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FDP-Nein zur EU-LieferkettenrichtlinieWirtschaft first, Menschen second

Simon Poelchau
Kommentar von Simon Poelchau

Bürokratie ist schlecht? Nicht immer. Das von der FDP jetzt gebashte Lieferkettengesetz schützt Menschen vor der Wirtschaft und muss deshalb kommen.

Das Lieferkettengesetzt trägt zur Abschaffung der Kinderabeit bei: Arbeiter in Bangladesh in einer Textilfabrik Foto: Ziaul Haque Oisharijh/Sopa/imago

D ie FDP dreht wieder zur Höchstform auf. Nicht nur, dass die Liberalen seit Wochen gegen eine Reform oder zumindest einen pragmatischen Umgang mit der Schuldenbremse arbeiten. Sie stemmen sich nun auch gegen die Einigung auf eine EU-weite Lieferkettenrichtlinie. Nach dem Motto „Wirtschaft first, Menschen second“.

FDP-Chef Christian Lindner begründet das Nein zum eigentlich schon fertig ausgehandelten Kompromiss, dass damit der Wirtschaft eine „unverhältnismäßige Bürokratie“ drohe. So redet er der deutschen Industrie nach dem Mund. Der mächtige Industrieverband BDI forderte am Montag die Bundesregierung auf, sich in Brüssel gegen das Gesetz zu stemmen. Als ob man Unternehmen einfach mal Erfolg haben lassen müsste, ohne sie mit Bürokratie zu belästigen, damit es wieder laufe mit der Konjunktur.

Das Bürokratieargument ist schlau. Als Nor­mal­sterb­li­che*r denkt man dabei an überfüllte Bürgerämter und komplizierte Formulare, die man in doppelter Ausführung an irgendwelche Behörden faxen soll – E-Mail natürlich ausgeschlossen. Da ist man schnell verführt, auch den Unternehmen etwas weniger von diesen lästigen Regeln zu wünschen. Zumal der so oft und vehement geforderte Bürokratieabbau angeblich Wirtschaftsförderung ist, die keine Steuermittel kostet.

Doch mit der Bürokratie ist es so eine Sache. Häufig gibt es sie aus gutem Grund. Sie besteht nämlich durchaus auch aus Regeln, die dazu da sind, die Menschen vor der Profitgier der Unternehmen zu schützen. Wie beim Arbeits- und Verbraucherschutz.

So schützen etwa Lenkzeiten für Lkw-Fahrer*innen vor Unfällen. Und beim EU-Lieferkettengesetz geht es zufällig um Rechenschaftspflichten, die verhindern sollen, dass große Unternehmen etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit profitieren.

Insofern muss man hoffen, dass sich die FDP mit ihrem Nein nicht durchsetzt und es bei der EU-Lieferkettenrichtlinie zu keinen Änderungen kommt. Denn zumindest in diesem Fall ist mehr Bürokratie besser für die Menschen.

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Simon Poelchau
Redakteur
ist für Ökonomie im taz-Ressort Wirtschaft und Umwelt zuständig.
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31 Kommentare

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  • Es heißt Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz!

  • Erneut grinst das Bürokratiemonster hämisch und möchte sich dem Lieferkettengesetz in den Weg stellen...



    Mich würde aber im Gegenteil interessieren, warum dieses Monster sich als derart zahnloser Tiger erweist, wenn es um die Lieferung westlicher,



    also auch deutscher Elektronikbauteile an russische Drohnenfabrikanten geht.

  • Es ist Aufgabe des Staates die Gesetze bei den Arbeitgeba durch zu setzten ( Seitens BG und Gerwerbeaufsicht).



    Dies quasi privat durch eine entsprechende Bürokratie aus zu lagern ist ein doch eher fragwürdiges Konzept.



    Unternehmen als Kunda müssen sich darauf verlassen können, dass der Staat dies überwacht und sollen das tun, was deren kernazfgabe ist: Produkte und Dienste im rechtssichere Rahmen durchführen .



    Der Staat lagert hier aus und verwässert dadurch die Rechtsicherheit. Dies wird sich böse rächen.

  • Wenn ein Kind zur Arbeit gezwungen wird, eine Frau versklavt wird, Männer früh in Minen sterben, Flüsse und Wälder giftig veröden und wir die billigen Produkte hier genießen ist etwas sehr schräg. Das muss geändert werden und zwar schon seit vielen Jahrzehnten. Gleichzeitig nehmen, Politische, Wirtschafts und Umweltflüchtlinge zu. Unsere Regierungen paktieren mit Diktatoren und Militär in den Ländern des globalen Südens und unterstützen perfide kleptomanische Regime um die Ausbeute von Bodenschätzen und Arbeitssklaven zu sichern. Die EU plant gesetzlose Gefängnisse an ihren Grenzen und populistische Einfältigkeit nutzt das Leid der Menschen hier aus. Ein Lieferkettengesetz wäre vielleicht ein mini Baustein hin zu globaler Gerechtigkeit.

    • @llorenzo:

      Warum überwacht der Staat nicht die Lieferketten? Warum macht man da stattdessen den Bock zum Gärtner?

  • Zur Erinnerung nochmal die Anweisung Mathias Döpfners an den Chefredakteur der 'bild'?

    "Please Stärke die FDP. Wenn die sehr stark sind können sie in der Ampel so autoritär auftreten das die platzt"

  • taz: "FDP-Chef Christian Lindner begründet das Nein zum eigentlich schon fertig ausgehandelten Kompromiss, dass damit der Wirtschaft eine „unverhältnismäßige Bürokratie“ drohe. So redet er der deutschen Industrie nach dem Mund."

    Natürlich redet Lindner der deutschen Industrie nach dem Mund, denn die FDP ist eine 'Wirtschaftspartei' und keine Volkspartei. Für die Sorgen und Nöte der kleinen Bürger hat sich die FDP noch nie interessiert.

    "Wirtschaft first, Menschen second" war doch schon immer das Motto der FDP. Mit dem sogenannten FDP-"Klimaschutz" verhält es sich doch ähnlich, denn auch dort gilt für die Freiheitspartei der Reichen und Mächtigen: "Wirtschaft first, Klimaschutz second".

  • Dieses Gesetz ist völlig überflüssig. Wer nicht möchte, "dass große Unternehmen etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit profitieren", der kann das seit jeher schon bei seinem Einkauf tun - dafür brauchts kein neues Gesetz.



    Wer beispielsweise ein Kleidungsstück "Made in Germany" kauft kann sich sicher sein, dass sein Produkt ohne Kinder- und Zwangsarbeit hergestellt wurde - und auch die Umwelt deutlich weniger belastet wurde als wenn beispielsweise ein Kleidungsstück "Made in Bangladesh" gelabelt ist, wo doch noch recht häufig Färbemittel und Chemikalien ungefiltert in Flüsse gelangen und der Transportweg sowieso mit CO2 zu Buche schlägt.



    Wofür also das Gesetz? Um Rechte von Arbeitern in fernen Ländern zu stärken? Oder wollen sich damit nicht viel eher Konsumenten als auch die Politik gleichermaßen einen moralischen Freibrief erschaffen/erkaufen?🤷‍♂️



    Geiz ist geil mit gutem Gewissen frei Haus sozusagen👌



    Anderen Ländern mittels eines Lieferkettengesetzes quasi unsere Arbeitsschutzgesetze aufzwingen zu wollen ist übergriffig wie vermessen gleichermaßen - die "erhobener Zeigefingerpolitik" hat sich noch nie bewährt.

    • @Farang:

      Aber so einfach ist es eben nicht. Es ist mir schier unmöglich, auch nur für meine 20 meistgekauften Produkte nachzuvollziehen, wie sie zustande gekommen sind.



      Die Erdnussbutter ist ohne Palmöl, aber die Erdnüsse kommen aus Argentinien - wie wurden sie da angebaut?



      Der Fisch stammt aus zertifizierter Zucht - aber wie sind die Arbeitsbedingungen in der Firma?



      Meine Bücher sind von deutschen Verlagen herausgegeben - aber wo wurden sie gedruckt, aus welchen Wäldern stammt das Holz?

      Geiz ist geil - aber er wird schwieriger, wenn das Lieferkettengesetz ein paar Jahre in Kraft ist, denn dann müssen Kostenkalkulationen neu gedacht werden und die Angebotspalette ändert sich (hoffentlich).



      "Ländern Arbeitsschutzgesetze aufzwingen" ist vielleicht etwas zu schräg formuliert. Firmen zu ermöglichen, andere Firmen zu beauftragen, Menschen 14 Stunden am Tag ohne Urlaub, Arbeitsschutz, Krankenversicherung oder Mindestlohn schuften zu lassen, hat nichts mit Antikolonialismus oder kultureller Offenheit zu tun.

    • @Farang:

      Nur schade, dass die Familie, die von Hartz 4 lebt, Made in Germany nicht leisten kann.

      Aber ich würde trotzdem "Zeigefingerpolitik" bevorzugen. Produkte, die durch Kinderarbeit erstellt wurden, müssen teuer sein oder mit hohen Steuern auferlegt werden.

      Produkte, die Menschenrechtsstandards einhalten, müssen billig sein oder subventioniert werden.

      Dann kann auch die arme Familie bedenkenfrei einkaufen.

    • @Farang:

      Mit diesem Gesetz wird es Menschen in Ländern, in denen unsere Firmen Scheisse fabrizieren ermöglicht, die betreffenden Firmen bei uns zur Rechenschaft zu ziehen. Diese Art von Gesetz wird von unzähligen NGOs in Ländern, in denen z.B. Rohstoffe abgebaut werden befürwortet, das es eine unabhängige Gerichtbarkeit schafft, die nicht am korrupten Rockzipfel der Konzerne hängen.

      [...] Beitrag gekürzt. Bitte beachten Sie die Netiquette. Vielen Dank! Die Moderation

      • @Stubi:

        Interessant. Ich dachte Gesetze und Gerichtsbarkeit unterliegen immer dem jeweiligen Land 🤷‍♂️



        Stichwort Souveränität.



        Was sie und alle anderen Antworten unter meinem Beitrag vorschlagen heißt gegenüber diesen Ländern nichts anderes als "eure Gesetze erachten wir als unzureichend, deshalb erlassen wir hier Gesetze, die die Abläufe innerhalb eures Hoheitsgebietes beeinflussen werden, weil wir es euch nicht zutrauen, ordentliche Gesetze zu schaffen. Mit freundlichen Grüßen, eure Deutschen, denn wir wissen es wie immer besser."



        Das ist Kolonialismus 2.0 nur hübsch verkleidet im "das ist nur zu eurem Besten"-Mäntelchen.

  • Bei all den Einwänden, die sagen, es sei im Prinzip richtig, aber schlecht gemacht, frage ich mich - bzw. vor allem die FDP - wie auch schon bei den Gesetzen zum Klimaschutz: Wo ist euer Konzept? Macht es doch bitte gerne gut.

    Aber der Punkt ist wir so häufig: Es soll nicht besser gemacht werden, sondern weniger, am liebsten gar nicht.

  • Das ist ein weiteres klassisches Beispiel dafür, dass die FDP den Begriff der Freiheit nicht verstanden hat und nicht verstehen will. Rousseau, Kant oder Voltaire zu lesen kann da weiterhelfen und dann wird man sehr schnell verstehen, dass es bei "Freiheit" um etwas anderes geht als Profite, Selbstsucht oder Machterhalt für bestimmte Leute. Diese exPartei ist unredlich, verlogen und extrem selbstsüchtig....

  • Lieferketten sind doch seit dem "Bio" Trend in den späten 90ern nicht mehr zuverlässig. Zertifikate gibt es billig an vielen Ecken. Hat sich niemand gewundert woher die vielen Öko- und Biolabels kommen?

    Nachhaltiger und wertvoller ist es, wenn unsere Regierung endlich personalisierte Werbung verbietet. DAS wäre ein "Menschen zuerst" Beitrag der uns allen mehr nützt, als man sich jetzt vorstellen kann.



    Dann müßte sich die Industrie endlich wieder vom Überwachungskapitalismus verabschieden und mehr auf die Qualität ihrer Produkte besinnen. Einflussnahme auf Wahlen via TikTok, Insta, fb usw wären dann auch nicht mehr so einfach, weil die Zielgruppenauswahl ungenauer wäre (die Datengrundlagen sind ja dann nicht mehr da). Und unsere Produkte wären billiger, denn die Werbekostenaufschläge (alle Gewinne von google zum Beispiel) würden entfallen.



    ...

  • 1G
    14231 (Profil gelöscht)

    Zur Wirtschaft gehören allerdings auch Menschen. Und wenn die ihre Arbeit verlieren, weil Unternehmen ihre Standorte aus der EU heraus verlagern, ist denen auch nicht geholfen.

    Es lässt sich nur das nachweisen, was Zulieferbetriebe bereitwillig ermöglichen. Wenn sich einzelne Lieferanten aber nicht in die Karten lassen schauen, weil sie etwa den Verlust einer Monopol-Stellung befürchten oder das Gesetz mehr als EU-Trick ansehen, Handelspartner auszuspionieren, können ganze Geschäftsmodelle scheitern.

    Für Großbritannien könnte sich der EU-Austritt somit doch noch lohnen.

  • 6G
    697175 (Profil gelöscht)

    Ja Herr Poelchau, "muss man hoffen, dass sich die FDP mit ihrem Nein nicht durchsetzt" - eigentlich setzt sich bei diesem "Kanzler" immer der Wurmfortsatz durch.

  • Was glaubt die FDP wohl, wer sie künftig noch wählen wird ?



    Die klugen Köpfe wohl eher nicht.



    Die Armen - wohl auch eher nicht.



    Das Kapital - ja, könnte sein. Und das werden ja auch immer mehr.



    Aber ob es dann zur 5% Hürde noch reichen wird ?

    Man weiß es nicht.



    Aber genau darum will die F-Partei jetzt noch kräftig Pflöcke einschlagen.

  • Die Lieferkettenrichtlinie ist schon ein bisschen rassistisch....für mich hört sich das an wie, die armen kleinen N...lein können sich nicht um ihre Belange kümmern, das müssen schon wir machen.

  • Sofern die Wirtschaft ein Feind des Menschen sein sollte, bietet das Gesetz Schutz. Wenn die Wirtschaft Basis von Wohlstand und sozialem Fortschritt sein sollte, schließt dieses Gesetz möglicherweise Millionen an Menschen von wirtschaftlicher Teilhabe aus.

    Für Menschen in Ländern, die bereits über entwickelte Arbeitsschutzgesetze und –behörden verfügen, kann es zu einer Verbesserung der Standards führen. In anderen Regionen könnte der Aufwand zur Anpassung und Überwachung zum jetzigen Zeitpunkt so hoch sein, daß dortige Produktionen in höher entwickelten Regionen zusammengefaßt werden. Oder – gerade, wenn es sich um sehr einfache Arbeitsvorgänge handelt – diese automatisiert werden und auf die Beschäftigung von gefährdeten Menschen verzichtet wird.

    Es vereinfacht die Umsetzung des Lieferkettengesetzes, wenn die Lieferketten auf einige wenige Länder konzentriert werden, in denen Technik, Infrastruktur, Verwaltung, Bildung und Fremdsprachenniveau sich schon auf hohem Niveau befinden. In der Folge werden möglicherweise gerade die Menschen der ärmsten Länder erneut von der Entstehung fortschrittlicher Produktionen und der Teilhabe an Wohlstandgewinnen ausgeschlossen. Das betrifft vor allem wieder afrikanische Staaten. Viele asiatische Staaten haben im Vergleich zu ihnen wenig „Entwicklungshilfe“ erhalten und stattdessen an der Globalisierung teilgenommen. Sie haben sich wirtschaftlich und bildungsmäßig entwickelt und können nun den europäisch gesetzten Standards leichter folgen. Arme Staaten und deren Bürger werden dagegen durch das Gesetz möglicherweise von Exporterlösen abgeschnitten.

    Da die europäische Politik den Lieferländern offensichtlich nicht zutraut, selbst Arbeitsschutz zu organisieren werden zur Umsetzung „Kolonialbeamte“ in die Zulieferländer entsandt werden müssen. solche Personen nennt man heute natürlich nicht mehr Kolonialbeamte, aber die Geisteshaltung der Endsender spricht für ein Überlegenheitsgefühl.

    • @Donald Duck:

      Würde noch hinzufügen, dass dadurch Großkonzerne gestärkt werden und Wettbewerb geschwächt wird, denn die Großen können sich den administrativen Aufwand leisten, wer mal groß werden will landet da an einer ziemlichen Stufe.

  • Hat jemand von der Porsche-Fraktion etwas anderes erwartet?

  • Offenbar ist die FDP die einzige Partei, die etwas Ahnung von der Weltwirtschaft hat. Gut gemeint wird hier schlecht umgesetzt. Die Chinesen lachen sich ins Fäustchen, die liefern sofort jedes Zertifikat und jeden Nachweis, da sie von der eigenen Regierung und Verwaltung gedeckt werden.

    • @Lars Sommer:

      So ist es.

    • @Lars Sommer:

      Soll China jetzt den Goldstandard auf diesem Gebiet definieren?

  • Mit 11,5 % 2021 und der derzeitigen Prognose sollten die doch in den Griff zu bekommen sein - schade, dass es noch so lange dauern wird.

  • Ich sage nicht, dass die Lieferkettenrichtlinie falsch ist, sie ist sicher moralisch richtig.



    Aber sie ist ein unglaubliches Bürokratiemonster, erfordert neue Mitarbeiter alleine dafür, verursacht erhebliche Kosten und das bei sehr fragwürdigem Sinn. Moralisch zwar völlig richtig wird sie ihr Ziel dennoch nie erreichen. Die Billig-Exportländer wissen wie man die Kontrollen umgeht und falsche Zertifikate auf den Markt bringt.



    Oder soll ernsthaft jeder deutsche Unternehmer dauerhaft eigene Mitarbeiter in diesen Ländern zur Kontrolle einsetzen? Dann werden deutsche Produkte unbezahlbar.



    Trotzdem, ich sage nicht dass die Lieferkettenrichtlinie im Grundsatz falsch ist.

  • Ob damit wirklich so viel mehr Bürokratie verbunden wäre? Es geht um die Einhaltung von Richtlinien, deren Verstoß dann geahndet werden müsste, oder habe ich das falsch verstanden? Ihre Lieferketten dokumentieren die Unternehmen sowieso millimetergenau, und sie wissen auch ganz genau, an welcher Stelle Arbeit wie aussieht. Das wird im negativen Fall natürlich nicht dokumentiert, wäre aber von der Dokumentation her gesehen ein verschwindend geringer Aufwand.

    Viel aufwändiger wären die Folgen: wo Lieferanten eben nicht auf Kinderarbeit oder sonstige ausbeuterische Praktiken verzichten, müssen sie unter Druck gesetzt werden oder Alternativen gesucht werden. Die, die sich dran halten, fürchten um ihre Wettbewerbsfähigkeit.

    Also lieber nichts ändern. Wie lange Zeit bei der allgemeinen Krankenversicherung, Frauenwahlrecht oder dem Kinderarbeitsverbot in Deutschland. Immer das gleiche Spiel.

  • Die Idee eines Lieferkettengesetzes ist per se eine gute Sache, bezweifelt glaube ich kaum jemand.

    Allerdings ist es wie oft bei territorial begrenzten Regelungen einen globalen Kontext betreffend nicht ausreichend durchdacht.



    - Im internationalen Wettbewerb müssen Unternehmen aus der EU somit einen höheren Aufwand betreiben, haben mehr Kosten und können preislich ggf. nicht mehr mithalten.



    - Anbieter aus Drittstaten können solche Regelungen in der EU leicht umgehen und ihre Waren hier preiswerter anbieten (Stichwort Anzahl Mitarbeiter in der EU-Filiale, Tochterfirmen, etc.). Es könnte auch dazu führen, das multinationale Unternehmen ihre Operation anpassen, um das Gesetz zu umgehende UND wer das nicht so einfach kann, sind die Mittelständler...

    Auch für Unternehmer innerhalb der EU ist die Regelung je nach Branche leichter oder ungleich schwerer abzufedern, je nachdem wo in der Welt die entsprechende Ware hergestellt wird. Im Zweifel kann dadurch sogar indirekt eine Marktabschottung stattfinden, wenn sich eine Herstellung/Import aus dem Ausland nicht mehr lohnt, da eine verbindliche und permanente Kontrolle der Lieferwege bzw. Schutz der Arbeiter kaum oder nur mit einen so erheblichen Aufwand bewerkstelligen lässt, dass es sich besser rechnet, die Produkte in den europäischen Niedriglohnländern herstellen zu lassen. Findet der ein oder andere sicher gut, führt aber zwangsläufig zu Konsequenzen im globalen Kontext. (Stichwort Strafzölle, Handelshindernisse, etc.)

    Die Idee ist gut, aber nicht sauber gelöst - den damit einhergehenden Missionierungsversuch der EU bzgl. der hier geltenden Rechtsansichten und Wertevorstellungen bewerte ich nicht, ist aber auch durchaus fragwürdig, solange auch innerhalb der EU dazu keine Einigkeit besteht.

  • Auch dieser Kommentar zeigt wieder das grundsätzlich unzutreffenden Weltbild der taz: der Mensch muss vor der Wirtschaft nicht geschützt werden und kann auch gar nicht vor ihr geschützt werden, denn "die Wirtschaft" besteht aus Menschen und wird von Menschen betrieben.

  • Es heißt Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und ist in der Tat eine nicht zu unterschätzende Sache. Sowohl im Grundsatz, dass es die Herkunft von Materialien, Rohstoffen, Waren und Produkten belegen soll, als auch in der Umsetzung - sprich Bürokratie. Das ist nämlich nicht, wie hier suggeriert werden soll, mal so eben gemacht. Das will schon sorgfältig und exakt gemacht werden und muß es auch. Kein Aufwand zu groß aber zeitintensiv und schützt hoffentlich wirklich einmal davor, dass irgendwo Kinder nach Materialien in gefährllichen Gruben buddeln oder irgendetwas 12-14 Stunden am Tag in Nähmaschionenhallen T-Shirts ect. für die Welt produzieren.