Der Weg zum Öko-Haus: Kleine Pumpe, großes Problem
Die Gaspreise steigen. Da ist es eine gute Idee, im Haus eine Wärmepumpe einzubauen. Wenn es so einfach wäre. Ein Besuch bei den Büttgens und Georgs.
K reisrund geschnittene Büsche in geschotterten Vorgärten, gepflasterte Garagenauffahrten, verklinkerte Eigenheime und eine Autobahn, die dicht am Ort vorbeiführt – das Dorf Buir im Rhein-Erft-Kreis, zwischen Köln und Aachen gelegen, wirkt auf den ersten Blick gepflegt, versiegelt und wie kein Hort der ökologischen Wachsamkeit. Man kann sich täuschen. Das Haus von Andreas Büttgen und seiner Frau am Ortsrand ist weiß gestrichen und hat blaue Fensterrahmen. Der Vorgarten ist begrünt, und der Garten hinter dem Haus mit Wiese und Apfelbaum gibt den Blick auf ein abgemähtes und sonnenverbranntes Weizenfeld frei. Der Geruch von frisch ausgefahrener Gülle weht herüber, und der Lärm der Autobahn. „Die haben wir nicht verhindern können“, sagt Büttgen.
Gleich hinter seinem Haus beginnt das Voreifeler Land und das Braunkohlerevier, beginnt eine vielleicht höhere Sensibilität für ökologische und insbesondere energietechnische Fragen. Wer den Kampf um fossile Energien direkt vor seiner Haustür erlebt, ist zwangsläufig mit der Frage nach der Endlichkeit der Kohle und der Zukunftsfähigkeit erneuerbarer Energien konfrontiert. 2012 fiel der Beschluss, die Autobahn A4 zu verlegen, die jetzt am Ortsrand neben den Zug- und S-Bahngleisen Richtung Aachen verläuft, um Platz zu schaffen für den Braunkohletagebau und die damit einhergehende Abholzung des Hambacher Forsts. Die Bagger rückten an, und nur ein Teil des Waldes konnte gerettet werden, der jetzt wie eine kleine grüne Insel jenseits eines gigantischen Lochs zu erahnen ist.
Büttgen ist eines der Gründungsmitglieder der Initiative „Buirer für Buir“. Eine Zeitlang hat der Manager eines großen Versicherungskonzerns in Bayern gearbeitet, doch „der Hambacher Wald hat mich nicht losgelassen“, sagt er in seinem Garten. Vor zwanzig Jahren hat er mit seiner Familie sein Haus in Buir planen und bauen lassen, es ist aus Holz, gut gedämmt und mit seinen bodentiefen Fenstern zur Südseite wärmt es durch die Sonne schnell auf. „Wir haben damals eigentlich alles richtig gemacht“, sagt Büttgen, blaues Hemd, schwarze Jeans, 55 Jahre alt. Ein bisschen Stolz klingt durch.
Auf dem Dach sind Solarpanels installiert, die keine Lücke mehr lassen. „Unsere Altersversorgung“, scherzt er, das Einspeisen des Stroms beim örtlichen Stromanbieter bringt derzeit 33 Cent pro Kilowattstunde. Wenn in acht Jahren die Förderung ausläuft, will Büttgen den solar erzeugten Strom für die Wärmepumpe verwenden.
Der Traum, sich bei Strom und Heizung unabhängig zu machen, reicht bei Familie Büttgen also viel weiter zurück als bis zur aktuellen Energiekrise. Das fing mit dem Bau des Hauses an und der Wunsch wurde mit der Klimakrise und den Auseinandersetzungen um die Kohle stärker. Doch auch Büttgens ließen sich damals eine Gastherme einbauen, „das gehörte zur Ausstattung des Hauses“. Als jetzt die elektronische Steuerung ihren Geist aufgab, fing Büttgen an, nach Alternativen zu suchen. Der Überfall Russlands auf die Ukraine, die sich zuspitzende Energie- und Klimakrise gaben dann den letzte Anstoß.
Das Problem
2022 muss ein Energiewende-Sommer werden. Die Klimakrise verschärft sich und die Abhängigkeit vom russischen Öl und Gas zeigt nochmals, dass Veränderung hier nicht warten kann. Aber der Wandel passiert nicht nur an Berliner Ministeriumsschreibtischen, sondern konkret in den Städten und Dörfern Deutschlands. Was bedeutet die Klimakrise und die Energiewende wirklich vor Ort?
Das Projekt
Einen Sommer lang besucht die taz Orte, in denen um die Energiezukunft gerungen wird. Wie spüren Gemeinden in Deutschland die Folgen der Klimakrise? Welche Konzepte und Konflikte gibt es bei der Suche nach Lösungen? Das Projekt taz klimaland mit Texten, Veranstaltungen und Videos ist zu finden unter taz.de/klimaland und auf dem Instagramkanal @klima.taz.
Die Orte
Wir sprechen mit Menschen, die gegen den geplanten Solarpark im Nachbarort protestieren, genauso wie mit Obstbauern, die durch den Klimawandel aufgeben müssen. Wir begleiten den Schwerlasttransport eines Rotorblatts auf der Autobahn und besuchen Aktivist:innen, die mit Gewissheiten hadern. Es geht ums Ganze, im Kleinen. Wollen Sie uns auch zu sich einladen? Worum wird bei Ihnen vor Ort gestritten? Schreiben Sie uns eine E-Mail an klimaland@taz.de.
Die Gastherme ersetzen oder etwas Neues wagen?
Etwa 20 Jahre hält eine Gastherme im Durchschnitt, die alte müsste also demnächst ausgetauscht werden. Was tun? Reparieren lassen? Im Prinzip wäre das nachhaltig gedacht, erzählt Büttgen von seinen Überlegungen. Die alte Gasheizung rauswerfen und gegen eine moderne und effizientere austauschen? Damit käme man immer noch nicht von den großen Energieversorgern los. Also lieber etwas anderes einbauen lassen? Und wenn was?
„Ich war am Anfang völlig blank“, gesteht er, „ich habe alles gelesen, was das Internet zu bieten hatte.“ Er besuchte Info-Veranstaltungen, las sich durch die Seiten des Bundesumweltamts, beratschlagte mit Nachbarn und Freunden. Büttgens entscheiden sich schließlich für eine Wärmepumpe, die anstelle der Gastherme im Hauswirtschaftsraum installiert werden soll. „Das Gerät wird etwas gleich groß sein“, sagt er. Er führt in den kleinen Raum, wo außer der kühlschrankgroßen Therme noch zwei Wechselrichter für die Photovoltaik an der Wand hängen.
Zwar braucht auch eine Wärmepumpe Strom, aber in kleineren Mengen, und kommt ohne fossile Brennstoffe aus. Sie erzeugt Wärme, die sie der Erde oder Luft entzieht. „Es ist das umgekehrte Kühlschrank-Prinzip“, erklärt Büttgen. Ein Kühlschrank gibt nach außen Wärme ab, um innen zu kühlen. Eine Wärmepumpe verwandelt die kühlere Luft in wärmere und leitet sie weiter. Die Pumpe besteht aus einem zweiteiligen Kreislauf: In der Außeneinheit wird ihr durch Luft oder Erde Energie zugeführt, die sie in Wärme umwandelt und über einen Wärmetauscher im Innenbereich auf das Wasser der Rohrleitungen des Heizungssystems überträgt.
Wo wird Büttgens Wärmepumpe stehen? Er macht ein paar Schritte in seinem Vorgarten. Hier unter dem kleinen Fenster zum ebenerdigen Wirtschaftsraum, der in anderen Häusern ein Heizungskeller wäre. Einen Keller hat sein Haus nicht, auch das hat mit der Braunkohle zu tun. Weil der Energiekonzern RWE den Grundwasserspiegel wegen des Tagebaus abgesenkt hat, lässt sich leider keine Boden-Wärmepumpe installieren, erklärt er. „Wir mussten uns für den ungünstigsten Typ Wärmepumpe entscheiden“, sagt er. Eine Luftwärmepumpe, die von einem kleinen Propeller angetrieben auf einem Kasten vor seinem Haus stehen wird. „Besonders hübsch ist das nicht“, sagt er achselzuckend. Nicht schön und auch nicht billig.
Büttgen rechnet damit, dass er insgesamt um die 35.000 Euro – Förderung inklusive – investieren muss. Er weiß, „das kann sich nicht jeder leisten“. Die soziale Frage beschäftigt ihn sehr. Wenn die Energiewende funktionieren soll, sagt er, müsse man die Menschen auch in die Lage versetzen zu investieren.
Die Förderung von staatlicher Seite ist hilfreich und sicher für viele ein Anreiz, aber bei Weitem nicht ausreichend. Auch eine neue Gastherme hätte um die 20.000 Euro gekostet, rechnet Büttgen vor. Und die wäre in nächster Zeit ebenso fällig geworden. Da aber die Gaspreise auf absehbare Zeit in die Höhe schießen werden, geht er davon aus, dass sich die jetzt teurere Investition nach 13 bis 14 Jahren rentieren wird.
Andreas Büttgen, Hausbesitzer in Buir
„Wir haben aus Überzeugung fast immer alles in unser Haus investiert“, sagt er, „das macht sich jetzt bezahlt.“ Heute würde er, ebenfalls aus Überzeugung, kein Einfamilienhaus mehr bauen – das hält er wegen der Flächenversiegelung und des hohen CO2-Ausstoßes bei den Baumaterialien für problematisch. Technisch ist sein Haus „perfekt“, wie der Energieberater sagen wird, und es ist fast abbezahlt. Nur die Heizkörper im Erdgeschoss müssen gegen dickere ausgetauscht werden. Mehrfachverglasung, gut gedämmte Wände und ein isoliertes Dach machen sich bezahlt. Dass ältere Häuser oder Wohnungen diese modernen Standards nicht bieten, ist Büttgen klar. Mit seinem im April eingereichten und bereits bewilligten Antrag beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) wird er die 35 Prozent Förderung erhalten, die beim Austausch einer Gastherme in Bestandsbauten vom Staat derzeit gewährt wird.
Der Experte muss ran
Bei seinem Antrag und der nötigen fachlichen Beratung kommt Martin Inden ins Spiel, in Buir ansässiger Energieberater. Der 56-Jährige ist der Mann der Stunde. Er hat in Köln Kommunal- und Umwelttechnik studiert. Inden besucht an diesem Nachmittag Erhard Georg, ein Kampfgefährte von Büttgen bei „Buirer für Buir“. Anders als der Nachhaltigkeitsmanager hat sich Georg noch nicht entschieden. „Die Entwicklung lässt uns eigentlich keine Wahl“, ist er überzeugt. Dennoch hat er sich nach einer Erstberatung beim Energieberater Bedenkzeit erbeten.
Steht man vor seinem Haus aus roten Ziegeln, sieht man, dass es ein mittiges Reihenhaus ist. Georg ist unsicher wegen des Nachbarschaftsrechts. So ein kleiner Propeller ist nicht nur unschön, sondern macht auch ein bisschen Lärm. Drei Meter Abstand zu jeder Seite gelten in Nordrhein-Westfalen als Abstandsregel. Die Wärmepumpe ließe sich aber nicht mittig installieren, sondern müsste seitlich stehen, wo sie in den jetzigen Heizungskeller geführt werden könnte. „Kein Problem“ sieht Inden. „Die Autobahn ist lauter.“
Der Wunsch 500.000 Wärmepumpen pro Jahr will Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in den nächsten Jahren einbauen lassen. Derzeit gibt es laut Bundesregierung 1,1 Million bereits installierter Wärmepumpen. Noch werden 70 Prozent aller Wohnungen mit Gas beheizt und nur 15 Prozent durch erneuerbare Energien.
Die Alternativen Wärmepumpen sind nicht die einzige Alternative zu einer Gas- und Ölheizung und nicht für jeden Haus- oder Wohnungstyp geeignet. Es gibt technische Lösungsansätze für schwierige Altbauten oder Verbundsysteme für die Versorgung von Mietshäusern oder Straßen in Städten, die erprobt und weiterentwickelt werden müssen.
Das Prinzip Wärmepumpen erzeugen keine Wärme, sondern nutzen vorhandene aus dem Umgebungsbereich: Erde oder Luft. Standard ist die Luft-Wärmepumpe, sie ist auch in der Anschaffung kostengünstiger. Auf den Seiten des Bundesumweltamts finden sich Informationen.
Die Förderung Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) fördert mit der „Bundesförderung für effiziente Gebäude“ (BEG) den Heizungstausch, Maßnahmen zur Heizungsoptimierung, zum Einsatz erneuerbarer Energien, Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung sowie Energieberatung für Wohngebäude. Die Möglichkeit einer günstigen Kreditaufnahme bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) entfällt seit 1. August. (taz)
Im Wohnzimmer des Hauses holt er seinen Computer heraus. „Ich gucke anders auf ein Haus als ein Architekt“, sagt er. „Ich berechne die Kubatur eines Hauses, das Bauvolumen, und seine bauenergetische Effizienz.“ Dazu gehören die Maße der Außenbaufenster, die er mit der äußeren Hülle des Hauses für seine Berechnungen maßgerecht per Computer nachbaut. „Die Fenster sind neu?“ fragt er Erhard Georg. „Haben sie eine Prägung?“ Der nickt, springt auf, um die Rechnung herauszusuchen. Der Energieberater ist zufrieden und wird nachrechnen, wie groß der konkrete Wärmeverlust ist, abhängig von der Bauweise des Hauses, vom Zustand der Fenster und Türen, und daraus wird sich ergeben, wie groß oder klein die Wärmepumpe ausfallen sollte. Das Haus Erhard dürfte von der Energieeffizienz „im mittleren Bereich“ liegen, vermutet er, wie bei Büttgen sollte das mittlere Modell ausreichen.
Energieberater Inden gibt sich Mühe, wenig Technikdeutsch zu sprechen. Schon mal vom Bivalenzpunkt gehört, fragt er mit leichter Herausforderung in der Stimme, davon ausgehend, dass die Anwesenden im Raum nicht über sein Fachwissen verfügen. „Das ist der Moment, ab dem es die Wärmepumpe nicht mehr allein schafft, die benötigte Energie für die Beheizung des Hauses zur Verfügung zu stellen. Dann hilft der zweite Wärmeerzeuger mit, der aber über den Haushaltsstrom läuft.“ In kalten Tagen zum Beispiel. Deswegen sei die Jahresarbeitszahl einer Pumpe wichtig, erklärt Inden.
Wärmepumpen haben einen Sondertarif, der derzeit noch mit 20 Cent pro Kilowattstunde veranschlagt werde. „Wird auch dieser Preis explodieren?“ fragt Georg. Steigen wird er sicher, meint Inden, doch bei Öl und Gas sei man schon bei 1,50 Euro angelangt. Und die Wärmepumpe verbraucht an Strom nur das, was sie zum Eigenbetrieb benötigt.
Das Problem mit dem Lärm
Derweil geht die Diskussion über die mögliche Lärmbelästigung weiter. Die Hecke absorbiert Schall, „und über kurz oder lang werden sich alle solche Propellerteile hinstellen“, sagt Georg. „Überlegen Sie in Ruhe, ich will nicht, dass Sie unglücklich sind“, sagt der Energieberater. Genug zu tun hat Martin Inden ohnehin. Ohne ihn kein Antrag, ohne Antrag keine Förderung bei Sanierungsmaßnahmen.
Wie sieht es mit einem Kredit der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) aus, will Erhard Georg wissen. Der 69-Jährige, in Shorts, sportlich schlank, ist in Rente. Vor 28 Jahren haben er und seine Frau das Haus gebaut. Inden schüttelt den Kopf. Die Möglichkeit, neben der staatlichen Förderung für energietechnische Sanierungsmaßnahmen ein günstiges Darlehen der KfW zu bekommen, ist seit dem 1. August gestrichen. „Ein ideologischer Irrsinn“ schimpft Inden, dass Menschen, die zur Absicherung im Alter eine Immobilie erworben hätten, ab 60 nicht mehr als kreditwürdig gälten und dann auf teurere Privatkredite der Banken zurückgreifen müssten.
Gemeinsam besichtigen sie, wo vor dem Haus ausgeschachtet und die Wand aufgestemmt werden müsste, um an die alten Gasleitungen zu gelangen. Georgs Haus hat ein Einrohrsystem – die Heizkörper sind nicht getrennt regulierbar. „Besser, Sie lassen dann alle Heizkörper an“, rät Inden. Es braucht einen Mindestdurchfluss für die bei einer Wärmepumpe erzeugte, niedrigere Wassertemperatur; die Wärme muss sich ausbreiten können. Dies bedeutet Umdenken für Georg, der bislang stolz auf seine nicht sehr hohe Gasrechnung war. Die alte Gastherme steht im ersten Stock, dahin käme der neue Kompressor. Das heißt, man bräuchte einen Tiefbauer fürs Fundament, Installateur, Elektriker, Fliesenleger, überlegt Georg. „Am besten einen, der alle Gewerke vereint“, ergänzt Büttgen.
Der Betrieb von Thomas Grawe in Düren ist so einer, er soll die Wärmepumpe von Andreas Büttgen installieren. Wenn es so einfach wäre. Wenn es genügend Wärmepumpen gäbe und keine Lieferschwierigkeiten. Die Wärmepumpen, die sein Handwerksbetrieb installiert, auf der BAFA-Liste geführt und als energieeffizient zertifiziert, konnten nicht fertig montiert werden, weil mindestens ein Zwischenlieferant, wie Grawe am Telefon erklärt, „vermutlich pleitegegangen“ war.
Die Folge: Alle Liefertermine des vergangenen halben Jahres wurden storniert. Für ihn und seine Kunden, die wie Andreas Büttgen bereits ihren Förderantrag gestellt und bewilligt bekommen hatten, ein Desaster. „Jede Pumpe“, erklärt Grawe, „hatte eine Zertifizierungsnummer, die jetzt verfallen ist.“ Der deutsche Hersteller Dimplex hat inzwischen neue Maschinen bauen lassen – mit neuen Zertifizierungsnummern, die mit den alten Anträgen nicht übereinstimmen. „Das muss jetzt alles neu geprüft werden.“ Seit 1. August läuft die Produktion wieder. Doch vor Anfang des nächsten Jahres kann Büttgen nicht mit seiner Wärmepumpe rechnen. Vor ihm warten noch 60 andere Kunden auf ihre Bestellung.
Thomas Grawe, Handwerker in Düren
Dass die neuen Wärmepumpen „mal eben 3.000 Euro teurer sind, müssen Sie der Kundschaft auch erst wiedergeben“, sagt Grawe. Es sei der totale Run auf Wärmepumpen, bei ihm gingen pro Tag drei Bestellungen ein, erzählt Grawe, der für Dürener Verhältnisse mit seinen 24 Mitarbeiter:innen einen relativ großen Betrieb für Haustechnik führt. „Aber das Schlimmste ist“, sagt er, „uns fehlt Fachpersonal. Es gibt keine Kältetechniker und Heizungsinstallateure. Wärmepumpen haben eine völlig andere Technik als Öl- und Gasheizungen. Man braucht dafür einen Kälteschein.“ Ja, das umgedrehte Kühlschrankprinzip.
Grawe hat bereits vor 25 Jahren damit begonnen, Wärmepumpen zu installieren – „damals wurde ich belächelt“. Obwohl er kein Weltverbesserer sei, anfangs habe er auch noch Öl- und Gasheizungen eingebaut. Gibt es jetzt Haushalte, die eine neue Gastherme bei Grawe bestellen, weil sie zumindest in der Anschaffung günstiger sind oder das Gebäude ungeeignet ist? „In diesem Jahr: keine einzige Bestellung“, sagt er. „Gasheizungen sind aus und vorbei.“
Von Georgs Haus ist es nicht weit zum sogenannten Funktionswall, der neben der neuen Autobahnstrecke aus Bauschutt der alten aufgeschüttet wurde. Verbranntes Gras und ein paar Bäume, die in der Mittagssonne nur spärlichen Schatten spenden. „Lärmschutz gewährt dies nicht“, sagt Büttgen bei einer Führung. Oben vom Wall aus ist das riesige Baggerloch zu sehen. „Die heißen Winde aus der Grube trocknen den Wald aus“, sagt Büttgen, der zwar auf keinem Baumhaus saß, aber als Demonstrant und Unterstützer sieben Räumungen miterlebt hat. „Der Wald wird diesen thermischen Effekt substanziell nicht überleben“, sagt er.
Vor Kurzem hat er einen Erdkundekurs einer Kölner Schule durch den Hambacher Forst geführt. Die Flächenzerstörung gehe weiter, sagt er verärgert, denn um die Kanten des tiefen Baggerlochs abzuflachen, wenn nach 2029 ausgekohlt ist und in einem Zeitraum von 60 Jahren ein gigantischer Restsee entstehen soll, brauche man Kies und Sand. „Und dafür wird weiter gebaggert.“ Obwohl klar sei, dass das Wasser, das in den See gelange, durch ausgeschwemmtes Sulfat giftig sein wird.
Am Rande des Walls stehen grüne Bänke aus Metall. Der Blick geht nicht auf den dürftig begrünten Wall, sondern auf den Ort mit seinem markanten Kirchturm, einem Solarfeld sowie einem großen Gemüsefeld. Ursprünglich stand eine weitere Holzbank andersherum da, erzählt Büttgen amüsiert. Doch irgendwann sei diese zerstört worden und endlich die ursprüngliche gedreht worden. Buirer für Buir. Am Wall entlang geht es zum Bahnhof, der neben der alten Malzfabrik liegt. Das Silo steht leer, hier planen sie ein „Hambi-Museum“, das vom Kampf der Buirer um ihre Region, vom Kohlekonflikt und Klimagerechtigkeitskampf erzählen wird. Die Wärmepumpe dürfte nur eine kleine Episode in einer großen Erzählung werden.
Erhard Georg braucht noch ein wenig Bedenkzeit. Andreas Büttgen braucht eine Portion Geduld. Thomas Grawe braucht dringend Fachkräfte. Martin Inden braucht einfach mehr Zeit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen