piwik no script img

Erleichterungen für GeimpfteKeine Ausgangssperre mehr

Justizministerin Lambrecht will Geimpften und Genesenen bald ihre Freiheiten zurückgeben. Eine Einigung könnte es schon nächste Woche geben.

Geimpfte und Genesene dürfen bald wieder nachts durch die Gegend schlendern Foto: Jens Kalaene/dpa

Berlin taz | Wenn es nach Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) geht, sollen coronabedingte Ausgangssperren nicht mehr für Geimpfte und Genesene gelten. Lambrecht hat nun den Entwurf für eine entsprechende Ausnahme-Verordnung, die auch weitere „Erleichterungen“ enthält, an ihre Kol­le­g:in­nen in der Bundesregierung verschickt. Das 15-seitige Papier liegt der taz vor.

Noch ist offen, wann die Verordnung in Kraft tritt. Lambrechts Ziel ist aber klar: „So schnell wie möglich“. Wenn man sich den Kalender der Berliner Bundespolitik anschaut, heißt das: Am kommenden Mittwoch könnte die Bundesregierung die Verordnung beschließen, am Donnerstag würde der Bundestag zustimmen und am Freitag, den 7. Mai, der Bundesrat.

Auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hält eine schnelle Einigung mit Bundestag und Bundesrat auf die Neuregelungen für Geimpfte und Genesene für möglich. „Das kann innerhalb von Tagen gehen“, sagt der Minister am Freitag bei einem Besuch im schleswig-holsteinischen Reinbek. Erste Gespräche würden bereits geführt.

„Und wenn wir dabei sehr schnell zu einem Konsens kommen, dann kann man sicherlich auch bis Ende nächster Woche (…) zu einer entsprechenden Entscheidung kommen.“ Zuvor hatte Spahn die bisher übernächste Bundesratssitzung am 28. Mai als Ziel für eine Einigung genannt.

Keine Ausgangssperre für Geimpfte

Der Entwurf von Lambrecht sieht vor, dass sich Geimpfte und Genesene trotz nächtlicher Ausgangssperre die ganze Nacht auf Straßen und Plätzen aufhalten dürfen. Auch Kontaktbeschränkungen sollen für sie nicht mehr gelten, sie können sich also in beliebiger Zahl draußen oder in der Wohnung treffen.

Daneben sollen Geimpfte und Genesene beim Zugang zu bestimmten Leistungen (etwa Fußpflege) mit Getesteten gleichgestellt werden. Und nach der Einreise aus Risikogebieten sollen sie in der Regel nicht in Quarantäne müssen.

Diese Ausnahmen sollen überall dort gelten, wo die Bundesnotbremse anwendbar ist, weil die 7-Tage-Inzidenz über 100 liegt. Derzeit sind dies bundesweit 325 von 412 Landkreisen und kreisfreien Städten. Außerdem sollen die Ausnahmen für Geimpfte und Genesene auch dort gelten, wo die Länder per Verordnung Einschränkungen aufgestellt haben.

Für eine schnelle Verabschiedung der Verordnung spricht, dass die Bundespolitik auf diesem Weg eine mögliche Intervention des Bundesverfassungsgerichts unwahrscheinlicher machen könnte. Viele der weit über 100 Verfassungsbeschwerden gegen die Bundesnotbremse argumentieren damit, dass sie keine Ausnahmen für Geimpfte vorsehe, obwohl diese kaum noch infektiös sein können.

Was sagt das Verfassungsgericht?

Wann Karlsruhe entscheidet, ist noch unklar. In drei Verfahren, darunter der Eilantrag von FDP-Abgeordneten, haben die Rich­te­r:in­nen inzwischen eine Frist für Stellungnahmen bis zum 4. Mai gesetzt. Mit den Einschränkungen für Geimpfte wird sich das Gericht also frühestens Ende nächster Woche befassen.

Druck kommt auch von einigen Bundesländern wie Hessen und Bayern, die inzwischen selbst bestimmte Einschränkungen für Geimpfte aufgehoben haben. Justizministerin Lambrecht hat dies ausdrücklich begrüßt.

Wenn von Geimpften die Rede ist, muss allerdings immer berücksichtigt werden, dass es um vollständig Geimpfte geht. Bei Biontech und Astra Zeneca sind also zwei Impfungen erforderlich plus ein zeitlicher Abstand von 14 Tagen. Erst dann würde die Befreiung von der Ausgangssperre und anderes gelten.

Derzeit sind in Deutschland jedoch erst rund 6,3 Millionen Menschen doppelt geimpft. Und die Zahl wächst langsamer als die Zahl er Erstgeimpften. Am Donnerstag wurden in Deutschland knapp 800.000 Personen erstmals und nur rund 90.000 Menschen zum zweiten mal geimpft.

Es profitieren Alte und Genesene

Nutz­nie­ße­r:in­nen der vorgeschlagenen Ausnahmen für Geimpfte wären also zum einen alte Menschen und zum anderen Angehörige bestimmter Berufsgruppen, etwa im medizinischen und Pflegebereich und bei der Polizei, die jeweils prioritär geimpft wurden.

Außerdem könnte noch ein Teil der drei Millionen von Covid-19 Genesenen von den Ausnahmen profitieren. Als immun gilt laut Verordnungs-Entwurf nicht je­de:r Genesene, sondern nur, wer Covid im letzten halben Jahr überwand. Anschließend ist auch für Genesene eine Impfung erforderlich.

Die geringe Zahl der Nutz­nie­ße­r:in­nen erklärt zum Teil, warum die Politik bei der Rücknahme von Einschränkungen für Geimpfte und Genesene derzeit noch etwas unentschlossen wirkt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

19 Kommentare

 / 
  • Es gibt diese Debatte NUR in Deutschland. Absolut nirgendwo sonst steht in Frage, dass die Grundrechtseinschränkungen für Geimpfte zurückgenommen werden. Nur Deutschland glaubt mal wieder, sich eine schwachsinnige Neiddebatte leisten zu können und ringt um angebliche Prinzipien. Hier gibt es gar nichts zu diskutieren! Wer noch (!) nicht geimpft ist, muss eben noch zwei, drei Monate die “Ungerechtigkeit” des Rechtsstaatsprinzips “was ungleich ist, muss auch ungleich behandelt werden” aushalten. Und tja, wenn das den Sommerurlaub verdirbt, dann ist das so. Kein Grund, gleich allen den Sommer zu verderben. Wirklich, nur in Deutschland wird es als gerecht empfunden, wenn alle in gleichem Maße leiden müssen.

    • 2G
      20226 (Profil gelöscht)
      @Suryo:

      Worauf beziehen Sie sich, wenn Sie behaupten, diese Debatte gäbe es nur in Deutschland? Gelten Ausgangssperren in anderen Ländern denn generell nur nur für Ungeimpfte, wie gehen andere Länder überhaupt mit dieser Situation um?



      Ich weiß es nicht, aber Ihre Behauptung hört sich schon arg unglaubwürdig an.

      • @20226 (Profil gelöscht):

        Es gibt diese ganze Debatte nirgendwo sonst. Natürlich diskutiert man, wann man geimpften welche Freiheiten wiedergibt. Aber es gibt nirgendwo sonst lautstarke Forderungen, die Lockerungen für geimpfte NICHT vorzunehmen, weil ungeimpfte das als ungerecht empfinden könnten.

  • Super - jetzt, wo sich die Regierenden durchgeimpft haben heben sie im wesentlichen für sich selbst die Ausgangssperre auf.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Geimpfte und Genesene dürfen bald wieder nachts durch die Gegend streunen - Untertitel unter dem Foto des stolzen schwarzen Katers mit weißer Weste der die Strassen - Verkehrsordnung auf seine eigene Weise interpretiert.

    Offensichtlich hat es der Kater geschafft sich impfen zu lassen - Hausarztpraxis oder Impfzentrum?

  • Erleichterungen für Genesene dürften sich als zweischneidige Angelegenheit erweisen, gerade unter den jüngeren Jahrgängen die ein eher geringes Risiko schwerer Verläufe aber noch die längsten Wartezeiten auf eine Impfung haben dürften Einige wohl zu dem Schluss kommen es unter diesen Bedingugen eben doch auf eine Inektion ankommen zu lassen um den Weg aus der Pandemie für sich selbst abzukürzen. Folgen aber zu Viele dieser Logik wird das unweigerlich zu steigenden Infektionszahlen und Belegungen der Intensivstationen führen.

  • Ich habe als Ungeimpfter doch dadurch keine Nachteile. Somit sehe ich die ganze Sache unproblematisch.

    • @Bunte Kuh:

      Guter Versuch... Ich sehe ein Problem.. Und sicher viele Andere.

      • @Robert Boyland:

        ...viele andere Deutsche. Woanders gibt es diese ganze Debatte schlicht und einfach nicht. Da war von Anfang an klar, dass die Impfung die Befreiung von den Restriktionen bringt. Und warum auch nicht? Warum sollte irgendwer schlechter gestellt bleiben, weil andere es auch sind, obwohl ungleiches nun mal auch ungleich behandelt werden muss? Das ist nämlich der oft vergessene Zusatz des Grundsatzes, dass gleiches vor dem Gesetz gleich behandelt werden muss. Geimpfte und Ungeimpfte sind nun mal in Bezug auf die Regelungen, die die Pandemie bekämpfen sollen, nicht gleich. Und Sie und andere müssen die drei Monate, die dieser Zustand der Ungleichheit wohl noch andauert, aushalten. Das Leben ist nun mal so.

        Und fragen Sie sich mal, warum es diese Debatte nur, wirklich nur in Deutschland gibt und ob sie geführt werden muss.

      • @Robert Boyland:

        Pech gehabt. Die Verfassung ist eindeutig.

  • Es ist ja immer gerne und viel von Ungetechtigkeit die Rede. Hier wird Ungerechtugkeit produziert und alles schreit "Hurra!". Demnächst sollen die glücklichen Geimpften also dürfen, worauf die, die noch auf ihre Impfung warten müssen, dann auch noch warten müssen. Der spezielle Opportunismus unserer Politiker erklärt sich natürlich auch zum Teil daraus, dass die Regelungen zunächst ziemlich wirkungslos bleiben werden, weil die bisher Geimpften ohnehin zurückhaltend sind und weil der aktivere Teil der Bürger frühestens in acht bis zehn Wochen in den Genuss der vollständigen Immunisierung kommen wird. Das macht die neue Regelung aber nicht besser und die Eile damit ist ziemlich lächerlich. Völlig offen bleibt auch die Frage, wie man die neuen Regelungen eigentlich kontrollieren will. Gleichzeitig wird der so selbst befeuerte Impfneid bedauert. Das ist alles schief und krumm, ungerecht und unsolidarisch.



    Nur mal so als Gedanke: sollte man den Geimpften statt Extra- Rechten nicht vielleicht Extra- Pflichten auferlegen? Sie könnten ja zum Beispiel nicht nur sicherer für sich selber shoppen, sondern auch für andere Menschen. Oder sie könnten jemanden besuchen, helfen und Trost spenden. Auf die Art könnte man ja auch mal denken, aber auf die Idee kommt kaum jemand. Es ist schon traurig, wie selbstverständlich uns unser Egoismus ist.

    • @Benedikt Bräutigam:

      Ja was meinen Sie denn, was die bisher geimpften Personen tun?



      Die freuen sich, dass sie ihre Angehörigen wieder sehen können, für sie einkaufen können, ohne Angst zu haben, sie anzustecken.



      Das ist der Weg aus der Isolation für die Pflegebedürftigen, die sicher nicht in erster Linie Shoppen und Party im Sinn haben sondern sehnlichst erforderliche Kontakte wieder haben können.



      Hilft es Ihnen wirklich weiter, wenn diese vor allen Aktivitäten, für die eine vorherige Testung verlangt wird - das gilt im Übrigen nicht nur für den Friseurbesuch sondern auch für einen Besuch im Krankenhaus - ein Plasitk-Testkit verbrauchen, nur weil Ungeimpfte das auch tun müssen?



      Es geht hier nicht um Extra-Rechte sondern um ganz normale Lebenssituationen, in denen sich die Tatsache, dass jemand vollständig geimpft ist, so auswirkt, dass bestimmte Schutzmaßnahmen nicht mehr erforderlich sind.



      Dort, wo allgemeine Hygieneregeln gelten, werden sie auch von Geimpften weiter eingehalten werden (müssen).



      Mal ganz davon abgesehen, dass jede geimpfte Person auch alle Ungeimpften mit schützt. Sie werden sehen dass mit fortschreitenden Impfungen die Inzidenzen schnell sinken werden, so dass immer mehr generelle Einschränkungen automatisch auch für Ungeimpfte, nämlich für alle Menschen wegfallen können.



      Warum freuen Sie sich nicht einfach, dass immer mehr Menschen geimpft werden und sich damit für alle die Situation stetig verbessert?

  • "FREIHEIT ZURÜCKGEBEN..."



    niemand, aber auch niemand hat mir meine freiheiten zurückzugeben, lieber christian rath, auch keine justizministerin, meine freiheiten habe ich nie verloren, sie sind mir kraft verfassungsrecht gewährleistet - und eben nicht von der regierung gewährt. die regierung ist vielmehr gehalten, ihre verbote und einschränkungen aufzuheben und damit ihre eigenen massnahmen zu korrigieren, nicht aber meine grundrechte.



    und im übrigen frage ich mich, warum diese ausgezeichnete auswahl von "geimpften" und "genesenen" - ich bin gesund, habe keine symptome und offensichtlich immunität gegen die marotten und mutationen des virus: warum wird mein leben durch die gesetze und verordnungen der regierung beschnitten - ich will mein leben zurück.

    • @hanuman:

      Ich habe trotz der Beschränkungen ein Leben. Tut mir leid, dass Ihnen so wenig einfällt. Vielleicht kein Mangel an Freiheiten sondern ein Mangel Kreativität? Ohne Außenbespaßung aufgeschmissen?

  • Das wird auch Zeit, dass da einer mal was tut, die Bundesregierung ist nun wirklich entgültig dabei, Ihre letzte Glaubwürdigkeit zu verspielen.

  • Recht versus Moral



    Aus rechtlicher Sicht darf man jemandem, der keine Gefahr mehr für andere ist, seine Grundrechte nicht verwehren. Das Grundgesetz ist hier eindeutig.



    Moralisch stellt sich die Frage, ob man aus reiner Solidarität als durch-geimpfter auf seine Rechte verzichten soll, weil jungen Menschen gar nicht die Möglichkeit haben sich impfen zu lassen.



    Letztlich finde ich es als noch nicht Geimpfter aber richtig, dass durch-geimpfte ihre Grundrechte und Freiheiten wieder bekommen. Neid kommt da bei mir gar nicht auf, ich freue mich für sie. Und eines Tages bin dann auch ich dran.



    Nur die Ausgangssperre finde ich schon im Grundsatz falsch und unzulässig. Aber das klären wohl die Gerichte in den nächsten Tagen.

    • @Rudi Hamm:

      Neben Politik, die Gerichte machen mittlerweile auch Zick-Zack-Kurs...



      erst stoppen dann erlauben dan wieder stoppen, dann wieder erlauben..

      Obwohl viele Beschwerde schon in Karlsruhe liegen, gibt BGH keine endgültige Entscheidung, alle diese Zick-Zack zu stoppen.

  • 0G
    0103 (Profil gelöscht)

    Sprich den teilweise mehrfach Vorerkrankten aus der Priorisierungsgruppe 3, die sich seit über einem Jahr zuhause verschanzen und die höchstens am späten Abend und nachts vor die Tür gehen, wurden a) unzählige andere Gruppen aus politischen Gründen entgegen der Empfehlung der Impfkommission vorgezogen b) die Priorisierung dann durch Abschaffung ab Juni ganz entzogen (zumindest in meinem Bundesland wären die Vorerkrankten erst ab Juni eingeladen worden), c) durften sie dann zu den für sie eigentlich sinnvollsten Zeiten ihr Haus nicht mehr verlassen um die Party People vom Feiern abzuhalten, d) dürfen sie diesen Leuten bald beim Feiern zuschauen weil sie "Genesene" sind während ihnen das Verlassen des Hauses weiter polizeilich verboten bleibt und e) sind sie am Ende wahrscheinlich noch zuhause eingesperrt wenn andere, die in der Impflotterie ab Juni mehr Glück hatten, schon wieder im Biergarten sitzen.

    Ich bin immer wieder verblüfft wie hart man Menschen ins Gesicht treten kann!

    Disclaimer: in meinem Bekanntenkreis gibt es sowohl die mehrfach Vorerkrankten als auch die Party People die sich an keine Regeln halten und teilweise schon zwei Mal infiziert (= offiziell positiv getestet) waren. Das o.g. Szenario ist also aus meiner Sicht nicht abstrakt.

  • Viel wichtiger ist die Frage, wann die 74 Millionen noch nicht doppelt geimpften ihre Grundrechte zurückbekommen, die man ihnen im Oktober aberkannt hat.

    Für Verbote, die wenig Wirkung gezeigt und hohe Schäden angerichtet haben.

    Wann gedenkt die Regierung, Verbote auf zu heben, deren Effekt auf das Virus minimal ist? Es geht nicht um vollständige Aufhebung. Sondern darum, den unsäglichen Trend, seit Monaten immer nur mit Verschärfungen zu reagieren, wenn sich bestimmte Verbote als wenig zielführend erweisen. Wie etwa sämtliche Maßnahmen des Wellenbrecher-Lockdowns im November.