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Der zweischneidige Deal mit der HamasAngst um die Männer

Judith Poppe
Kommentar von Judith Poppe

Israel hätte alle inhaftierten Palästinenser gegen alle Geiseln tauschen sollen. Bei 40.000 Kassam-Kämpfern in Gaza fielen die kaum ins Gewicht.

Fotos von Israelis, die von der Hamas entführt wurden, während einer Kundgebung in Bukarest Foto: Vadim Ghirda/AP

H offnung und Angst liegen in Israel gerade nah beieinander: Nicht nur weil die Hamas den Deal wegen noch nicht näher bekannter Forderungen verschoben hat. Sondern auch weil sich in die Erleichterung über einen mögliche Freilassung von Geiseln im Gegenzug für eine Feuerpause große Besorgnis mischt – vor allem unter den Familien, die um einen jungen, männlichen Angehörigen bangen. Denn freigelassen werden sollen in den ersten vier Tagen nur Kinder und ihre Mütter. Sollte die Feuerpause im Austausch gegen weitere Geiseln auf maximal zehn Tage verlängert werden, werden dennoch kaum Männer unter den Freigelassen sein. Ihre Familien fürchten: Es könnte die erste und letzte Übereinkunft sein.

Vor einigen Wochen schwirrte durch die Medien, dass ein Austausch aller im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln gegen alle in Israel inhaftierten Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen im Raum steht. Die Hamas dürfte an einem solchen Austausch interessiert sein. Israel hat in der Vergangenheit – etwa im Fall von Gilad Schalit – eine einzige israelische Geisel gegen mehr als 1.000 palästinensische Gefangene eingetauscht. Einer dieser Freigelassenen war: Yahya Sinwar, unter dessen Führung die Hamas die Massaker des 7. Oktobers verübt hat.

Im Moment befinden sich rund 7.000 palästinensische Gefangene in israelischer Haft. Rund 600 von ihnen sind zu lebenslangen Strafen verurteilt, dazu kommen die Attentäter vom 7. Oktober, die Israel inhaftiert hat. Die Chance, dass Israel nach diesen Ereignissen einem solchen Deal zustimmt, geht gegen null.

Das aber könnte die falsche Entscheidung sein. Weil sie eine Entscheidung gegen die Rettung jedes einzelnen Lebens der Geiseln ist. Weil sie vergisst, dass der bewaffnete Arm der Hamas, – die Al Kassam Brigaden – die enorme Zahl von rund 40.000 Kämpfern im Gazastreifen hat.

Mit einem Austausch hätte die Hamas ein paar Tausende mehr. Die fielen am Ende nicht so ins Gewicht wie die Tatsache, dass israelische Familien ihre Liebsten zurückhaben. Was danach geschieht, steht eh in den Sternen.

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Judith Poppe
Auslandsredakteurin
Jahrgang 1979, Auslandsredakteurin, zuvor von 2019 bis 2023 Korrespondentin für Israel und die palästinensischen Gebiete.
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18 Kommentare

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  • Interessant: von der TAZ werden nur die Kommentare veröffentlicht, die keine Kritik an Israels fragwürdiger Kriegsführung äussern. Damit stellt sich die TAZ auf die Seite derer, die die uneingeschränkte Solidarität mit Israel forden, Humanitäres Vökereecht hin oder her.



    Ist das emanzipatorischer Journalismus?

  • Darf sich der Staat erpressen lassen, zählt das Leben von Geiseln mehr als das Recht? Eine schwierige Frage, ich bin froh, daß ich sie nicht beantworten muß.



    Die älteren unter uns werden sich noch erinnern - die Entführung von Peter Lorenz 1975 in Berlin. Er wurde gegen 5 RAF-Terroristen und Terroristinnen ausgetauscht.



    Zwei Jahre später gab es wieder Entführungen (Jürgen Ponto, Hanns Martin Schleyer, die Lufthansamaschine Landshut), es gab aber keinen Austausch mehr, dafür aber die Ermordung von Schleyer und dem Lufthansakapitän Jürgen Schumann, zusätzlich zu den schon begangenen Morden an den Personenschützern von Schleyer.

  • Die Quadratmeter pro Person sind das Problem :



    1950: 69,3 Mill. Bürger 15,8 Mill. Wohnungen



    2022 : 83,2 Mill. Bürger 43,1 Mill. Wohnungen



    www.destatis.de/DE.../PD23_N041_31.html



    Immer mehr Wohnraum, immer mehr Single-Haushalte, die schlechte Situation ist selber verschuldet.

  • 4G
    47351 (Profil gelöscht)

    Warum gibt es eigentlich auf einer Fläche der Größe von ungefähr einem Drittel des Landkreises Lüneburg 40.000 "Kämpfer", andere Paramilitärs nicht eingerechnet?

    Warum verfügen diese über so viele Raketen, die alles mögliche sind, aber keine Verteidigungs-Waffen?

  • Aus Sicht der Hamas sind erst einmal nur tote Jüd*innen gute Jüd*innen. Außerdem begreift sie alle Israelis grundsätzlich als Soldat*innen und damit als legitime Ziele. Aus dieser perfiden Ideologie heraus ist sie momentan nur bereit Kinder und Alte freizulassen. Alle anderen, egal welchen Geschlechts sieht sie als nicht als Geiseln sondern als Kriegsgefangene.

    Die Angst gilt also nicht nur den Männern, sondern besonders auch den vielen jungen Frauen, die entführt wurden.

  • Naja ganz so einfach ist die Abwägung nicht. 7.000 Kämpfer machen sehr wohl einen Unterschied.



    Selbst bei aller militärischer Überlegenheit der IDF, könnten diese min. die selbe Anzahl israelischer Staatsbürger /Soldaten töten wie jetzt Geiseln befreit würden.

    Anderseits ist das kleine Israel auf jeden einzelnen Staatsbürger angewiesen....

    Schwierig.

  • Die gefangenen Attentäter und dazu 600 Lebenslänglich eingesperrte Gewalttäter freilassen, damit sie ihre Erfahrung und ihren Hass weitergeben und noch mehr Attentäter ausbilden können?

  • Ein Lösungsansatz nach dem Motto



    1+1 = 3

  • "Yahya Sinwar, unter dessen Führung die Hamas die Massaker des 7. Oktobers verübt hat."

    U.a. aus diesem Grund finde ich jede Verhandlung/Vereinbarung mit der Hamas falsch. Dass die Angehörigen ihre Liebsten zurück möchten, ist menschlich und verständlich, aber nicht ohne Grund wir bei beispielsweise Strafprozessen geprüft, ob Richter, Staatsanwälte etc. befangen sind.

    Emotionen sind in diesem Fall kein guter Ratgeber und ich gehe davon aus, dass Israel/die jüdischen Bürger für jede jetzt im Tausch frei gelassene Geisel mit mehreren Toten in der Zukunft bezahlen werden.

    • @*Sabine*:

      Terror entsteht nicht wegen einer Person und Sunwar wurde nicht im Gefängnis zum Terroristen.

      • @Rudolf Fissner:

        Terror wird von Personen geplant und ausgeführt. Wer im Knast sitzt kann draußen nicht morden.

  • Ich verstehe die Angehörigen der Geiseln. In tiefster Not sind die meisten sich selbst und ihren Angehörigen am nächsten.



    Aber was sagt man den Angehörigen, wenn die Hamas in einigen Tagen wieder mordet, vergewaltigt und entführt?



    ´Oh, Pech, warte bis es bis dahin wieder wen zum Austauschen geben wird?



    Die Argumentation der Autorin macht nur Sinn, geht man von einer infiniten Wiederholung von Terror und Vergeltung aus.



    Im Frieden kann und muss man hehren Idealen von der Unabwägbarkeit menschlichen Lebens folgen und darf z.B. keine entführten Flugzeuge abschießen, im Krieg bringt man aber mit Moralrigorismus nur Leute um - denn jeder Kommandeur wägt Menschenleben gegeneinander ab, wenn er seine Leute gegen den Feind schickt.



    Israel ist im Krieg und der Hamasstaat in Gaza ist der Feind. Seien wir froh, dass Bibi und seine reaktionäre Bande überhaupt jemanden freibekommen hat.

    • @Euromeyer:

      Absoluter Quatsch. Eine Demokratie muss auch im Kriegsfall den eigenen Werten treu bleiben, sonst ist sie selber am Ende in Gefahr.

      Außerdem ist es kein Zeichen der Schwäche, wenn Israel solche Deals eingeht, sondern der Stärke. Es zeigt erstens, dass sie es sich leisten können und zweitens, dass Israel die Leben der eigenen Bürger deutlich mehr wert ist, als der Hamas die Leben ihrer eigenen Leute.

      Das als "Moralrigorismus" zu diffamieren, finde ich schon sehr zynisch.

      Und ob die Hamas wieder mordet, hängt nicht davon ab, ob sie 1000 Leute mehr oder weniger hat. Das ist kein Argument.

  • Das sehe ich wie Sie

    Deal nur, wenn alle Geiseln freikommen!

    • @M. Dilsburg:

      "Deal nur, wenn alle Geiseln freikommen!"



      Das liegt an der Hamas. Israel hat keine Geiseln...

  • Liebe Frau Poppe,



    ich wollte so etwas nicht entscheiden müssen, weil: was sage ich denn den Eltern / Kindern et al., die ihre Lieben verloren haben - durch die Mörder, die sich rekrutieren aus den seinerzeit Freigelassenen? Schwamm drüber?



    Ich finde das Rechenexempel schwierig bis wohlfeil.



    Den "Deal" finde ich auch schwierig: Frauen und Kinder zuerst; und dann...



    Jedenfalls wollte ich nicht verantworten, dass mehrere hundert Mörder, die Lebenslang haben, wieder ihrer Berufung nachgehen dürfen. So etwas zu verlangen ist einem Verzweifelten nachzusehen, ansonsten ist es unanständig.

    • @oldleft:

      Da schließe ich mich gerne an!

  • Wenn die Palästinensichen Zahlen stimmen, sind es ja vielleicht nur noch 30.000 bewaffnete Kämpfer.