Ditib-Moscheegemeinden in der Kritik: Beten für die Invasion

In deutschen Moscheen wird für den Sieg der türkischen Armee in Nordsyrien gebetet. Muss diese Mobilisierung unterbunden werden?

Ein Meer aus kurdischen Flaggen auf einer Demo

Hamburg: Protest gegen den Einmarsch türkischer Truppen in die syrischen Kurdengebiete Foto: dpa

Nach dem Einmarsch des türkischen Militärs in die kurdischen Gebiete Syriens wird in deutschen Moscheen für den Erfolg des Krieges gebetet. „O Allah, führe unsere glorreiche Armee zum Sieg“, hieß es etwa in einem Gebet in einer Ditib-Moscheegemeinde in Herne. Das berichtete der Kölner Stadt-Anzeiger am Samstag mit Bezug auf eine Tonaufzeichnung aus der Moschee. In dem Gebet wurde auf die 48. Sure des Korans, die sogenannte Sieges-Sure, Bezug genommen.

Ditib, die eigentlich Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion heißt, ist eine der größten islamischen Organisationen in Deutschland. Über 900 einzelne Vereine, meist Moscheegemeinden wie die in Herne, sind in Ditib organisiert. Der Verband ist direkt der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet unterstellt. Dessen Chef Ali Erbas richtete das Gebet an „den Herrn, unser ruhmreiches Heer immer mit Seiner Macht und Kraft siegreich zu machen“.

Auch die Gläubigen wurden aufgerufen, am Morgen für den Erfolg der türkischen Armee zu beten, die von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan in Marsch gesetzt wurde, um gegen die bislang mit den USA verbündete kurdische YPG zu kämpfen. Ayse Aydin, Sprecherin des Ditib Bundesverbandes, dementierte gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger, dass in Ditib-Moscheen für die türkischen Streitkräfte die „Sieges-Sure“ rezitiert wurde. Solche Gebete habe es bei der Ditib nicht gegeben, sagte Aydin.

Der taz liegen Belege vor, dass das nicht stimmt. In mehreren Posts in den sozialen Netzwerken von Ditib-Moscheegemeinden oder ihrer Vertreter wurde zu Gebeten zur türkischen Militäroffensive in Syrien eingeladen, schon in der Einladung wurde explizit auf die „Sieges-Sure“ verwiesen. So etwa in der Stadt Kirn in Rheinland-Pfalz.

Kein Einzelfall

In der Sure geht es um den Sieg von Mohammeds Armee. Den Feinden, „Heuchler und Heuchlerinnen und die Götzendiener und Götzendienerinnen“, solle Allah die Hölle bereiten.

Auf seinem Blog „Public Muslim“ berichtet Akif Sahin, dass er selbst ein solches Gebet in einer Moschee in Hamburg gehört habe. Tatsächlich sei der Vorfall in Herne „bei näherer Betrachtung kein Ausrutscher oder Einzelfall“.

Es gibt Hinweise darauf, dass diese Moscheen nicht eigenständig agieren. Auf der Webseite der Religionsbehörde Diyanet, der Ditib unterstellt ist, findet sich eine Predigt in deutscher Sprache. Darin heißt es: „Helfe unserer heldenhaften Armee, die einen Feldzug gestartet haben, für die Sicherheit unseres Landes, das Wohl unserer Nation, den Frieden und die Rettung unserer Region!“ Und: „Mache uns siegreich mit Deiner Kraft und Macht auf diesem Weg, auf den wir uns zur Beseitigung des Terrorismus und der Hetze begeben haben!“

Imame von Diyanet sind nicht nur bei Ditib beschäftigt, sondern auch bei der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), dem größten Mitgliedsverband im Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland. Auch bei dem Dachverband türkisch-islamischer Kulturvereine Atib, über den die Bundeszentrale für politische Bildung sagt, in ihm würden sich rechtsextreme „Graue Wölfe“ organisieren, sind Diyanet-Imame tätig.

Propagandaagenten des Türkischen Staates

Auch in Freitagspredigt von Millî Görüş wurde für den Sieg der türkischen Truppen gebetet. Das geht aus der auf der Webseite der Organisation veröffentlichten Predigt hervor. Dort heißt es in deutscher Sprache: „Möge die im Norden Syriens durchgeführte Operation ‚Friedensquelle‘ Land und Volk Gutes sowie Frieden in die Region bringen.“ In der Regel laden Imame von Millî Görüş die Predigten aus dem Internet herunter und rezitieren sie dann in ihrer Freitagspredigt, weiß Akif Sahin zu berichten. Eine entsprechende Weisung gebe es schon seit Jahren.

Volker Beck, Lehrbeauftragter des Centrums für Religionswissenschaftliche Studien (Ceres) der Ruhr‐Universität Bochum, sagte der taz: „Die Türkei führt einen völkerrechtswidrigen Krieg und die Diyanet, die Religionsbehörde in Ankara, lassen über ihre türkisch-islamischen Verbände auf deutschen Boden für den Sieg der türkischen Armee beten. Die Ditib, die IGMG und Teile des Zentralrats der Muslime erweisen sich als Propagandaagenten des türkischen Staates.“

Tatsächlich scheint es so zu sein, als ob die Türkei über die lang etablierten religiösen Strukturen in Deutschland, die unter der Kontrolle Ankaras stehen, die türkische Diaspora für ihren Syrienfeldzug gegen die kurdischen Gebiete mobilisieren wolle. Es stellt sich die Frage, warum die Bundesregierung die Organisationen gewähren lässt, ihnen teilweise Gemeinnützigkeit zugesteht und sie immer wieder als Gesprächspartner hofiert.

Die Journalistin und taz-Kolumnistin Ronya Othmann, die einen offenen Brief gegen die türkische Militäroffensive initiiert hat, fordert ein Verbot von Ditib. „Ditib untersteht der türkischen Religionsbehörde Diyanet. Und Diyanet untersteht Erdoğan“, schrieb sie auf Twitter.

Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Version dieses Textes hieß es, dass die Ditib-Gemeinde in Forbach, Baden-Württemberg zu einem Gebet mit Sieges-Sure eingeladen hatte. Das ist falsch, es handelte sich um die Ditib Gemeinde in Forbach, Frankreich. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.

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