Dietmar Hopp und die Moral: Ein Sohn einer Frau rettet die Welt
Der Hoffenheimer Mäzen besitzt eine Firma, die an einem Impfstoff gegen Covid19 arbeitet. Warum man dennoch gegen ihn protestieren kann.
E s ist so schön ruhig geworden in deutschen Stadien. Wenn der Ball ruht, dann ist auch für die Hassfolklore im Stadion kein Platz. Kein Spieler wird Arschloch genannt, Schalker sind nicht mehr asozial und weil kein Schiedsrichter mehr vor einer Arena parkt, behauptet keiner mehr zu wissen, wo dessen Auto steht. Keine zwei Wochen nach den letzten Beinahe-Spielabbrüchen hätte man fast schon vergessen, dass die Bundesliga bis eben noch tief in der Affäre Hurensohn verstrickt war. Bis zum Sonntagabend war Ruhe im Karton. Vorbei.
Da verbreitete die TSG Hoffenheim über ihren hochoffiziellen Twitteraccount ein Zitat ihres Eigentümers, einen Satz von Dietmar Hopp, jenes Mannes, der von Diskriminierung spricht, wenn er aus den Kurven als Hurensohn besungen wird. “Wenn es uns hoffentlich bald gelingt, einen wirksamen Impfstoff gegen das Coronavirus zu entwickeln, soll dieser Menschen nicht nur regional sondern solidarisch auf der ganzen Welt erreichen, schützen und helfen können.“ Der Huresohn als Weltretter. Der Fußball schreibt irre Geschichten, selbst wenn er gar nicht rollt.
Tatsächlich ist Dietmar Hopp Mehrheitsgesellschafter einer Tübinger Firma namens CureVac, die an der Entwicklung von Impfstoffen auch gegen das grassierende Coronavirus arbeitet. In die Schlagzeilen war das mittelständische Unternehmen gekommen, nachdem bekannt geworden war, dass US-Präsident Donald Trump die Aktiengesellschaft für eine Milliardensumme erwerben wollte, um seine Amerikaner exklusiv vor dem Virus schützen zu können. CureVac und der heilige Hopp von Hoffenheim wiesen das Angebot zurück. Und Hopps Fußballklub zwitscherte das umgehend in die kritische Fanwelt hinaus.
Was der Klub der Welt und vor allem den kritischen Ultras des Landes damit sagen möchte, ist nicht schwer zu erraten. Es ist eine unmissverständliche Aufforderung, die da lautet: Lasst ihr unseren lieben Milliardär jetzt bitte mal in Ruhe! Am liebsten würde der Klub den ganzen nervigen Fanprotest mit dieser Moralkeule ins Jenseits befördern. Es wird ihnen kaum gelingen.
Als Wohltäter bekannt
Die Fans, die Hopp ins textile Fadenkreuz genommen haben, wissen doch längst, dass der Milliardär aus dem Kraichgau ein Wohltäter ist, dass er über seine Stiftung Einrichtungen der Gesundheitspflege Millionen zukommen hat lassen, dass er ein braver Steuerzahler ist und auch sonst kein schlechter Mensch. Nun wissen sie auch, dass er mit den Investments, die er mit seinem Privatvermögen tätigt, der Menschheit eventuell einen großen Dienst erweisen kann.
Soll deshalb die Kritik aus den Kurven im Sinn des Herrn Hopp verstummen? Sollen die Fans ihr Unbehagen Kollektivstrafen gegenüber, die auf Bestellung Hopps beim DFB ausgesprochen werden, runterschlucken? Darf ein Ultra nicht mehr gegen das anschreien, was gemeinhin “der moderne Fußball“ genannt wird und was sich mit der den Regeln widersrpechenden Legalisierung des Investorenmodells bei der TSG Hoffenheim Bahn gebrochen hat? Oder ist es nicht vielmehr so, dass das eine mit dem anderen recht wenig zu tun hat?
Die Moralkeule der TSG schwingt in diesen Zeiten übrigens auch deshalb ins Leere, weil hoppkritische Fanorganisationen wie die “Südkurve München“ oder der Fachverband “Unsere Kurve“ sich schon für einen Stopp des Spielbetriebs eingesetzt haben, als die Liga in Sorge vor ausbleibenden TV-Einnahmen den Spielbetrieb noch unbedingt aufrechterhalten wollte. Und bei allem berechtigten Wohlwollen Dietmar Hopp gegenüber sollte nicht vergessen werden, wie viel Solidarität für die von der Covid-19-Seuche besonders betroffenen Gegenden aus den Fanszenen kommt. So haben die Mitglieder von “Commando Cannstadt“ einen Spendenaufruf weiterverbreitet und selbst Geld für ein Krankenhaus im italienischen Cesena gesammelt, weil da ein befreundeter Fanklub beheimatet ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Vorschläge für bessere Schulen
Mehr Führerschein wagen