Lieferkettengesetz der EU: Fast in trockenen Tüchern

Das Lieferkettengesetz steht kurz vor dem Ziel – endlich. Doch es kann sein, dass es auf den letzten Metern noch verwässert wird.

Arbeiter färben in einem großen Kessel bunte Textilien

Arbeiter in einer Färberei in Bangladesch Foto: Piyas Biswas/ZUMA Wire/imago

Das Lieferkettengesetz, das die Europäische Union gerade grundsätzlich beschlossen hat, ist auch eine späte Reaktion auf die Katastrophe von Rana Plaza. Beim Einsturz der Textilfabrik in Bangladesch vor zehn Jahren starben über 1.000 Arbeiter:innen. Dank der EU-Richtlinie werden viele Unternehmen künftig darauf achten müssen, dass so etwas nicht noch einmal passiert. Diese Regulierung trägt dazu bei, die Lage der Beschäftigten weltweit zu verbessern.

Wobei auf den letzten Metern in Brüssel noch alles Mögliche passieren kann. Bisher ist die Einigung erst vorläufig. Auch deutsche Industrieverbände wie der BDI und der VCI wollen das Gesetz durchlöchern und verschieben. Einstweilen jedoch scheint das Vorhaben ein großer Erfolg zu werden: Unternehmen sind künftig verpflichtet, die sozialen und ökologischen Rechte der Beschäftigten ihrer Lieferanten in aller Welt zu berücksichtigen. Das gilt ebenso für die An­woh­ne­r:in­nen der Zulieferfabriken und ihre Rechte auf Land und saubere Umwelt. Ein rein freiwilliges Engagement reicht nicht mehr.

Die Richtlinie geht über das deutsche Lieferkettengesetz hinaus, indem sie auch kleinere Firmen einbezieht. Das EU-Gesetz soll schon ab 500 Beschäftigten gelten, während die Grenze in Deutschland ab 2024 bei 1.000 Ar­beit­neh­me­r:in­nen liegt. Und es soll eine schärfere Haftung gelten: Geschädigte Ar­bei­te­r:in­nen in fernen Ländern können die hiesigen Auftraggeber leichter auf Schadenersatz verklagen. Außerdem setzt die EU einen positiven globalen Standard, weil das Gesetz gleichzeitig für viele Unternehmen aus anderen Staaten gilt, die in der EU Geschäfte machen.

Für Konzerne wie VW wird es damit beispielsweise schwieriger, eine Fabrik in Xinjiang zu betreiben, einer Provinz, in der die chinesische Regierung systematisch die Menschenrechte verletzt. Auch die Herkunft großer Mengen des Polysiliziums für Solarmodule von dort steht künftig unter schärferer Beobachtung. Nicht ausgeschlossen erscheint, dass Firmen menschenrechtliche Risiken ausschließen, indem sie von vornherein andere Standorte wählen. Das Gesetz könnte damit einen Beitrag leisten, dass Produzenten diktatorische Staaten verlassen – ein sympathischer Nebeneffekt.

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Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.

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