Einbürgerung nach fünf Jahren: Im deutschen Interesse

Mit der Kritik der Union an einer schnelleren Einbürgerung von Aus­län­de­r*in­nen schadet sie deutschen Wirtschaftsinteressen. Und auch sich selbst.

Eine Hand hält einen deutschen Reisepass

Einbürgerung nutzt nicht nur der Gesellschaft, sondern auch der Wirtschaft Foto: dpa

Die Niederlande sind nicht untergegangen, Frankreich ist nicht von der Landkarte verschwunden. Und auch Italien oder Belgien stehen noch. In diesen und weiteren europäischen Staaten ist eine Einbürgerung nach einem Mindestaufenthalt von vier oder fünf Jahren möglich. Wenn die Bundesrepublik ihr Einbürgerungsrecht nun reformiert und Ausländern nach fünf statt bisher acht Jahren die Möglichkeit anbietet, die deutsche Staatsangehörigkeit zu erhalten, dann entspricht das längst europäischen Standards. Deutschland ist da eher Nachzügler. Der Plan ist weder sensationell noch aufregend. Sollte man jedenfalls meinen.

Doch was macht die Union? CSU-Landesgruppenchef Alexander Do­brindt spricht vom „Verramschen“ der deutschen Staatsbürgerschaft. CDU-Innenexperte Stefan Heck warnt vor einer „inflationären Vergabe deutscher Pässe“, die enormen sozialen Sprengstoff berge. Die Union fällt damit in alte Deutungsmuster aus den seligen Tagen von Roland Koch anno 1999 zurück: Zu viel Einbürgerung, so suggeriert sie, ist staatsgefährdend.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Die Industriestaaten wetteifern um gut ausgebildete Zuzügler. Zu diesem Wettbewerb zählen mehr Rechte, einschließlich doppelter Staatsangehörigkeit und eine schnellere Einbürgerung. Auch die Wirtschaftsverbände drängen. Bei der Einbürgerung handelt es sich also nicht um eine „gute Tat“, sondern darum, das Land attraktiver zu machen. Da wirken die Reflexe der Union nicht nur wie von vorgestern – sie sind es auch.

Und die Konservativen schaden sich damit selbst. Denn auch bereits eingebürgerte Migranten wählen CDU/CSU, zwar weniger als andere Deutsche, aber in steigendem Maße. Sie und ihre noch ausländischen Verwandten und Freunde stößt die Union von sich weg. Stattdessen konzentriert sie sich auf die konservative Kernklientel, einschließlich einiger AfD-Anhänger. Bloß keine Experimente, die diese verschrecken könnten. Mit so etwas mag man im Bierzelt glänzen. Aber nicht bei Wahlen in einem Land, das händeringend nach Arbeitskräften sucht.

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Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024

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