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Elon Musk greift Wikipedia anZu viel der Fakten

Kommentar von Svenja Bergt

Elon Musk ruft zum Boykott gegen Wikipedia auf, weil das Online-Lexikon zu woke sei. Vermutlich geht es dem Multimilliardär aber um etwas anderes.

Elon Musk, CEO von Tesla und SpaceX, agitiert gegen Wikipedia Foto: Alex Brandon/ap/dpa

W ie bequem wäre es, Elon Musk ließe sich einfach ignorieren: wieder dieser spinnerte Multi­milliardär, der immer irgendeinen Blödsinn via X äußert. Ist aber leider nicht möglich. Denn er verbreitet nicht nur selbst Hass, Hetze und Desinformation – sondern teilt auch entsprechende Inhalte von anderen X-Nutzer:innen oder bevorzugt sie im Algorithmus. Das Ergebnis ist ein enormer Einfluss weit über die Plattform hinaus.

Nun agitiert Musk gegen Wikipedia – gegen das er übrigens nicht zu erstem Mal schießt. Anlässlich des aktuellen Spendenaufrufs der Online-Enzyklopädie fordert er dazu auf, nicht zu spenden, denn sie sei zu „woke“. Dieser Vorwurf ist ungewöhnlich: Wikipedia, längst eine Institution und weltweit unter den Top Ten der am meisten besuchten Websites, steht bisher nicht in Verdacht, außergewöhnlich achtsam verfasst zu sein. Eher gab es in der Vergangenheit Kritik, wenn wieder mal Firmen oder Lob­by­is­t:in­nen etwas zu offensichtlich Zuckerguss über die sie betreffenden Beiträge ausgeschüttet hatten. Auch wurde moniert, dass es tendenziell eine männliche, weiße Community ist, die die Texte schreibt.

Vermutlich geht es Musk um etwas anderes. Er empfindet Wikipedia als lästige Konkurrenz. Denn es enden die Zeiten, in denen Wörterbücher nur erstellt werden konnten, wenn Menschen die Begriffe und das nötige Wissen zusammen trugen. Textgeneratoren mit künstlicher Intelligenz (KI) sind längst überlegen, was Menge und Geschwindigkeit angeht, wenn es auf Fakten nicht so ankommt.

Darüber hinaus lassen sich die Generatoren so bauen, dass sie auch politische Einstellungen transportieren. Ein Wikipedia-Klon in rechts-libertärem Duktus, der geschickt Verschwörungserzählungen unterbringt? Mit KI, zum Beispiel aus dem Hause Musk, wäre das kein Problem. Und: Diese Texte würden, wie viele andere Inhalte im Netz, wiederum als Trainingsdaten für weitere KIs genutzt – und Sprache und Inhalte so weitertragen. Es wäre ein weiterer, subtilerer Kanal, um Hass, Hetze und Desinformation zu verbreiten.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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32 Kommentare

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  • "Elon Musk ruft zum Boykott gegen Wikipedia auf,"



    Ich rufe zum Boykott aller Produkte von Musk auf, wie Telsa, Starlink,..



    Begründung: Musk nutzt sein Vermögen um eine einseitige, nicht demokratisch geprägte rechtslastige Politik zu etablieren. Und da er die Plattform X dazu missbraucht, rufe ich auch zum Boykott dieser auf. Besser noch, verbietet doch diese Plattform wegen Hassverbreitung.

  • "Vermutlich geht es dem Multimilliardär aber um etwas anderes."



    "Ein Wikipedia-Klon in rechts-libertärem Duktus, der geschickt Verschwörungserzählungen unterbringt?"

    Also nur Vermutungen, mit ein bisschen eigener Verschwörungstheorie gepaart und schon wird ein Artikel daraus.



    Mensch taz, Ihr habt doch so etwas nicht nötig. Natürlich ist Musk wahrscheinlich kein lupenreiner Demokrat.



    Aber jede Woche einen Artikel, oder Kommentar, wie Musk die Weltherrschaft an sich reißen will?

  • Nachdem ich diesen Artikel gelesen habe, habe ich endlich nachgegeben und Wikipedia gespendet.

  • Was.würde Musk am meisten stören? Desinteresse an seiner Person! Mal darüber nachgedacht?

  • Im Management- und UB-Sprech gibt es die Kategorisierungs-Floskeln „Must have" und „Nice to have". Als weitere Kategorien schlage ich vor: „Musk have" und „Musk not have". „Musk have" kann ich nirgendwo entdecken.



    (Haben die Imperien des Elon eigentlich schon eigene Geheimdienste? Oder benötigen die keine, da es genug willfährige Armleuchter gibt, die sich andienen und um Besuch des „Herrn" betteln?

  • Auch hier wird es reichlich Dumme geben, die sich vor den Karren eines Schlauen spannen lassen.

    Es ist der gleiche Mechanismus durch den zwei Schäferhunde reichen zwei Duzend Schafe zu dirigieren.

  • Es ist ja nun seit Jahren ein Muster: Rechte schiessen gegen die Wikipedia, weil sie "zu links" oder "woke" sei, Linken hingegen ist sie "zu rechts" und sie gehe nicht mit der Zeit (verwendet die deutsche Wikipedia ja gar noch das generische Maskulinum!); Esoteriker und Alternativmediziner beklagen sich darüber, dass ihre Weltsicht nicht richtig reflektiert würde, deren Kritikern hingegen wird ihnen in der Wikipedia zu viel Raum gegeben... das alles deutet doch darauf hin, dass die Wikipedia vieles richtig macht und tatsächlich einigermassen ihr Grundprinzip eines "neutralen Standpunkts" zu wahren weiss.

  • Mit Musk ist es genauso wie mit Besos oder Zuckerberg u.v.a.. Eine Geschäftsidee wurde von habgierigen Fonds solange mit Geld zugeschüttet bis sie dann am Ende doch noch Geld verdienten. Gier gilft nur eines: großflächiges Verweigern der Produkte oder Dienste dieser Großmäuler. Kein Konto bei X, Hyundai anstatt Tesla, Signal anstatt whatsapp, Fratzenbuch braucht man eh' nicht. Und dass Amazon eigentlich immer zu den etwas teureren Anbietern zählt sollte sich herumgesprochen haben, man kann gut darauf verzichten.



    Es hilft nur die konsequente Verweigerung. Vielleicht sollten es sich einige Influencer zur Aufgabe machen die Dienste derer als altmodisch und out zu stigmatisieren.

  • "Denn er verbreitet nicht nur selbst Hass, Hetze und Desinformation – sondern teilt auch entsprechende Inhalte von anderen X-Nutzer:innen oder bevorzugt sie im Algorithmus. Das Ergebnis ist ein enormer Einfluss weit über die Plattform hinaus." Daher wird es Zeit X zu verlassen und eine Plattform auf der Grundlage einer von der Gesellschaft getragenen Stiftung zu gründen.

    • @Sonnenhaus:

      Na dann mal los.



      Vielleicht haben Sie ja mehr Glück als die, die nach der Übernahme von Twitter durch Musk, "Alternativen"



      entwickelt haben.



      Haben leider alle nicht die Reichweite wie X.

    • @Sonnenhaus:

      Da stimme ich zu! Ich frage mich schon länger, warum Politiker überhaupt noch X benutzen.

    • @Sonnenhaus:

      Ich kann seit Jahren nicht verstehen wie selbst öffentliche Einrichtungen, Ministerien und halbwegs brauchbare Politiker dort aktiv sind.



      Eine solche Plattform darf niemals in privater Hand sein.



      Das gleiche gilt für Facebook und andere Plattformen.



      Lehne ich persönlich komplett ab, bin dort auch nicht aktiv.



      Aber die Mediengeilheit scheint größer zu sein als die Vernunft.

  • schöne neue Welt ... kommt man aus dem Trichter irgendwie wieder raus? Hat schon wer Zugang zu einem parallel Universum entdeckt? Es muss doch eine Möglichkeit geben, dem Schicksal, welches uns bevorsteht, irgendwie zu entfliehen

  • Meiner Sicht nach sind zwei Kernpunkte nicht so eindeutig wie im Kommentar beschrieben.



    - Es gibt durchaus Diskussionen über die Spendenaufrufe auf Wikipedia. Hauptsächlich das diese eine viel höhere Dringlichkeit vermitteln als es Beispielweise im Finanzreport der Wikimedia Foundation durch die KPMG belegt wird.



    - Durchaus gibt es in Artikeln zu polarisierenden Themen umgangssprachlich genannte "Edit wars". Ohne nun mit Links zu einzelnen Artikeln herumzuwerfen ist eine Prüfung einer Artikelhistorie durchaus zu empfehlen. Auch gab es in Wikipedias Editor Hierarchie durchaus schon Kontroversen um einzelne Amtsträger.

    Wikipedia ist zwar ein Tool von unschätzbarem Wert, aber meine Lehrer hatten schon nicht unrecht Wikipedia nicht als einzige Quelle gelten zu lassen.

    • @Stubenhocker1337:

      Meine Erfahrung als Wikipedia-"Veteran":

      1. die deutsche ist problematischer bei den genannten Punkten als die englische. Zwar hat die deutsche Wikipedia weitaus weniger rudimentäre Artikelchen, aber dafür auch eine Userbase mit weitaus stärkerer Cliquenbildung. Beim Thema Studentenverbindungen gibt es da ein regelrechtes Kartell. Auf der englischen sind es hingegen eher "Einzeltäter*innen", die selten sonderlich weit mit ihrer Manipulation kommen. (Man kann auch immer mal auf die Diskussionsseite von fragwürdigen Artikeln schauen - es lohnt sich!)

      2. "meine Lehrer hatten schon nicht unrecht Wikipedia nicht als einzige Quelle gelten zu lassen."

      Völlig! Wikipedia als Quelle zitieren geht OK bei trivialen Daten (wieviele Quadratkilometer ist die BRD groß?)



      Ansonsten bediene man sich aber der Quellen, die - und deswegen ist Wikipedia das, was sie ist - reichlich geliefert werden sollten. Wikipedia ist konventionellen Allgemeinlexika überlegen, weil Wikipedia Belege verlangt und auch zitiert. Das führt zu einer Nachvollziehbarkeit der gegebenen Informationen, die unvergleichlich ist. Und je früher Schüler*innen saubere Quellenarbeit lernen, desto besser!

  • Und die taz ist immer noch auf X. Warum?

    • @Axel Stolzenwaldt:

      Sehr gute Frage.

    • @Axel Stolzenwaldt:

      Warum geben auch linke, grüne Politiker der Bild ein Interview?

    • @Axel Stolzenwaldt:

      Eine gute Frage. Ich nutze diese sog. sozialen Medien bewusst nicht, vermute allerdings, dass viele Linke meinen, das Feld dort nicht den Faschisten und Spinnern zu überlassen. Ich finde die Idee nur so halbgut, denn eine abnehmende Radikalisierung oder Mäßigung und Abnahme des rechten Mobs findet ja wohl nicht statt und ob man seine Zeit dort investieren um sich selbst zu versichern und vom Mob abzugrenzen halte ich nicht für so schlau.

  • 1. Obszön reich.



    2. Aber ein armer Arsch.



    Wer allerdings meint, man müsse sich immer auf X präsentieren, ist einer unter Nr. 2.

    • @LeKikerikrit:

      E. Musk.



      Oder:



      Die Sau suhlt sich in ihrem Blut.

  • Keep em coming!

    Durch die Berichterstattung liegen nunmehr reichlich Quellen vor, um das Ganze in Wikipedia zu dokumentieren.

    So wie bei Assad, Putin, usw, wird auch im Fall Musk kein Mensch am Ende behaupten können, von nichts etwas gewusst zu haben.

    "Ein Wikipedia-Klon in rechts-libertärem Duktus, der geschickt Verschwörungserzählungen unterbringt? Mit KI, zum Beispiel aus dem Hause Musk, wäre das kein Problem."

    Das geht schon jetzt (rationalwiki.org/wiki/TruthWiki rationalwiki.org/wiki/Conservapedia rationalwiki.org/wiki/Metapedia rationalwiki.org/wiki/WikiIslam rationalwiki.org/wiki/CreationWiki), aber wegen des zwangsläufig gescholssenen/autokratischen Ansatzes kann keine KI der Welt dafür sorgen, dass solche Projekte nicht in ihrer Nische versumpfen wie rationalwiki.org/wiki/Knowino oder rationalwiki.org/wiki/Citizendium.

    Wikipedia ist, was sie ist, nicht allein dadurch, dass "jede*r ohne großen Aufwand mitmachen kann", sondern dass das "Mitmachen" auch im Proofreading und Copyediting besteht: eine KI kann Content anhäufen, aber redigieren müssen ihn Menschen.

  • Wie ist das eigentlich mit seinen Autos, filmen die immer noch ungefragt ihre Umgebung, wenn sie geparkt sind und speichern die Daten?

    • @Axel Schäfer:

      Hat jetzt was mit X zu tun?



      Außerdem ist es Aufgabe des Staates so etwas zu verbieten.



      Denn was in anderen Ländern erlaubt ist, die Autos werden nicht nur in Deutschland verkauft, kann hier, wenn der Wille da ist, sofort vom Staat unterbunden werden.



      Verboten ist es schon jetzt.

    • @Axel Schäfer:

      Ja, aber nur in direkter Nähe des Autos und wenn der Fahrer das explizit aktiviert.

  • Zu viel der Fakten?



    ---



    Kl. Brockhaus Ausgabe 1936_



    "Einstein, Albert, Jude. Erfinder der sogenannten Relativitäts-Theorie(1915) ! Eine wirre Hypothese in der der Physik, die arische Wissenschaftler schon lange widerlegt haben!..."

    Ob sich "Geschichte" doch wiederholt & bein 2. MAL nicht nur als FARCE?

  • "Und: Diese Texte würden, wie viele andere Inhalte im Netz, wiederum als Trainingsdaten für weitere KIs genutzt – und Sprache und Inhalte so weitertragen."



    Also dass ist nun wirklich keine Erfindung der sogenannten KI. Auf den (Nürnberger) Trichter sind was weiß ich wie viele Youtuber/Influenzer schon gekommen. Einer schreibt vom andern ab, gibt seinen unterirdischen Senf dazu und verkaufts als ...



    Es wird nicht besser, nicht wahrer, es ist am Schluss nur noch Müll.

  • Wer Transparenz ablehnt, lehnt auch Wikipedia ab. So einfach ist das.

    • @Ulrich Haussmann:

      Einverstanden.



      Die Konsequenz aus dieser Sichtweise könnte sein, das fediversum - u.a. wikipedia - zu unterstützen.

    • @Ulrich Haussmann:

      Das Großkapitalisten den freien Zugang zu Informationen ablehnen ist ja nun wirklich keine neue Entwicklung.

      Ein weiteres gigantisches Einnahmefeld zu haben, auf dem sich mit vorhandenen Mitteln weitere Multiplikatoren für leistungsloses Einkommen erwerben lassen, ist doch auch einfach zu verlockend.

      • @spaltarsch:

        Nur Großkapitalisten?



        Vergessen Sie da nicht viele Politiker,



        politische Systeme? China, Russland, Nord-Korea, Iran etc.. Früher DDR und Co.



        Die haben mehr Angst davor das die Bürger an alle Informationen rankommen als Ihre Großkapitalisten.