Debatte über Einbürgerung im Bundestag: „Kein Verramschen, kein Pullfaktor“

Die Ampel verteidigt im Bundestag ihre Pläne für eine leichtere Einbürgerung. Union ruft Kri­ti­ke­r:in­nen aus den eigenen Reihen zur Mäßigung auf.

Ministerpräsident Boris Rhein

Plädiert für „mehr Rücksicht“: der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) Foto: Rainer Unkel/imago

BERLIN taz | Die Ampel-Koalition hat ihre Pläne, Einbürgerungen zu erleichtern, verteidigt. „Einbürgern, das ist kein Gnadenakt, kein Verramschen, kein Pullfaktor“, sagte Integrationsstaatsministerin Reem Alabali-Radovan (SPD) am Donnerstag während einer Aktuellen Stunde im Bundestag. „Einbürgern, das ist das gute Recht von Menschen, die sich hier einbringen.“ Wer viele Jahre in Deutschland lebe, solle „neben allen Pflichten auch alle Rechte“ haben. „Die Demokratie lebt von der Möglichkeit, mitzubestimmen, zu wählen und gewählt zu werden.“ Es sei nicht gut, wenn Einwohnerschaft und Wahlvolk immer weiter auseinanderfallen.“

Angemeldet hatte die Aktuelle Stunde die Union, die die Pläne der Bundesregierung in den vergangenen Tagen scharf kritisiert hat. Und dabei mitunter tief in die populistische Mottenkiste griff. So hatte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt geäußert, durch die Reform werde die deutsche Staatsbürgerschaft „verramscht“. Innenpolitiker Alexander Throm (CDU) hatte erklärt, die Ampel behandle die Staatsbürgerschaft als „Billigware wie beim Black Friday“.

Am Donnerstag nun erklärte die Innenpolitikerin Andrea Lindholz (CSU), die Union freue sich grundsätzlich, wenn gut integrierte Mi­gran­t*in­nen Deutsche werden wollten. Verkürzte Fristen oder die doppelte Staatsbürgerschaft als Regelfall aber lehne sie ab. Dies werde den „gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht stärken sondern schwächen“, sagte Lindholz, und verwies auf mögliche Loyalitätskonflikte.

„Ist es nicht besser, wenn Staatsbürger aus autokratisch regierten Staaten ihre Staatsbürgerschaft aufgeben und sich damit auch ganz klar für unser demokratisches System entscheiden müssen?“ Kein Problem hat Lindholz aber mit der schon jetzt bestehenden Ausnahme für EU-Bürger*innen. Denn: mit diesen teile Deutschland immerhin „eine gemeinsame Werte- und Rechtsordnung“.

Rhein: Man müsse sorgsamer formulieren

In der Zwischenzeit rufen allerdings erste Unionspolitiker die eigenen Leute zur Mäßigung auf. So warnte der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), man müsse „mit Rücksicht auf Menschen, die sich hier integriert haben, die Wurzeln geschlagen haben, die dieses Land bereichert haben, sorgsamer formulieren“. Er verstehe, „wenn sich jemand, der sich voll integriert und die Staatsbürgerschaft erlangt hat, durch den Begriff ‚verramscht‘ beleidigt und verunglimpft fühlt“, sagte Rhein den Zeitungen der Mediengruppe Bayern.

Im Koalitionsvertrag der Ampel heißt es: „Wir schaffen ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht. Dafür werden wir die Mehrfachstaatsangehörigkeit ermöglichen und den Weg zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit vereinfachen.“ Konkret sollen Einbürgerungen künftig schon nach fünf statt nach acht Jahren möglich sein, bei besonderen Integrationsleistungen sogar nach drei Jahren.

Mit Blick auf die Generation der ehemaligen Gast­ar­bei­te­r*in­nen soll es zudem Erleichterungen für Menschen ab 67 Jahren geben: Für sie entfällt der Einbürgerungstest, außerdem soll es für den Sprachnachweis reichen, wenn sie sich mündlich im Alltag verständigen können. Obwohl das Vorhaben bis ins Detail im Koalitionsvertrag geregelt ist, kracht es auch innerhalb der Koalition – mal wieder. Am Donnerstag erklärte Konstantin Kuhle (FDP), innenpolitischer Sprecher seiner Fraktion, es wäre „verfehlt, das Thema Einwanderung bereits jetzt mit dem Thema Einbürgerung zu vermengen“.

FDP macht weiter Stress

Am Mittwoch hatte das Kabinett die Eckpunkte eines neuen Fachkräfteeinwanderungsprojekts beschlossen – ein Vorhaben, das für die Liberalen zentral ist. Wenn man aber in der Gesellschaft die Akzeptanz für Migration dauerhaft erhalten wolle, dann müsse diese „geordnet und regelbasiert“ erfolgen.

Kuhle spielte damit auf Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag an, die aus FDP-Feder mitverantwortet und bisher noch nicht umgesetzt sind. Dazu zählt die „Rückführungsoffensive“ für abgelehnte Asylsuchende oder der Migrationsbeauftragte, der aus Sicht der Liberalen vor allem für eben diese Rückführungen zuständig sein soll. „Hier muss mehr passieren“, sagte der Kuhle in Richtung der Bundesregierung.

Inhaltlich hat die FDP an der geplanten Reform des Staatsangehörigkeitsrechts nur Kleinigkeiten auszusetzen. Das ist auch nicht verwunderlich, immerhin hatte die Partei die Pläne sogar im eigenen Wahlprogramm. Und so stellte Kuhle am Schluss klar, dass die Liberalen auf jeden Fall für die Reform stehen: Er finde es „würdelos“, dass Menschen, die in dritter Generation in Deutschland lebten und Steuern zahlten noch immer keine deutschen Staatsbürger seien. „Das werden wir ändern.“

Berichtigung: Das Zitat „Billigware wie beim Black Friday“ wurde in einer ersten Fassung irrtümlich dem CDU-Innenpolitiker Stefan Heck zugeordnet. Tatsächlich stammt es von seinem Kollegen Alexander Throm. Wir haben den Fehler inzwischen korrigiert.

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