Debatte um Denkmalstürze: Wenn Steine beleidigen
Allein die Tatsache, dass Denkmäler ein gestriges Geschichtsbild vermitteln, kann kein Grund für ihre Zerstörung sein. Manchmal ist es aber richtig.

J efferson Davis ist der Name des einzigen Präsidenten der abtrünnigen amerikanischen Südstaaten. Der Mann bezeichnete Menschen mit schwarzer Hautfarbe „als Geschöpfe einer minderwertigen Rasse“ und verteidigte ihre Entrechtung als „die mildeste und humanste aller Einrichtungen der Sklaverei“. Bis heute steht eine Statue Davis’ in den Hallen des US-Kongresses.
Manche Denkmäler haben das Zeug dazu, auch die heute Lebenden zu beleidigen und zutiefst zu verletzten. Das Abbild Davis’ ist dafür ein Beispiel. Ein Staat, der auf die Gemeinsamkeit seiner Bürger setzt, tut gut daran, solche Statuen zu beseitigen. Denn das Abbild Davis’ und zehn weitere Statuen im Kongress verherrlichen die blutige Unterdrückung eines Teils der Bevölkerung durch einen anderen Teil. Es ist kein Zufall, wenn die Demokraten nun die Beseitigung dieser elf Denkmäler und die Umbenennung von US-Militärbasen verlangen, während US-Präsident Donald Trump genau das verweigert. Es ist ein Akt der Befreiung, wenn solche Denkmäler auf den Müllhaufen der Geschichte landen, statt in einem demokratisch gewählten Parlament zu glänzen.
Denkmäler vermitteln die Geschichte so, wie sie die Herrschenden zu ihrer Zeit interpretiert haben. Sie können selbst zum Teil der Historie werden wie die ägyptischen Pyramiden, sie können, umgestaltet, ein Stein des Anstoßes sein wie das Reichssportfeld in Nürnberg, und manchmal bilden sie eine merkwürdige Heldenverehrung für höchst umstrittene, aber nicht verbrecherische Figuren ab, etwa die Bismarck-Türme. Diese sind aber deshalb nicht antidemokratisch, sondern ermöglichen erst einmal eine schöne Aussicht. Aber schließlich gibt es auch hier Denkmäler, die beleidigen, etwa die steinernen „Judensauen“ an manchen Kirchen. Immer dann ist es angemessen, über ihre Beseitigung nachzudenken.
Aber allein die Tatsache, dass Denkmäler ein gestriges Geschichtsbild vermitteln, kann kein Grund für ihre Zerstörung sein. Alle diese Monumente zu schleifen würde bedeuten, Geschichte zu entsorgen, sobald diese uns nicht mehr passt. Es wäre der unsinnige Versuch, die Welt widerspruchslos entsorgen zu wollen und heutige Maßstäbe an die Vergangenheit anzulegen. Aber manche Statuen sollten fallen – in Auftrag gegeben nicht von einer Obrigkeit, sondern im Rahmen eines demokratischen Verfahrens.
„Unseren Helden“, diese oder ähnliche Aufschriften sind auf Kriegerdenkmälern überall in Deutschland zu finden, darunter die Namen der Gefallenen des Ersten und, nach 1945 hinzugefügt, des Zweiten Weltkriegs. Kaum jemand stößt sich an dieser Sinngebung für sinnlos im Auftrag eines Verbrechers gestorbene Menschen. Ihre flächendeckende Verbreitung ist akzeptiert. Dabei verbreiten sie Lügen bis ins kleinste Dorf.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Forscher über Einwanderungspolitik
„Migration gilt als Verliererthema“
Abschied von der Realität
Im politischen Schnellkochtopf
Russlands Angriffskrieg in der Ukraine
„Wir sind nur kleine Leute“
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Extremismus bei Alemannia Aachen
Der rechte Flügel