Deutsche Unternehmen in Russland: Quadratisch, praktisch, Wut
Noch immer sind deutsche Unternehmen wie Ritter Sport im kriegsführenden Russland aktiv. Die Gründe dafür sind vielfältig.
Wie viele der zu Kriegsbeginn noch etwa 3.500 deutschen Unternehmen inzwischen ihre Produktion eingefroren oder sich ganz aus dem Land verabschiedet haben, ist nicht bekannt. Geblieben sind sowohl große Unternehmen als auch Mittelständler, für die Russland ein großer Absatzmarkt ist, wie die Maschinenhersteller Liebherr und Grimme, die Supermarktkette Globus und eben Ritter Sport.
Der Schokoladenhersteller begründet seinen Verbleib auf seinem zweitwichtigsten Markt vor allem damit, dass er seine Produktion in Deutschland und Österreich sowie die Kooperation mit Kakaobauern und deren Kollektiven teilweise einstellen müssten, wenn sie sich zurückzögen. Sie versprechen, ihre gesamten Gewinne aus Russland an Hilfsorganisationen zu spenden, und haben bereits alle Investitionen und Werbemaßnahmen gestoppt. Ob das Unternehmen Gewinne transparent macht und an welche Organisationen gespendet wird, wollte man der taz nicht mitteilen.
Auch die Firma Henkel gab an, alle Investitions-, Sponsoring- und Werbeausgaben eingestellt zu haben und nur „Waren des täglichen Bedarfs“ wie Reinigungsmittel herzustellen und zu liefern. Wie die meisten Unternehmen verteidigt Henkel seine Entscheidung damit, eine Verantwortung gegenüber seinen Mitarbeiter*innen zu haben. Die russische Regierung hatte leitenden Angestellten von abwandernden Unternehmen mit rechtlichen Konsequenzen gedroht. Entsprechende Fälle sind bislang aber noch nicht bekannt.
Firmen fürchten, enteignet zu werden
Das Zögern der Firmen hängt auch damit zusammen, dass in Russland ein Gesetz vorbereitet wird, mithilfe dessen ausländische Unternehmen enteignet werden können, sollten sie sich aus dem russischen Markt auch nur vorübergehend zurückziehen. Das Gesetz soll Arbeitsplätze und Produktionskapazitäten sichern. Dadurch würde eine Wiederkehr nach dem Krieg mindestens sehr teuer.
Vor allem die Pharmaunternehmen wie Bayer und Fresenius argumentieren außerdem, dass sie überlebenswichtige Medikamente und Dienstleistungen verkaufen. Fresenius betreibt über 100 Dialysezentren, auf die Nierenkranke angewiesen sind. Bayer schreibt auf Anfrage der taz, nur „unverzichtbare“ Produkte weiter zu vertreiben, wollte sich aber nicht dazu äußern, nach welchen Kriterien sie diese auswählen und ob beispielsweise auch die Kopfschmerztablette Aspirin gemeint ist.
Bayer liefert neben den medizinischen Produkten auch Saatgut an russische Bauern. „Der Zivilbevölkerung wesentliche Gesundheits- und Landwirtschaftsprodukte vorzuenthalten, würde die Zahl an Menschenleben, die dieser Krieg fordert, nur vervielfachen“, schreiben sie in einer Stellungnahme. Mit der Versorgung der russischen Bevölkerung argumentiert auch der Lebensmittelgroßhändler Metro, der 240 Millionen Euro, also zehn Prozent seines Umsatzes in Russland erwirtschaftet. Er beliefert nach eigenen Angaben vor allem Restaurants, Zwischenhändler und Caterer – ob ein Wegfall ihrer 93 Märkte also die Lebensmittelversorgung gefährden würde, ist fraglich.
Abgesehen von ihrem symbolischen Wert wären die finanziellen Konsequenzen einer Abwanderung deutscher Unternehmen für die russische Staatskasse in den meisten Fällen überschaubar. Die Umsatz-, Einkommen- und Kapitalertragsteuern aller russischen Unternehmen und Personen machen weniger als 10 Prozent der jährlichen Einnahmen aus. Den Großteil seines Geldes verdient Russland bekanntlich mit dem Export von Rohstoffen.
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