Dreistufenplan des DFB: Fußballs Elitenproblem
In der Bundesliga gab es Maßnahmen, die gegen Rassismus wirken sollten. Über Nacht wurde aus ihnen praktische Solidarität mit einem Milliardär.
E s reicht. Irgendwann ist es genug. Der Fußball ist in einer Art kaputt, dass er so moralisch fragwürdige Gestalten wie Karl-Heinz Rummenigge mit einem derartigen Renommée ausstattet. Und dazu überdrehte Sky-Reporter zutage fördert, die sich nichts Geileres vorstellen können, als einmal am Hinterreifen des Autos eines Bayern-Angestellten zu lecken. Man wird ihnen sagen müssen, was sie sind: Zerstörer einer öffentlichen Kultur, Manipulateure, machtgeile Bratzen.
Dieses Kabinettstückchen, das er da aufgeführt hat, war das Allerletzte. Wir rekapitulieren kurz, es fühlt sich ja an, als sei es Monate her; und eigentlich haben auch alle ganz andere Sorgen. Trotzdem sind so autoritäre Moves von so Sonnenvorsitzenden wie Rummenigge von Interesse. Diese Zeiten, der Lockdown der Bundesliga, haben ihm nämlich einen wichtigen Vorteil genommen: das Momentum.
Akt 1: Der DFB erweitert seinen Dreistufenplan. Er weist die Schiedsrichter*innen an, das zu beachten und auch bei „eindeutig personifizierten Bannern anzuwenden. Es ist eine Lex Hopp, vor dem Duell Bayern gegen Hoffenheim.
Akt 2: In diesem Spiel werden dann „personifizierte Banner“ gezeigt, das Spiel wird unterbrochen, und als es danach noch mal zu Zwischenfällen kommt, beschließen die Spieler, nicht weiterzuspielen. Da steht es 6:0 für die Bayern. Auf Sky hat irgendein Claqueur noch ewig lang Zeit, sich über „die Chaoten“, die das Spiel kaputt machen, zu erregen. Währenddessen sieht man auf der Tribüne Karl-Heinz Rummenigge, wie er sich demonstrativ neben Dietmar Hopp stellt und immer wieder den Arm um ihn legt. Hinterher wird er sagen, er sei tief betroffen gewesen. Angesehen hat man ihm das nicht: Er lachte, feixte, freute sich, grinste selbstzufrieden. So sieht kein Mann aus, der betroffen ist. So sieht einer aus, dessen Plan aufgeht.
Akt 3: Der Plan ist die Entmachtung der Fans, es geht darum, eine investorenfreundlichere Atmosphäre zu schaffen. Auch zu Corona hat Karl-Heinz Rumenigge in erster Linie gesagt, er sei dafür, den übernächsten Spieltag abzuhalten, obwohl da längst klar war, dass das verheerend sein könnte: Schließlich gehe es am Ende des Tages ja doch um Finanzen. Das geht natürlich vor, das müssen vulnerable Menschen schon einsehen; schließlich wachsen die Designeruhren ja nicht auf Bäumen.
Eigentlich war der Dreistufenplan gegen Diskriminierung und Rassismus entworfen. Aber natürlich bekommt es eine Riege alter weißer reicher Männer hin, einen solidarisch gedachten Akt für ihre Belange umzudeuten. Und kriegt dann noch Applaus von ihren subalternen Pappnasen wie Thomas Müller, die einen Aufschrei veranstalten, als hätten sie gerade eigenhändig Auschwitz befreit. Ebenjener Müller, der sagte, in der Nationalmannschaft gebe es keinen Rassismus und der zu Hanau genau nichts sagt. Man muss schon alt, reich, weiß und ein Mann sein, um hierzulande Solidarität zu bekommen.
Diese Männer haben ein Instrument gegen Rassismus zu einer Farce gemacht. Sie werden ihrer Verantwortung nicht gerecht. Es gibt ein Elitenproblem, vor allem im Fußball. Tribune wie Karl-Heinz Rummenigge verlangt es natürlich auch nach Liebe und Anerkennung. Nichts davon hat er verdient.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus