Die EU und Belarus: Sanktionen, da wo es wehtut
Die Sanktionen der EU ziehen nicht. Tatsächlich wächst das bilaterale Handelsvolumen mit Belarus. Gezielte Sanktionen gegen Lukaschenko müssen her.
M it wirkungslosen Sanktionen gegen das Regime von Alexander Lukaschenko vorzugehen, ist scheinheilig. Warum tun die Außenminister der 27 EU-Mitglieder das? Warum kündigen sie innerhalb von nicht mal zwei Jahren ein fünftes Paket an „harten Sanktionen“ gegen den Machthaber in Belarus an? Sie müssen doch wissen, dass die Geschäfte wie eh und je florieren und die heimischen Unternehmer gar kein Interesse an Handelsbeschränkungen haben.
Dieser Tage bringen es die Zahlen von Wirtschaftsministerien und Statistikämter ungeschminkt ans Licht: Das EU-Belarus-Handelsvolumen ist in den ersten acht Monaten dieses Jahren nicht etwa geschrumpft, sondern sogar um bis zu 40 Prozent gestiegen. Die EU sollte ihre Energien nicht darauf verschwenden, das Kleingedruckte zu den Sanktionen so zu formulieren, dass diese zwar „hart“ klingen, in Wirklichkeit aber nur Raffinerieprodukte oder Kalidüngersegmente betreffen, die im Export-Import-Geschäft ohnehin keine große Rolle spielen.
Gerade im Fall von Belarus gibt es gute Gründe, keine Sanktionen gegen Schlüsselindustrien oder ganze Wirtschaftszweige zu verhängen. Mit solchen Strafen für manipulierte Wahlen oder Menschenrechtsverletzungen treibt die EU Belarus nur noch mehr in die Arme des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Zudem würden viele Menschen in Belarus durch tatsächlich harte Sanktionen ihre Arbeit verlieren. Ganz abgesehen vom Schaden, der für die eigene Wirtschaft entsteht.
EU-Bürger:innen sind intelligent genug, diese Argumente zu verstehen. Die EU-Außenminister müssen sie nicht im Stil von Hardliner-Populisten anlügen. Am Ende kommt die Wahrheit ja doch ans Licht, und das Vertrauen ist verspielt. Sehr wohl sinnvoll sind dagegen Sanktionen gegen Lukaschenko selbst und alle Personen, die sich an den Wahlfälschungen beteiligt haben und die Menschenrechte mit Füßen treten.
Die Opposition in Belarus, die es am besten wissen muss, fordert seit Jahren rund 4.000 Politiker und Staatsfunktionäre mit einem Reiseverbot in die EU, USA, nach Großbritannien und Kanada zu belegen. Doch auf der schwarzen Liste stehen zurzeit gerade mal 166 Schreibtischtäter. „Harte Sanktionen“ gegen ein Unrechtsregime sind auch das nicht. Die EU sollte den Forderungen der Opposition in Belarus nachkommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Amnesty-Bericht zum Gazakrieg
Die deutsche Mitschuld
Debatte um Bezahlkarte
Hundegulasch und Auslandsüberweisungen
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Nach Recherchen zum Klaasohm-Fest
Ab jetzt Party ohne Prügel
Hilfslieferungen für den Gazastreifen
Kriminelle Geschäfte mit dem Hunger
Ausstieg aus fossiler Stromerzeugung
Ins Stromnetz müssen 650 Milliarden Euro fließen