Lage klar zu denken und alle Aspekte, inkl. die der jüngeren mit einzubeziehen. Was ist wenn die Tochter in eine Querdenkerszene oder ähnliches abdriftet? Soll es auch in jüngeren Jahren geben.

    • @Tom Farmer:

      Ihre Tochter hat natürlich Recht und wählt "richtig", weil sie jünger ist? Absurd.

      • @resto:

        Leider ist ihr Argument absurd.



        Es geht doch nicht um richtig und falsch, sondern um das, was die Tochter denkt was für ihre Zukuft am besten ist.



        Ihre Antwort zeigt, dass Sie sich nicht verstanden haben, dass ein 70 oder 80 Jähriger die Ergebisse und Konsequenzen seiner Wahl gar nicht mehr erlebt. Die Tochter aber viel eher, insbesondere bei langsamen Przessen wie Klimafolgen, die erst über Jahrzehnte wirken.

  • Dieser letzte Satz der die Geringschätzung gegenüber demokratischen Strukturen zum Ausdruck bringt ist eines meiner persönlichen Kernprobleme mit FFF und allen AktivistInnen in dem Bereich. Deshalb auch immer das Gerede über Kliamräte usw. um die demokratischen Entscheidungsprozess zu umgehen. Da klingeln bei mir sofort alle Alarmglocken.

    • @Šarru-kīnu:

      "Geringschätzung gegenüber demokratischen Strukturen"

      Hab ich auch, wenn mensch daraus "Geringschätzung gegenüber DEN demokratischen Strukturen, wie sie sich erzeit ausprägen macht.



      Und imho bläst die werte Aktivisten genau dieses Horn.

      Warum immer gleich die "Antidemokratiekeule"?



      Ein selbstgefällig erstarrter, lobbyverseuchter Parlamentarismus ist doch alles andere als im ideellen Sinne demokratisch. Stichwort "Bildungschichtvertretungsmißverhältnis" z.B.

      Ich persönlich finde Anarchismen attraktiver und menschengemäßer, bin ich deswegen Demokratiefeind und gefährlich *schuhuhuh*?

      Da schwingt wieder so ein Dogma, "so wie es ist ist es alternativlos," das mag ich nicht.

    • @Šarru-kīnu:

      Dieser letzte Satz, der Ihnen offenbar so aufstößt, stößt bei mir auf vorbehaltlose Zustimmung und, was Ihre Meinung betrifft, auf größte Verwunderung. Seit wann glauben Sie, dass sich die Natur und ihre Gesetze nach Ihren Wünschen zu richten haben? Das sind doch Selbstverständlichkeiten, die wir derzeit ziemlich drastisch zu spüren und zu respektieren bekommen.

      Die Natur ist nicht demokratisch. Sie ist nur logisch. Ein Dominostein stößtgegen den nächsten. Ist es nicht logisch, daß er auch kippt usw usf. Wie wollen Sie das demokratisch ausser Kraft setzen, nur weil es Ihnen nicht passt?

      Im Übrigen gehöre ich zu den Großeltern, die die Zukunft ihrer Kinder und Enkel mit größter Sorge im Blick haben und deshalb die Grünen wählen werden in der Hoffnung, viele Gleichdenkende zu haben, die dieselbe Sorge umtreibt.

      Wir haben den Planeten (vielleicht ja unwissend) egoistisch geplündert und schämen uns nicht, diesen Raubbau auf Kosten unserer Nachkommen ungeniert fortzusetzen? Nur weil wir zu ängstlich und zu faul sind, unseren Sünden ins Auge zu sehen und beschämt zuzusehen, gemeinsam mit den Jungen soviel wie möglich zu retten was noch zu retten ist?

      Nicht mit mir, denn ich liebe meine Kinder und Enkel und diese mutige Und gut informierte Jugend und hoffe auf sehr viele Gleichgesinnte, die ihre Lebenserfahrung nutzen, um das Wesentliche zu erkennen und entsprechend zu wählen.

    • @Šarru-kīnu:

      Wenn man sich mal ein paar realistische Zukunftsszenarien vorstellt, können Sie Ihre demokratischen strukturellen Alarmglocken ja mal ganz gut umwidmen bzw. ganz einpacken.

      • @Tom Farmer:

        Was schlagen Sie anstelle von Demokratie vor ?

        • @Paul Rabe:

          Eine proaktive wehrhafte Demokratie, die sich nicht abschaffen lässt. Und wenn wir nicht proaktiv Probleme lösen geht zu viel schief. Und wenn zu viel schief geht dann kommen die falschen antidemokratische Gedanken hoch. Das Damokleschwert welches ich hängen sehe lautet: Was, wenn über 50 % der Wähler die Demoratie so nicht mehr haben wollen?

        • @Paul Rabe:

          Leute können sich immer alles nicht vorstellen, bis es eben passiert.



          Ich kann mir sehr wohl vorstellen, dass es ggf. Kriege um Wasser oder lebenswerte PLätze geben kann und vollkommen unregelbare Flüchtlingsströme. Etwas abgespeckter auch Dinge wie (demokratisch beschlossene) Verbote die Energiesparen verpflichtend machen.



          Ich kann mir aber auch weiterhin vorstellen, dass trotz Demokratie dann bestimmte politische Strömungen entstehen, die unsere demokratische Gesellschaft bedrohen. Darauf sind wir nicht vorbereitet. Davor habe ich Angst. Das habe ich zum Ausfdruck gebracht.



          Wenn "KLeinigeiten" wir 3 Mio Geflüchtete eine AfD auf 11 % bringen, Corona - Epidemie eine Querdenkerbewegungen befördert... was wäre wohl möglich bei "echten" Klimakatastrophen und ggf. daraus resultierenden Kriegen?

      • @Tom Farmer:

        Mit diesem Hinweis kann man auch eine Diktatur rechtfertigen.

    • @Šarru-kīnu:

      Das kann man so oder so sehen: "Dem Klima sind die Strukturen ziemlich egal." ist inhaltlich erstmal unverrückbar korrekt. Nun können Sie Frau Mülheims natürlich unterstellen, sie würde damit eine kommunistische Ökodiktatur fordern, was verständlicherweise bei all jenen die Alarmglocken schrillen lässt, die von den Alt-Herren-Parteien in letzter Zeit entsprechend indoktriniert wurden. Oder Sie können sich überlegen, welche Verbesserungen der demokratischen Strukturen es erlauben würden, auch mittel- bis langfristig den globalen Wohlstand zu sichern und auszubauen. Ich hätte da mal einen Vorschlag: Eine unabhängige, rational agierende Demokratie, die bestrebt ist, unabhängig von Lobbyinteressen externe Kosten korrekt in den Markt zu integrieren und Anreize für gesamtgesellschaftlich sinnvolle Strukturänderungen und Innovationen zu schaffen, statt über die Stöckchen der (Automobil-)Industrie zu springen.

      • @Datenschutzerklärung gelesen:

        Benötigt ein "rational agierende Demokratie" nicht zu allererst "rational agierende" Wähler ?



        Was aber wenn Wähler gar nicht "rational" sind ? Schaffen sie dann die Demokratie ab oder akzeptieren sie diese, ziemlich menschliche, Eigenheit ?