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Ende des BürgergeldesDas Jobcenter als Besserungsanstalt

Barbara Dribbusch

Kommentar von

Barbara Dribbusch

Das Bürgergeld ist bald passé. In Deutschland soll es offenbar wieder darum gehen, vor dem Jobcenter Angst zu haben.

Jobcenter in Berlin-Mitte: Wenn die Sach­be­ar­bei­te­r:in­nen im Jobcenter als Strafende erscheinen, dann werden alle verlieren Foto: Sabine Gudath/imago

W er wissen will, wie sich politische Erzählungen verwandeln können, weitgehend unabhängig von den Fakten, der muss sich nur die neueste Reform der Grundsicherung anschauen, die am Donnerstag von der Bundesregierung vorgestellt wurde. Vorbei sind die Zeiten des Bürgergeldes, als vom Jobcenter als Kooperationspartner die Rede war, der Arbeitslose berät und unterstützt, ihre Wünsche berücksichtigt, langfristig mitdenkt. Jetzt steht der Begriff der „Sanktion“ im Vordergrund.

Beim Nichterscheinen zum Termin, beim Abbruch einer Maßnahme soll nun schneller und härter am Regelsatz gekürzt werden. Das Wort Bürgergeld wird aus dem Sozialgesetzbuch gestrichen und durch „Neue Grundsicherung“ ersetzt. Es gilt der „Vermittlungsvorrang“ – das heißt, ein Job, auch in der Zeitarbeit, in einer Lagerhalle, bei einer Putzfirma, gilt als förderlicher, als lange in Weiterbildungsmaßnahmen oder Sprachkursen zu sitzen.

Das Jobcenter erscheint damit als eine Art Besserungsanstalt, die irgendwie zur Arbeit erziehen soll, obgleich ein Anstieg des Missbrauchs von Sozialleistungen statistisch nicht nachweisbar war. Abgesehen davon, dass die Reform moralisch verwerflich ist, wird die Idee, die Menschen zur Arbeit zu zwingen, nicht in großem Stil funktionieren. Und irgendwie ahnen die Ma­che­r:in­nen der Reform das auch schon. So soll der Erwerbsfähigkeitsbegriff „realitätsnäher“ definiert werden, heißt es im Entwurf. Im Bürgergeldbezug finden sich zu Hunderttausenden viele Eingeschränkte, psychisch Kranke, Angeknackste, sehr lange Arbeitslose, die keine acht Stunden Arbeit am Tag schaffen, aber als „erwerbsfähig“ gelten.

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Job­cen­ter­mit­ar­bei­te­r:in­nen sollen nun darin geschult werden, psychische Erkrankungen zu erkennen. Sie sollen Langzeitarbeitslose mit „höherer Kontaktdichte“ betreuen. Die Frage ist, was daraus wird. Wenn die Sach­be­ar­bei­te­r:in­nen im Jobcenter künftig vor allem als Strafende erscheinen, dann werden alle verlieren. Eine Institution zu werden, vor der Menschen vor allem Angst haben – das ist der Offenbarungseid jeder Sozialpolitik.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch). Kontakt: dribbusch@taz.de
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45 Kommentare

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    taz Kommune

  • Stimmt ja: Institutionen, vor denen Menschen vor allem Angst haben, sind der Offenbarungseid jeder Sozialpolitik. Aber wer sagt denn, dass Sozialpolitik „starke Männer“ wie Merz und Co., die potentielle AfD-Wähler:innen begeistern wollen, überhaupt interessiert?

    Mit der „Sozialen Marktwirtschaft“ wollte „die CDU“ am Ende der 1940er Jahre der „unsozialen Planwirtschaft“ (die brave Unionswähler nie erlebt hatten und auch gar nicht erleben wollten) etwas attraktiveres entgegen setzen. Man kann es sich heute nicht mehr vorstellen, aber mit ihrem Ahlener Programm hatte sich die CDU ausdrücklich vom „nackten“ Kapitalismus distanziert. Die SPD wollte gar den „demokratischen Sozialismus“ etablieren. Von Gewalt hatten halt alle irgendwie die Nase voll.

    Inzwischen ist Krieg (gegen das Böse) wieder geil und „den Osten“ gibt es nicht mehr. Leute, die nie kapiert haben, dass und warum der Mensch auch ein soziales Wesen sein muss, halten das Soziale seit dem Endsieg der „Westlichen Kultur“ über die Ost-Konkurrenz schlicht für überflüssig. Wie in „der Wirtschaft“ ist stark, wer andere platt machen kann.

    Die Glaubensfrage „Angst oder Hoffnung?“ ist wohl keine mehr für Machtmenschen von heute.

  • Was ich bei dieser ganzen Diskussion vermisse ist die ANtwort auf die Frage "Wieviel Ggeld können wir mit dieser Maßnahme sparen?"



    Ich schätze mal sehr wenig, Wer nicht arbeiten will, der wird Mittel und Wege finden um die Anforderungen des Jobcneters zu erfüllen und gleichzeitig keine Arbeit zu finden - bei keinem Arbeitgeber genommen zu werden.



    Von daher ist das alles eine Scheindiskussion die vom eigentlichen Thema ablenkt: Wenn ich im Mindestlohn arbeite, habe ich weniger als 500 Euro pro Monat mehr als ein BG-Empfänger. d.h. ich arbeite für weniger als 3 Euro pro Stunde. Abzüglich Fahrtkosten. Dann doch lieber BG und etwas "Nachbarschaftshilfe", gibt genausoviel Kohle und erheblich weniger Stress.

  • Zitat Handelsblatt



    "Im Jahr 2022 haben die deutschen Steuerfahnder 2,4 Milliarden Euro eingetrieben. Was wie eine Erfolgsmeldung klingt, ist in Wahrheit nur ein Bruchteil der hinterzogenen Summe: Dem Staat entgingen im selben Jahr schätzungsweise 75,7 Milliarden Euro.

    Eine Summe, die größer ist als der Etat des Bundesverteidigungsministeriums im vergangenen Jahr (51,9 Milliarden). Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch: Etwa 97 Prozent der hinterzogenen Steuern blieben unentdeckt".

    In SH waren vor einigen Jahren ein Drittel aller Stellen für Steuerfahnder unbesetzt.

    Bei diesen Zahlen stockt einem der Atem, nicht jedoch Klingbeil.

    Stattdessen beteiligt er sich an einer Symboldebatte ums Bürgergeld. Die Ärmsten der Armen betrügen den Staat um Milliarden!



    Laut DGB-Chefin sind nur einige hundert Menschen Totalverweigerer.



    Die Reform versetzt aber Millionen von Menschen in Schrecken.



    Z. B. bald zu entlassene VW-Bosch-Arbeiter, die genau wissen, dass sie nach dem Arbeitslosengeld nach unten durchgereicht werden, wenn sie keinen ähnlich gut bezahlten Job finden.

    Die SPD hat aus den Hartz-Reformen nichts gelernt. Hoffentlich wird sie bei den nächsten Wahlen abgestraft.

  • So ist es. Eine mäßige Sozialleistung zum Erhalt der Menschenwürde (Art. 1 GG) mit Zwang, Angst und vorallem realem Entzug des garantierten soziokulturellem Existenzminimums zu basteln, ist nichts anderen als ein Angriff auf den Art. 1 GG und es macht Wütend, dass Politiker:inen, denen es selbst materiell an nicht mangelt immer wieder meine Vorurteile und Ausgrenzungsdebatten gegen die Ärmsten zu nutzen, um von den eigentlichen Problemen abzulenken. Schämt Euch! Und die AfD fordert schon, dass Nur deutsche Staatsbürger die Sozialleistung bekommen dürfen. Hervorangend ihr Menschenverachter- und GG Verbieger:innen aller Parteien...

  • Auf den Punkt. Danke für den Kommentar Frau Dribbusch.

  • Es muss auch Jobs am unteren Ende der Qualifikationsleiter geben - nicht jeder hat Abitur oder studiert oder taugt zum versierten Facharbeiter.

    Dem stimme ich zu, allerdings muss der Lohn in einer Vollzeitstelle auch ausreichen um das Leben zu finanzieren, Aufstocken in einer Vollzeitstelle ist eine Subventionierung von unrentablen Geschäftsmodellen.

    • @Xanyd:

      ... Ein Blick auf ähnliche Ansätze im Vereinigten Königreich vor rund zwei Jahrhunderten hätte gereicht, um das vorher zu wissen. Da molken die Kapitalisten den Staat nämlich auch so bei einer Aufstockungsregelung.

  • "Die Menschen zur Arbeit zu zwingen.." Solche Sätze aus der Linken Ecke sind ein Schlag ins Gesicht all jener, die jeden Tag ihren Job machen und damit die soziale Sicherheit in diesem Land erst ermöglichen. Was die Mehrheit der Menschen in Deutschland darüber denkt, sieht man an den Wahlergebnissen..

  • Wie wäre es, wenn ein Artikel einmal konstruktiver an das Thema herangeht?



    Die neuen Sanktionsmöglichkeiten greifen nur bei groben oder mehrfachen Verfehlungen – also nicht sofort beim kleinsten Fehler.

    Wie kann man vermeiden, in Sanktionsfallen zu geraten?



    Halte Termine ein. Wenn ein Schreiben vom Jobcenter verspätet ankommt und du dadurch einen Termin verpasst, ruf sofort dort an und bitte um einen Ersatztermin – das funktioniert in der Regel problemlos.

    Brich Maßnahmen nicht ab. Auch wenn sie manchmal mühsam wirken, kannst du dabei dazulernen und deine Chancen auf Arbeit verbessern.

    Verweigere angebotene Jobs nicht vorschnell. Wer mitmacht, profitiert meist finanziell und sammelt Berufserfahrung. Siehe taz.de/Abstand-von...stlohn+lohnt+sich/



    Einen besser passenden Arbeitsplatz kannst du dir später immer noch suchen.

    So kann man das Thema Bürgergeld auch sehen: Wer Eigeninitiative zeigt, hat gute Chancen und vermeidet Sanktionen automatisch.

    • @MatB1012:

      Und heile ist die neoliberale Wunderwelt: Es liegt alles am Einzelnen.

      Arbeitnehmerrechte, strukturelle Ungerechtigkeiten, Diskriminierung, Benachteiligung Erziehender - alles Schnickschnack.

    • @MatB1012:

      Es mag ja dem einen oder anderen, der es so sehr liebt, nach unten zu treten, nicht gefallen, aber zu dem Thema grassieren nachgerade groteske Unwahrheiten. Schön beleuchtet durch die Anstalt

      www.instagram.com/reel/DPmVmtHjaS8/

    • @MatB1012:

      Alles super. Die Realität sieht abet auch so aus, dass Termineinladungen z.B. dauernd zu spät per Post kommen, Menschen die Obdachlos und Bezugsberechtigt sind dabei null berücksicht werden. Menschen mit psychischen Erkrankungen, oft Angst vor Briefen und deren Inhalt haben etc. All diese Leute wird es treffen. Obdachlosigkeit kann man so jedenfalls nicht bekämpfen. I'm Gegenteil. Es werden noch mehr auf den Straßen Landen.

  • "Es gilt der „Vermittlungsvorrang“ – das heißt, ein Job, auch in der Zeitarbeit, in einer Lagerhalle, bei einer Putzfirma, gilt als förderlicher, als lange in Weiterbildungsmaßnahmen oder Sprachkursen zu sitzen."



    Diese Wertung finde ich zweifach kritisch.



    Erstens wertet diese Aussage Zeitarbeit, Reinigungsdienste und Kommissionierer ab. Ja all diese Berufsfelder sind Niedriglohnbranchen. Dennoch ist es keine Schande in diesen Branchen zu arbeiten. Es muss auch Jobs am unteren Ende der Qualifikationsleiter geben - nicht jeder hat Abitur oder studiert oder taugt zum versierten Facharbeiter.



    Zweitens verklärt diese Aussage die Realität, als ob Weiterbildungsmaßnahmen oder Sprachkurse nicht berufsbegleitend geschehen können.



    Sehr viele Menschen studieren berufsbegleitend, manchen auf der Abendschule ihren Meister, Techniker, etc...



    Wieso soll das nicht auch Arbeitslosen zugemutet werden können?



    Die Idee des Sozialstaates ist es unschuldig in Not geratene Menschen aufzufangen und zu unterstützen - der Fokus muss aber natürlich die schnellstmögliche Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt sein.



    Transferleistungen sollen eine Notfallreserve sein, kein Dauerzustand.

    • @Saskia Brehn:

      Das Problem ist, dass man von Helferjobs in der Regel nicht mehr leben kann, es oft ausbeuterische Strukturen gibt und damit kaum Rentenansprüche erworben werden.

      Offensichtlich ist es wesentlich komplexer, als Merzens und leider auch Bas unterkomplexer "Wir machen was" Aktionismus suggerieren.

      Es geht um den Stellenwert von Arbeit und sozialer Absicherung insgesamt in unserer Gesellschaft und ich bin mir sicher: Auch Sie haben sich darüber schon Gedanken gemacht.

    • @Saskia Brehn:

      "Erstens wertet diese Aussage Zeitarbeit, Reinigungsdienste und Kommissionierer ab. Ja all diese Berufsfelder sind Niedriglohnbranchen. Dennoch ist es keine Schande in diesen Branchen zu arbeiten. Es muss auch Jobs am unteren Ende der Qualifikationsleiter geben - nicht jeder hat Abitur oder studiert oder taugt zum versierten Facharbeiter."

      Diese Berufszweige werden natürlich gebraucht und sind keine Schande, aber das bestreitet auch niemand. Das Problem daran ist eher, dass mit den neuen Verschärfungen leute in diese Arbeiten gezwungen werden können ohne den Hintergrund der Arbeitssuchenden zu berücksichtigen.

      Auch wenn es bei mir nun schon EINIGE Jahre her ist, als ich meine Ausbildung zum Chemietechniker abgeschlossen habe, hat das Jobcenter (was damals noch nicht so hieß) auch versucht mich Blind an Putzfirmen und Tischlern zu vermitteln.



      Damals konnte ich mich noch ohne schlimmere Konsequenzen dagegen wehren, dass ich doch bitte nur in Berufe vermittelt werde, die zu meiner Ausbildung passen.

      Das werden zukünftige Arbeitssuchende dann nicht mehr, oder nur sehr erschwert können.

    • @Saskia Brehn:

      "Die Idee des Sozialstaates ist es unschuldig in Not geratene Menschen aufzufangen und zu unterstützen "

      Sie haben offenkundig nicht - und zwar gar nicht - verstanden, wozu der Sozialstaat da ist.



      Der Sozialstaat dient der Absicherung der Bürger gegen existentielle Lebensrisiken. Eine Gegenleistung muss dafür NICHT erbracht werden.

      www.sozialpolitik....sozialstaatprinzip

    • @Saskia Brehn:

      Menschen mit diversen Vermittlungsproblemen in Jobs zwingen, damit diese nach ein paar Monaten wieder beim Jobcenter aufschlagen? Warum? Weil "Wir" es können? Oder damit Sie sich besser fühlen, Ihr seltsames Gerechtigkeitsempfinden dadurch befriedigt wird? Sie wollen Menschen mit diversen Vermittlungsproblemem sich nebenbei weiterbilden? Wann und Wo, mit welcher Energie sollen diese Menschen das machen? Vor allem mit welchen finanziellen, Niedriglohn, Mitteln?

    • @Saskia Brehn:

      Völlig richtig! Ich höre immer, wieder, dass Menschen im Bürgergeld denken, dieses Geld stünde ihnen doch zu und rühren keinen Finger, um sich nach Stellen umzusehen, geschweige, sich zu bewerben. Für die Frau, den Mann im Imbisswagen in der Bäckerei, im Niedriglohnsektor generell, für die Steuerzahler, die das finanzieren müssen, ist das einfach ungerecht.



      All die Menschen, die es aus gesundheitlichen, persönlichen Gründen schwer haben auf dem 1. Arbeitsmarkt integriert zu werden, sollen selbstverständlich Anspruch auf Grundsicherung haben oder nach einer entsprechenden Beurteilung Grundsicherung bei Erwerbsunfähigkeit erhalten.

      • @Giordano Bruno:

        Für die Frau, den Mann im Imbisswagen in der Bäckerei, im Niedriglohnsektor generell, für die Steuerzahler, die das finanzieren müssen, ist das einfach ungerecht.

        Unsinn, das eine hat mit dem anderen NULL zu tun. Kein Arbeitnehmer hat auch nur einen Cent mehr in der Tasche, wenn Arbeitslosen Gelder gekürzt werden.

      • @Giordano Bruno:

        Haben "die Frau, den Mann im Imbisswagen in der Bäckerei, im Niedriglohnsektor generell für die Steuerzahler, die das finazieren müssen", dadurch auch nur einen Cent mehr in der Tasche? Oder ist die beschlossene Verschärfung und Abschaffung des Bürgergelds nicht vielmehr eine Ansage, eine Drohung an die oben genanten, "Spurt, sonst landet Ihr auch da?". Übrigens, ich lese, auch in der taz, Kommentare die ohne Sinn und Verstand über Arbeitslose urteilen. Ihrer mit "Ich höre immer, wieder, ...." gehört dazu.

    • @Saskia Brehn:

      Eines der Probleme ist das Menschen die schon mal was erreicht haben und in unterqualifizierte Jobs gezwungen werden danach kaum noch Chancen haben wieder aufzusteigen.



      Außerdem finde ich es immer problematisch das Menschen die nie oder selten in so eine Lage kommen sich anmaßen



      darüber zu urteilen.

      • @Captain Hornblower:

        Wer im Bürgergeld landet war vorher doch bereits mindestens 12 Monate arbeitslos. Welche Weltkarriere wird da denn verhindert? Das größte Hindernis bei Bewerbungen ist doch längere Arbeitslosigkeit. Eine Bewerbung aus einem bestehenden Job wird stets präferiert.

      • @Captain Hornblower:

        Jetzt wird es ersteinmal richtig krass für Unternehmen, da unsere Regierung ja die Bürgeldkasse entlasten will. Da gibt's dann keine 75 % Gehaltsübernahme von unseren Steuergeldern für Unternehmen, bei Einstellung von Langzeitarbeitslosen im ersten Beschäftigungsjahr mehr für die Arbeitgeber. Bei 120.000 solcher Billiglohnmitarbeiter wird es da wohl einige lange Gesichter in Industrie & Wirtschaft geben. Aber da können wir als Staat ganz schön was Einsparen. Ca. 120.000 solcher Eingliederungsmaßnahmen gabe es in 2023 X ca.1.500 Euro pro Mindestlohnempfänger aus den sogenannten Eingliederungsmaßnahmen im ersten Beschäftigungsjahr. Im zweiten Jahr gibt's dann ja nur noch 50 % Lohnzuschuss für der Arbeitgeber.

      • @Captain Hornblower:

        Darf nicht jeder zu allem eine Meinung haben? Unabhängig davon, ob sie gefallen oder nicht.



        Und zu ihrem Beispiel: Wie groß ist denn die Chance für Menschen die schon mal was erreicht haben, wenn sie über einen längeren Zeitraum keinem Job nachgehen wieder in einem qualifizierten Job unterzukommen?

    • @Saskia Brehn:

      Nö es ist keine Schande bei eine Reinigungsfirma zu arbeiten. Aber die Menschen in diesem Bereich abzuladen um sich Weiterbildungen und Sprachkurse zu sparen, hingegen schon. Beruflicher Erfolg hängt von der Qualifikation ab. So werden die Menschen dauerhaft im Niedriglohnsektor gehalten. Ich kenne einige Migranten die in den Bereich tätig sind. Hauptsächlich Frauen. Oft zwei bis drei geringfügige Beschäftigungen. Nebenbei das Leben in der Fremde organisieren, Familienkonflikte durch kulturelle Entfremdung ihrer Kinder. Was sie da als Vorbild beschreiben, Meister, Techniker hat mit deren Lebensrealität nichts zu tun. Ihr Kommentar beinhaltet zwar viel Meinung, aber zu wenig Ahnung von der Materie.

    • @Saskia Brehn:

      Menschen, die diverse Vermittlungshemmnisse haben, sollen sich also in ihrer Freizeit weiterbilden? Vielleicht noch während sie gezwungen sind in Schicht arbeiten, oder wirklich miese Jobs machen, aufgrund des Vermittlungsvorangs. Diese Menschen stehen dann nach einigen Monaten wieder vor der Tür des Jobcenters.

    • @Saskia Brehn:

      Sie sollen aber nicht nur eine individuelle Nothilfe sein, sondern auch ein gesellschaftliches Werkzeug, um Arbeitnehmerrechte zu stärken.



      Wenn der Arbeitgeber auf diese Rechte pfeift, wird es ohne staatliche Arbeitslosenunterstützung sehr viel schwieriger werden, ihm die Pflichtverletzung nachzuweisen, weil die Arbeitnehmer lieber kuschen, als eine Kündigung zu riskieren.

      Wenn nun Arbeitslose gezwungen werden, jede Arbeit anzunehmen, auch wenn vom ersten Tag an klar ist, dass der Arbeitgeber die Regeln verletzt, wird das Arbeitsamt von den Regelverletzungen nicht erfahren und immer neue Leute schicken.



      Die wenigen, die es wagen sich zu beschweren, werden abgetan als Arbeitsverweigerer und sanktioniert. Die Ausbeuter unter den Arbeitgebern reiben sich die Hände. Die ehrlichen Arbeitgeber verlieren Marktanteile, weil sie mit den Preisen der Ausbeuter nicht mithalten können.



      Die gesamte Wirtschaft wird darunter leiden.

      • @Herma Huhn:

        Das interessiert die "Saskias und Brunos" dieser Republik nicht. Hauptsache dem diffusen Gerechtigkeitsempfinden wurde Genüge getan. Außerdem sind die Menschen, die so locker flockig andere in Zeitarbeit und Niedriglohn zwingen wollen, meistens selbst davor gefeit. Solidarität ist mittlerweile ein Fremdwort in Deutschland.

      • @Herma Huhn:

        ich wusste garnicht, dass es hier um Arbeitsrechtler geht, denen im Gegensatz zu den langjaehrigen Beschaeftigten einer Firma schon am ersten Arbeitstag auffaellt, dass die Arbeit "unzumutbar" ist.

        Saskia Brehn hat es zutreffend beschrieben, Grundsicherung ist eine Hilfe zur Selbsthilfe und keine zeitlich unbegrenzte Traumjobausbildungsvollversorgung.

      • @Herma Huhn:

        Aus welchem Grund sollte ich als von der Arbeitsagentur vermittelter Arbeitnehmer nicht gegen Verletzungen der Arbeitnehmerrechte vorgehen dürfen?

    • @Saskia Brehn:

      Guter Komentar - die gleichen Gedanken hatte ich auch.

    • @Saskia Brehn:

      "Denk ich an Deutschland in der Nacht,



      bin ich um den Schlaf gebracht". (Heinrich Heine)

      Es ist allerdings nicht das Bürgergeld, sondern das Problem mit der Veggiewurst.

  • Fördern und fordern. Schon vergessen?



    Mit Augenmaß und Fingerspitzengefühl.



    Hatte ich fast 20 Jahre lang gemacht.

  • Es gibt den Missbrauch, und er kostet uns Milliarden. Die Rede ist von den Steuerhinterziehungen - die Tricksereiverrenkungen lasse ich mal fort - einiger der sehr Reichen.

    Auch im Kleinen ist mensch natürlich bitte ehrlich, doch um die Größenordnungsunterschiede aufzuzeigen.

    Also geht es hier um Gewissensbetäubung und Klassenkampfstrategie von Reich. Arm gegen Mittelarm aufhetzen, das ist das Spiel, und viele fallen noch darauf herein. Statt Erbschaftssteuer, Vermögenssteuer etc. näher zu betrachten.

  • Guten Tag,

    ich finde diesem Kommentar einseitig.

    Sanktionen gibt es seit es das SGB 2 gibt, seit 2005. Zuvor gab es sie im Rahmen des BSHG und im Rahmen dee Arbeitslosenhilfe. Auch im SGB 3 (Arbeitslosengeld) gibt es Situationen, in denen die Leistungen eingeschränkt werden. Bei Sozialleistungen gibt es Rahmenbedingen/Regeln, die bestimmen, wer sie, in welcher Höhe und unter welchen Bedingungen jemand sie erhält.

    Ich halte Sanktionen für angebracht, wenn die Regeln nicht eingehalten werden. Die Höhe ist stets ein Streitpunkt. Vor allem, wenn es Menschen trifft, die gesundheitliche Schwierigkeiten haben, Regeln einzuhalten. Da ist es Aufgabe des Jobcenters Fehler zu vermeiden.

    Ansonsten ist das System des SGB 2 vom Grunde her ein gutes, welches nach wie vor viele Möglichkeiten der Unterstützung bietet, arbeitslose Menschen (wieder) im Arbeit zu bringen (z.B. Qualifizierung). Auch bezüglich verschiedenster Problemlagen gibt es Unterstützung (Gesundheit, Psyche, Kosten bei Arbeitsaufnahme und ggf. Umzug, Wohnungslosigkeit, Sucht etc.). Hier wird dann allerdings auch auf andere Unterstützungssysteme hingewiesen bzw. zurückgegriffen.

    • @Christian Dryander:

      "Ansonsten ist das System des SGB 2 vom Grunde her ein gutes, welches nach wie vor viele Möglichkeiten der Unterstützung bietet, arbeitslose Menschen (wieder) im Arbeit zu bringen"

      Soweit die Theorie. Ich war im Laufe meines Arbeitslebens dreimal arbeitssuchend. Während der Termine bei der Arbeitsagentur saßen mir sicherlich wohlmeinende, aber völlig hilflose Sachbearbeiter*innen gegenüber, die mir nichts außer in meinem Fall sinnlosen "Maßnahmen" (Bewerbungstraining) anzubieten hatten. Eine neue Arbeit habe ich mir in allen Fällen selbst und teilweise gegen den Widerstand der Behörde (eine Umschulung musste ich mir erkämpfen) gesucht.



      Während des Bewerbungstrainings durch eine dubiose Firma konnte ich beobachten, wie Menschen durch die Dozenten unter enormen Druck gesetzt wurden. Auf einen entsprechenden Hinweis an die Agentur erhielt ich niemals eine Antwort.

    • @Christian Dryander:

      "Sanktionen gibt es seit es das SGB 2 gibt, seit 2005"

      Dazu gibts ein Urteil des BVerfG von 2019. Das offenkundig von Schwarz-Rot ignoriert werden wird. Grotesker geht es kaum.

  • Sehr richtig.



    Und dahinter steht die wirre, ich würde auch sagen: wahnhafte Ideologie, dass bezahlte Arbeit der eigentliche Sinn des Lebens sei.



    Deswegen müssen alle Menschen (außer natürlich den sehr reichen) mit Zuckerbrot und Peitsche, wobei links eher das Zuckerbrot, rechts eher die Peitsche benutzt wird, in die Lohnarbeit gedrückt werden (schon die Selbstständigkeit gilt als verdächtig).



    Obwohl es eigentlich alle wissen müssten, dass es unglaublich viel sinnvolle Betätigung ("Arbeit") außerhalb der Erwerbsspähre gibt, es fängt schon damit an, dass wir geburtlich sind, also unter Mühen von einer Frau in die Welt gesetzt und danach jahrelang unentgeltlich aufgezogen wurden. Aber auch unsere Demokratie und unsere natürlichen Lebensgrundlagen bedürfen des (meist unbezahlten) Engagements. Und ohne Muße gibt es keinerlei Innovation oder Fortschritt unserer sogenannten Zivilisation.

  • "Job­cen­ter­mit­ar­bei­te­r:in­nen sollen nun darin geschult werden, psychische Erkrankungen zu erkennen."



    Wunderbar! Dann brauchen die nur noch einen Rezeptblock und wir können die Psychiatrien schließen. Das passt doch prima zur Krankenhausreform.

  • Generalverdacht für alle ehrlichen Bürgergeldempfänger und ein Riesenaufwand, um am Ende ein paar hundert Euro von den Ärmsten zu kassieren......



    aber gleichzeitig gegen kriminelle Betrüger im Anzug, die nachweislich 30 Milliarden Steuergelder abgezockt haben, NICHTS unternehmen!

    Merz und seine konservative Truppe hat bis heute nichts unternommen, um die CumEx-Steuermilliarden von Banken und Superreichen zurückzuholen.

    Merke: Reiche dürfen unsere Gesellschaft vorsätzlich betrügen und sogar Milliarden an Steuergelder stehlen!



    Nur wenn es um kleine Leute und ein paar hundert Euro geht, setzen Konservative plötzlich gigantischen Aktionismus frei und können sogar kurzfristig Gesetze ändern!

  • Es geht im Endeffekt nur darum, auf die Schwächsten einzuprügeln, denn dann fühlt sich auch der im letzten Mistjob für wenig Geld hart Arbeitende noch ein bisschen besser.

    Solange man über die sozial Schwächsten herziehen kann, passt alles. Die „Faulen“ sollen endlich mal was schaffen. Ganz egal, ob es diese „Faulen“ überhaupt gibt.

    Und wenn diese „Zielgruppe“ zum drauf einprügeln dann ausgedient hat, wird sich schon ein anderer Sündenbock finden, der dafür herhalten muss, die hinterzogenen Steuermilliarden zu vertuschen.

  • Diese "Reform" wird weder den Haushalt entlasten, noch wird sie dem Arbeitsmarkt Fachkräfte zuführen. Sie wird allenfalls im Niedriglohnbereich etwas mehr Druck nach unten erzeugen. Geholfen ist damit niemandem, und ich glaube auch nicht, dass hier vordergründig Kapitalinteressen bedient werden. Vielmehr handelt es sich um Politiksimulation. Die Regierung ist offensichtlich unfähig, echte institutionelle Reformen vorzunehmen (das wären andere Regierungen aber wohl auch). So wird versucht, der unteren Mittelschicht den "Deal" anzubieten: Wenn wir euch schon stärker belasten werden, dann seht her - die Leute unter euch treten wir erst richtig.

    Zum ganzen Komplex aus historischer Perspektive immer noch sehr zu empfehlen: Robert Castel: Die Metamorphosen der sozialen Frage.

  • Sehr traurig und extrem dumm. Denn so werden wir nur ehemalige Bürgergeldempfänger produzieren, die in und aus Helferjobs wieder in die neue Grundsicherung fallen.

    Die hätte man natürlich auch nach ihren Wünschen anständig qualifizieren und ihnen ein einigermaßen würdiges Leben ermöglichen können.

    Wie die SPD sich mit ihren 15% davon was erhofft, bleibt ein Rätsel.

    Wenn es noch Sozialdemokraten mit Herz und Verstand unter ihren Abgeordneten gibt, sollten sie dagegen stimmen.

    Und dass Herr Merz, der noch nie irgendwo produktiv oder gar menschenfreundlich gearbeitet hat, diese "Reform" durchpeitscht, ist eine ganz eigene Ironie.

  • Vielleicht wäre es sinnvoll wenn Jobcentermitarbeiter den einen oder anderen Bewerber bei der Erstellung der Bwerbung unterstützen und diese auch gleich verschicken. Auch eine Begleitung zum Bewerbungsgespräch könnte hilfreich sein. Vielleicht könnte die Arbeitsvermttlung dann erfolgreicher laufen. Ein Versuch wäre es schon wert.