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Deutschland gegen Lukaschenko-ForderungKeine Aufnahme von Migranten

Belarus' Machthaber Alexander Lukaschenko fordert Deutschland auf, 2.000 Geflüchtete aufzunehmen. Dort lehnt man ab: Der Vorschlag sei nicht akzeptabel.

Geflüchtete schlafen in einem Logistikzentrum bei Grodno an der Grenze zwischen Belarus und Polen Foto: Maxim Guchek/BeITA via ap

BERLIN rtr/afp | Deutschland lehnt die Aufnahme von 2.000 Migranten aus Belarus ab. Ein entsprechender Vorschlag des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko sei für die Bundesrepublik und die Europäische Union (EU) nicht akzeptabel, sagte ein Regierungssprecher am Montag in Berlin. Lukaschenko hatte zuvor die EU aufgefordert, sich zu seinem Vorschlag zu äußern. Er sprach davon, dass die Flüchtlinge von Deutschland aufgenommen werden sollten.

Zugleich betonte er, keine Eskalation zu wollen. „Wir müssen zu den Polen durchdringen, zu jedem Polen, und ihnen zeigen, dass wir keine Barbaren sind, dass wir keine Konfrontation wollen“, sagte er der staatlichen Nachrichtenagentur Belta zufolge. „Wir brauchen das nicht. Weil wir wissen, dass Krieg unvermeidbar ist, wenn wir zu weit gehen. Und das wird eine Katastrophe sein.“

Polen hatte damit gedroht, einen Eisenbahnübergang zwischen den beiden Ländern zu schließen, sollte sich die Lage an der Grenze nicht entspannen. Lukaschenko warnte vor diesem Schritt und sagte, der Zugverkehr könnte dann durch das Konfliktgebiet im Osten der Ukraine umgeleitet werden.

Geflüchtete hängen in Kälte an der Grenze fest

Belarus hatte zuletzt angesichts der Notlage an der Grenze zu Polen vorgeschlagen, 5.000 Menschen in ihre Heimatländer zurückzuschicken, sollte die EU 2.000 Migranten aufnehmen. Die Regierung in Minsk bereite einen zweiten Flug vor, mit dem Ende des Monats Migranten in ihre Heimat gebracht werden sollten, sagte Lukaschenko. Vergangene Woche waren mehr als 400 Iraker zurückgeflogen worden.

Im belarussisch-polnischen Grenzgebiet sitzen derzeit Tausende Menschen vor allem aus dem Nahen Osten bei Temperaturen um den Gefrierpunkt fest. Etwa 2.000 wurden von den belarussischen Behörden in einem Logistikzentrum in der Nähe der Grenze untergebracht.

Lukaschenko wies den Vorwurf der Schleusung am Montag erneut zurück. Im Gegenzug warf er der EU Wortbruch vor. „Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mir versprochen, dass sie dieses Problem auf EU-Ebene prüfen werde“, sagte der belarussische Präsident, der in der vergangenen Woche zweimal mit Merkel telefoniert hatte. „Aber sie tun es nicht.“ Mit Blick auf die 2.000 Flüchtlinge in der Lagerhalle sagte Lukaschenko laut Belta: „Wir müssen von den Deutschen fordern, dass sie sie aufnehmen.“

„Entsetzliche humanitäre Situation“

In der vergangenen Woche hatte die belarussische Führung unter Verweis auf Merkel von einem „humanitären Korridor nach Deutschland“ gesprochen. Seibert sagte nun, Merkel habe mit Lukaschenko telefoniert, „weil es eine entsetzliche humanitäre Situation entlang der belarussisch-polnischen Grenze“ gebe. „Und weil natürlich immer der Versuch gemacht werden muss, im Interesse der Menschen, die dort in sehr, sehr schwierigen Umständen ausharren, Lösungen zu finden.“

Unterdessen bringen belarussische Soldaten nach polnischen Angaben aber weiterhin Flüchtlinge an die Grenze. Eine Gruppe von 150 Menschen habe am Sonntag versucht, den Grenzzaun in der Nähe des Dorfes Dubicze Cerkiewne zu überwinden, teilten die polnischen Grenztruppen mit. Die EU und die Nato werfen Lukaschenko vor, als Vergeltung für Sanktionen Migranten etwa aus dem Irak und aus Afghanistan in die Europäische Union einschleusen zu wollen, um die EU zu destabilisieren.

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29 Kommentare

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  • Echt jetzt? 2000 Menschen vor einem sicheren Tod oder Elend zu retten dürfte doch wohl kein Problem sein.

  • Bei jeder Geiselnahme in einem funktionierenden demokratischen Rechtsstaat gilt als oberste Prämisse: das Leben der Geiseln retten, anschließend den Geiselnehmer zur Verantwortung ziehen. Warum lässt man die Geiseln hier sterben? Antwort: Es sind keine Menschen. Es sind Objekte der EU. "Migrationspolitik" (Euphemismus für Abwehrkrieg) dessen Propaganda im Inneren funktionierte. Aus Menschen die im (Bürger-)Krieg, durch Gewalt, Terror oder gezielte staatliche Verfolgung vertrieben wurden seit den 90er Jahren gezielt erst Kriminelle dann entmenschlichte "Objekte". Es hat funktioniert. Auch hier lese ich fast nichts von Menschen sondern nur dass "wir" Deutschland nun armes Opfer der Geiselnahme werden. Sind wir in Lebensgefahr? Sterben wir? Können wir uns keinen einzigen weiteren Geflüchteten "leisten"? Nein. "Wir" dürfen eben keinem Geiselnehmer nachgeben. Dabei geht es ja auch gar nicht um Menschenleben, sondern um unerwünschte "Objekte". Oberste Prämisse seit Jahrzehnten: sie dürfen nicht auf EU-Boden gelangen. Sie. Keine Menschen. Sterben lassen im Mittelmeer - Tausende im Jahr. Egal. Keine Menschen. Bilder toter Menschen, Kinder, Kleinkinder, Säuglinge. Egal. Die Propaganda hat gewirkt. Niemand würde mehr eine "menschliche" Politik verlangen bei "Objekten". Oder auf die Einhaltung der Menschenrechte pochen. Keine Menschen. "Flüchtlinge" nichtmenschlichen Störfaktoren die uns "überfluten" wenn man nur einmal ein bisschen nett ist zu ihnen. Keine Geiseln. Anonyme Masse. Lasst diese Nichtmenschen doch alle in Sichtweite und im Fokus der Weltöffentlichkeit erfrieren. Postet die Bilder der Erfrorenen. Falls sich die Menschenfeindliche äh Objektfeindliche Prämisse der EU noch nicht überall herum gesprochen hat. Die Message muss endlich ankommen: Leute äh Objekte: sterbt zu Hause und spart euch den Weg an unsere Grenzen. Das Ergebnis ist ja dasselbe. Wir lassen doch keine Objekte rein die dann unverschämte Forderungen wie zum Beispiel Asylanträge stellen.

  • Der Schiss der deutschen Regenten vor Unmut und Protestwahl kostet Menschenleben.

  • Wir brauchen Migranten, die Migranten wollen zu uns, und wenn wir sie nehmen, nehmen wir Lukaschenko (bzw. seinem Auftraggeber Putin) die perverse Möglichkeit, Flüchtlinge als Waffe zu verwenden.

    • @Ruediger:

      Allerdings! Naemlich 400 000 Fachkraefte pro Jahr laut Arbeitsagenturchef www.sueddeutsche.d...90143?reduced=true . Aber stattdessen quetschen wir uns auf unseren Sesseln rum und ueberlegen, ob es sich hier um ein paar "zu ertragende" Bilder oder um Menschen handelt (die noch dazu zu grossen Teilen aufgrund von westlichen und EU Politiken in der Lage sind die sie zur Flucht gebracht hat).

      Alles nicht vergleichbar mit 2015 wo wir uns noch ueber Orbans Grenzzeuge empört haben und dann über Trumps Mauern. Aber heute scheint das normal. Ein wirklich immer dunkler werdendes Kapitel der deutschen Geschichte...:-(

      • @EstherE:

        Fachkräfte- Sie sagen es.



        Von den seit 2015 aufgenommenen Asylbewerbern sind noch über 60% ohne Arbeit, das mit den Fachkräften hat da also nicht geklappt.



        Und wenn ich mir die verschiedensten Interviews ansehe mit den Migranten in Belarus, egal welches Medium, waren auch da keine Fachkräfte dabei….

        • @Holger Steinebach:

          Sie können den Leuten ansehen, ob sie Fachkräfte sind?

          Es wäre die Aufgabe unserer Wirtschaft, diese Menschen zu Fachkräften auszubilden. Man kann kaum erwarten, dass arme Länder für uns Fachkräfte ausbilden. In vielen Bereichen ist es übrigens auch schwierig ungelernte zu finden und die Beschäftigung von Asylbewerbern scheitert oft an der Bürokratie und der fehlenden Anerkennung von Abschlüssen

          • @Ruediger:

            Sie arbeiten wohl nicht mit Flüchtlingen? Schwierig, Menschen, die nicht lesen können, zu Facharbeitern auszubilden. Und .... welche Abschlüsse sollen denn bitte anerkannt werden, wenn es nicht einmal eine Abschluss der 4. Klasse Grundschule gibt. Das Problem ist viel größer, als Sie es sich ausmahlen.

          • @Ruediger:

            Wieso kommen Sie zu der Annahme, dass es diesmal Fachkräfte sind? Die bisherige Erfahrung spricht doch dagegen. Dass es sio schwierig ist für viele Bereiche ungelernte zu finden, liegt daran, dass man denen keinen ordentlichen Stundenlohn zahlt. Migranten würden es für eifnen Hungerlohn machen? Merken Sie was?

  • Eine rein deutsche Lösung ist politisch unklug,



    aber durch inzwischen 10.000 Asylbewerber aus Belarus, bereits im Gange.

  • 2000 Menschen darunter sehr viele Kinder, Frauen und Kranke. Wo ist das Problem diese Menschen vor dem sicheren Tod oder Verfolgung zu schützen.



    2000 Menschen kann man sogar von heute auf morgen in Berlin unterbringen und versorgen. Also, lasst uns dass sofort angehen. Mit Bussen sollen die Menschen abgeholt und auf direktem Weg nach Berlin gebracht werden. Einfacher geht es gar nicht Menschen zu retten.

    • @V M:

      Und wie lange machen wir das dann so weiter, nachdem sich dann in den entsprechenden sozialen Medien rumgesprochen hat, dass man ohne Probleme nach Deutschland einreisen kann? Dann kommen jeden Monat 10.000 oder noch mehr. Monat für Monat.

      Ich kann die Motive der Menschen, die zu uns wollen, voll und ganz nachvollziehen und habe auch Mitleid mit ihrer wirtschaftlich und sozial schlechten, perspektivlosen Situation in ihren Ländern, aber es kann doch nicht ernsthaft Ihre Vorstellung sein, dass eine millionenfache Massenmigration in die EU, primär nach Deutschland, die Lösung für diese Probleme ist. Wir müssen uns da was besseres überlegen, um den Menschen vor Ort zu helfen - denn zum Helfen sollten wir uns als die wohlhabendsten Gesellschaften auf diesem Planeten verpflichtet fühlen, wenn wir noch ein Gewissen haben. Aber helfen tun wir nicht durch eine Massenmigration.

    • @V M:

      @Vanessa - 2000 Menschen können auch flux, da sie nur Touristen in Belarus sind, wieder nach Hause fliegen. Ein Anspruch auf Vollversorgung besteht keineswegs. Das gilt auch für die 8000 anderen.

  • ASIA TIMES NOVEMBER 21, 2021

    Isn’t this a delicious irony – British Defense Secretary Ben Wallace rushing to Warsaw on Thursday to work up detailed plans to strengthen Poland’s border fence with Belarus? Britain had partnered with the US in the invasion of Iraq in 2003 and is now the self-appointed protector of the European Union from Iraqi migrants!

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Der Asylantrag kann ja geprüft werden während sie in Belarus sind,wird der dann abgelehnt muss halt Belarus entscheiden ob es sie dabehält oder zurückfliegt oder ihnen eine Duldung gewährt. Sollte der Asylantrag alle Instanzen durchlaufen und positiv beschieden werden dürfen sie nach Deutschland einreisen. Für die Zwit der Bearbeitung ist aber Belarus für Unterbringing und Versorgung zuständig.

    • @83379 (Profil gelöscht):

      Halte ich auch für eine gute Lösung, entspräche aber nach derzeitigem Verständnis dem AFD-Modell, nach dem die Asylanträge im Ausland gestellt werden sollen.

      • @rero:

        Belarus hält Menschenrechtsstandards nicht ein, deshalb ist dies abzulehnen. Das die AfD von Menschenrechten nichts hält, ist nicht neu! Das steht auch sehr deutlich in den Verfassungsschutzberichten über diese Partei.

      • 8G
        83379 (Profil gelöscht)
        @rero:

        Und? Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn. Dadurch entfällt die Problematik von gescheiterten Abschiebungen, etc. Die Leute die dann kommen haben es wirklich nötig und man weiß die bleiben längerfristig dann kann man auch Integration gut planen.

  • RS
    Ria Sauter

    Nicht etpressen lassen! Wieso nur nach D?

    • @Ria Sauter:

      Warum würde sich Deutschland erpressen lassen, wenn es die Flüchtlinge aufnimmt?

      • @Sandor Krasna:

        Weil es nun mal in der Macht Lukaschenkos liegt, wen und wieviele Migranten Deutschland aufnimmt.

        Keine Erpressung wäre es, wenn Likaschenko die Leute in Hotels und Pensionen untergebracht hätte.

        Das wäre ja nicht unüblich bei Leuten, die mit einem Touristenvisum einreisen.

        Dann gäbe es aber auch keine unschönen Bilder und keine Toten.

        Dann würde sich niemand dafür interessieren und ihm die Leute abnehmen.

  • Woher weiß die taz, dass es sich um 2000 "Geflüchtete" handelt?



    Ließe sich das im Artikel noch nachfassen?

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Es ist doch wohl so, dass die Staaten, die eine EU-Außengrenze besitzen, auch für die Aufnahme der Asylbewerber verantwortlich sind.

    " Das D. ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der regelt, welcher Staat für die Prüfung eines in der EU gestellten Asylantrags zuständig ist. Er trat am 1.9.1997 in Kraft und wurde am 17.3.2003 durch die Dublin-Verordnung (Dublin II) abgelöst."

    Eine Aufnahme von Flüchtlingen direkt in Deutschland ist also nicht möglich. Nur Merkel hat das ignoriert bzw. dagegen verstoßen.



    Die Flüchtlinge wissen das offenbar auch nicht!



    Die Polen ignorieren es und bauen Zäune, lassen aber niemanden ins Land.

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Das Dublin-Abkommen ist aber leider auch eine politische Fehlkonstruktion. Natürlich kann es nicht funktionieren, Asyl lediglich den (meistens wirtschaftlich am schwächsten gestellten) EU-Grenzstaaten aufzudrücken. Es bräuchte schon Verteilungsquoten.

      Dessen ungeachtet wird die in vielen Fällen als Asylsuche bezeichnete Migration allerdings auf Dauer so nicht funktionieren - weder für die Staaten, aus denen die Menschen wegziehen, noch für die Staaten, in die diese Menschen gerne möchten (was ich rein humanistisch vollkommen verstehen kann).

    • @17900 (Profil gelöscht):

      "Es ist doch wohl so, dass die Staaten, die eine EU-Außengrenze besitzen, auch für die Aufnahme der Asylbewerber verantwortlich sind.

      Eine Aufnahme von Flüchtlingen direkt in Deutschland ist also nicht möglich. Nur Merkel hat das ignoriert bzw. dagegen verstoßen."

      Nur weil dieses Narrativ von Seehofer jahrelang verbreitet wurde, heißt es nicht dass es richtig ist.



      Jeder Staat kann über das Dubliner Abkommen hinaus Menschen aufnehmen, wie es will. Das verbietet das Abkommen nicht einmal ansatzweise.

    • RS
      Ria Sauter
      @17900 (Profil gelöscht):

      Natürlich wissen die Flüchtlinge das auch!



      Sie hoffen wieder auf Frau Merkel.

      • @Ria Sauter:

        ...die ja nur noch wenige Tage im Amt sein wird. Vielleicht hilft das, bestimmte Illusionen zu zerstören.

  • Lukaschenko hat diese Menschen mit Reisevisa in sein Land gelockt, um sie dann an die Grenze zu verbringen. Er weiß auch ganz genau, dass die geschäftsführende Bundeskanzlerin die EU nicht verbindlich nach außen vertreten hat und eine Aufnahme in der EU mehrheitlich abgelehnt wird. Man kann nur hoffen, dass Deutschland dem Erpresser gegenüber standhaft bleibt und den Polen für ihren Einsatz danken.

  • Sieh an, da hatte die belarussische Autorin in ihrem Artikel recht,

    Zielrichtung dieser Aktion ist Deutschland, nicht Polen.

    Für die Iraker ist das natürlich ein großer Betrug. Sie zahlen mehrere tausend Euro, um dann in ein Flugzeug zurück in den Irak gesetzt zu werden.

    Für das Geld könnte Lukaschenko besser unterbringen als in einem Logistiktentrum.