Erinnerungsprobleme des US-Präsidenten: Zweifel an Bidens Gedächtnis
Dass es in seiner Akten-Affäre nicht zur Anklage kommt, müsste US-Präsident Joe Biden eigentlich freuen. Doch im Fokus steht jetzt etwas anderes.
In den vergangenen Tagen wurde ungewöhnlich deutlich erkennbar, vor welch schwieriger Wahl die USA im November stehen. Auf der einen Seite kandidiert mit dem Republikaner Donald Trump ein Mann um das Präsidentenamt, der verspricht, eine Diktatur einführen zu wollen und alle Klimaschutzmaßnahmen aus seinem Regierungshandeln zu verbannen. Ihm gegenüber steht der demokratische Amtsinhaber Joe Biden, der sich aktuell mehr und mehr den Status eines trotteligen alten Mannes erwirbt.
Am Donnerstag erhielt US-Präsident Joe Biden eine auf den ersten Blick gute Nachricht: In der Affäre um die in seinem Haus gefundenen geheimen Regierungsakten und -vermerke wird Sonderermittler Robert Hur keine Anklage erheben. In seinem Abschlussbericht zu den Ermittlungen kommt Hur zum Schluss, dass Biden nicht in krimineller Absicht gehandelt habe. Allerdings begründet der Sonderermittler seine juristische Zurückhaltung zusätzlich mit dem Verweis auf Bidens erheblich eingeschränktes Erinnerungsvermögen.
Biden soll in den Befragungen nicht mehr gewusst haben, bis wann er Vizepräsident der USA (unter Barack Obama) war und ebenfalls nicht, wann sein Sohn Beau starb. „Wir haben auch in Betracht gezogen“, heißt es in dem Report deshalb, „dass sich Herr Biden vor Gericht wahrscheinlich vor den Geschworenen als sympathischer, wohlmeinender älterer Mann mit schlechtem Gedächtnis“ präsentieren würde.
Aufgrund direkter Interaktionen mit ihm und seiner Beobachtungen befürchtet Hur, dass die Geschworenen im Zweifel für einen Angeklagten Biden stimmen könnten. „Es wäre schwierig, eine Jury davon zu überzeugen, dass sie ihn verurteilen sollte; ihn – einen ehemaligen Präsidenten über achtzig – eines schweren Verbrechens zu verurteilen, das einen geistigen Zustand der Vorsätzlichkeit erfordert.“
Die Aussetzer häufen sich
Biden reagierte mit einer spontanen Pressekonferenz wütend auf diese Charakterisierung seiner Persönlichkeit. In einer landesweit übertragenen Rede im Weißen Haus sagte er: „Mein Gedächtnis ist in Ordnung“.
Er habe sich den Befragungen für jeweils fünf Stunden am 8. und 9. Oktober 2023 gestellt, „während ich eine internationale Krise gemanagt habe“. Es waren die Tage direkt nach dem Angriff der Hamas auf Israel. Und als ihm die Frage zu Beaus Todestag gestellt worden sei, habe er nur gedacht: „Das geht sie nichts an.“ „Wie zum Teufel kann er es wagen“, sagte Biden über Robert Hur, „das anzusprechen. Ich brauche niemanden, der mich daran erinnert, wann er gestorben ist.“
Als Biden das Redepult eigentlich schon wieder verlassen hatte, wurde er noch auf die Lage in Israel und Gaza angesprochen. Daraufhin erwähnte er die Rolle des Präsidenten von Mexiko – statt, wie es korrekt wäre, des Präsidenten von Ägypten.
Es war nicht der erste Patzer in der vergangenen Woche. Bei einer Wahlkampfveranstaltung in New York am Mittwoch erzählte Biden eine Anekdote vom bald drei Jahre zurückliegenden G7-Gipfel – und verwechselte darin Angela Merkel mit Helmut Kohl.
Im Kreise der Politiker.innen habe Biden damals gesagt: „Amerika ist zurück.“ Der französische Präsident habe entgegnet: „Für wie lange?“ Und Kohl daraufhin: „Was würden Sie sagen, Herr Präsident, wenn Sie morgen früh die London Times in die Hand nehmen und erfahren würden, dass 1.000 Menschen die Türen des britischen Parlaments aufgebrochen und auf dem Weg dorthin einige Menschen getötet haben?“ Merkel war zu diesem Zeitpunkt seit 16 Jahren Kanzlerin.
Auch Trump hat Gedächtnislücken
Bei einer Wahlkampfveranstaltung in Las Vegas am Sonntag davor hatte Biden bei der Erzählung derselben Episode den französischen Präsidenten Macron mit dem früheren französischen Präsidenten Mitterrand verwechselt. Auf der Homepage des Weißen Hauses findet sich ein Transkript des Events, das sich verstörend liest: „Und Mitterrand (durchgestrichen), Macron aus Deutschland – ich meine aus Frankreich – habe ihn angesehen und gefragt …“
Biden, nur wenige Jahre älter als Donald Trump, findet sich aber hinsichtlich dieser Aussetzer in guter Gesellschaft. Donald Trump hatte vor Kurzem seine Konkurrentin Nikki Haley mit der Demokratin Nancy Pelosi verwechselt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken