Dobrindt lässt Migranten zurückweisen: Die Ignoranz der Lehre vom 8. Mai
Zum Jahrestag des Kriegsendes verkündet der neue Innenminister die Verschärfung der Migrationsabweisung. Er tritt die Lehren des 8. Mai 1945 mit Füßen.

P ünktlich zum 80. Jahrestag des Kriegsendes fährt Alexander Dobrindt ganz großes Karo auf. Der frisch inthronierte Innenminister von der CSU schickt die Truppen des Bundesgrenzschutzes an die Grenze zu Polen und verkündet: Ab heute wird zurückgewiesen. Okay, wörtlich hat er das nicht gesagt. Aber inhaltlich umgesetzt wird es schon. Deutschland macht dicht, lässt keinen mehr rein, selbst wenn er oder sie ein Recht auf Asyl hat. Und damit ihn auch keine missversteht, ob der Größe seines Feldzugs gegen die Migration, verkündet Dobrindt auch noch, das Ganze sei „ein Signal an die Welt“.
Deutschland, Deutschland, gute Nacht.
Ach, was wäre es doch schön, wenn man diesen Wahnsinn als das typische Vorpreschen eines CSU-Hardliners lesen könnte. Aber nein. Dirk Wiese, der Parlamentarische Geschäftsführer der neuen SPD-Bundestagsfraktion, lässt gleich beim Morgenappell verkünden, dass die Sozialdemokraten geschlossen hinter Dobrindt stünden. Sogar der linke Flügel seiner Partei ziehe mit. Die Reihen fest …
Viele der sich hier Äußernden nehmen am Donnerstag an den Gedenkfeiern zum Kriegsende teil. Sie summen beherzt Nie- Wieder-Lieder und schwärmen vom Tag der Befreiung. Es ist zum … ja, man möchte schreien.

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Denn der 8. Mai 1945 steht ja nicht nur für das Ende des Nationalsozialismus. Er steht auch für die Lehren, die aus der Zeit des Krieges und der Schoah gezogen wurden. Eine davon war das Recht auf Asyl, das 1949 an prominenter Stelle ins Grundgesetz gemeißelt wurde. Leider ist es nicht so, dass diese Politik gewordene Mahnung von den nachfolgenden Generationen besonders hoch gehalten wurde. Spätestens mit der zynisch „Asylkompromiss“ genannten faktischen Abschaffung 1993, ist sie eher zum Symbol von Geschichtsvergessenheit geworden.
Der scharfe Start der kleinen Groko aber lässt sich mit Geschichtsvergessenheit nicht mehr erklären. So doof, dass die Verantwortlichen nicht wüssten, wofür der 8. Mai steht, sind sie nämlich nicht. Es handelt sich folglich um aktive Geschichtsignoranz, die sich – was es wahrlich nicht besser macht – immer gern antreiben lässt von der Hetze der neuerdings sogar staatlich geprüft rechtsextremen AfD.
Und das soll die Lehre der Deutschen sein zum 8. Mai? Man kann sich am heutigen Gedenktag nur beschämt abwenden. Und an allen darauf folgenden Tagen auch.
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