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Black-Lives-Matter-Protest in EnglandFahndung nach Denkmalstürmern

Im britischen Bristol haben Demonstranten die Statue eines Sklavenhändlers ins Hafenbecken gestürzt. Für die Innenministerin ist das Vandalismus.

Die Statue des Sklavenhändlers Edward Colston in Bristol Foto: Ben Birchall/PA Wire/dpa

London taz | Es blubberte Luftblasen, als die alte Statue Edward Col­stons in das Wasser des Hafenbeckens Bristols geschmissen wurde. Colston (1636–1721) war ein englischer Geschäftsmann, der sein Geld mit dem Transport und Verkauf verschleppter Menschen vom afrikanischen Kontinent verdiente.

Die Luftblasen beim Denkmalsturz am Sonntag waren nicht nur deshalb symbolisch für die Kampagne „I Can’t Breathe“, die an die Ermordung von George Floyd durch einen US-Polizisten in Minneapolis erinnert. Sie erinnerten auch an das berüchtigte Zong-Massaker aus dem Jahre 1781, als die Crew des englischen Handelsschiffes „Zong“ im Atlantik 130 afrikanische Sklaven über Bord ins Wasser warf, damit die englischen Besitzer des Schiffes – sie hatten es samt menschlicher Fracht von Holländern gekauft, als es schon auf See war – Versicherungsgelder für „verlorene Fracht“ ausbezahlt bekommen konnten. Das Bekanntwerden dieses Massenmords setzte die britischen Kampagnen zur Abschaffung der Sklaverei in Gang.

Im westenglischen Bristol, um 1730 die wichtigste Hafenstadt des britischen Sklavenhandels, blickt Colston seit Sonntag nicht mehr über „seine“ Stadt. Die Gestalt des „tugendhaften Mannes“ liegt nun tief im Schlamm des Hafenbeckens. Demonstrant*innen hatte eine Schlinge um den metallenen Hals gelegt, die Statue umgekippt und unter großem Jubel zum Hafenbecken gerollt. Jemand kniete auf Colsons Hals, dann wurde das Denkmal versenkt, während viele Fäuste, weiße wie schwarze, sich zum Sieg nach oben streckten.

Bristols Bürgermeister Marvin Rees – Großbritanniens erster direkt gewählter schwarzer Bürgermeister, sein Vater stammt aus Jamaika – bezeichnete den Denkmalsturz auf BBC als „ikonischen Moment“ für die Stadt. „Ich kann nicht so tun, als ob ich einen ernsten Verlust wegen der Statue fühlen würde, oder als sei ihre Anwesenheit im Zentrum Bristols, der Stadt, in der ich aufgewachsen bin, etwas anderes gewesen als eine persönliche Beleidigung“, so der Bürgermeister weiter.

Am Ende landete die Statue im Fluss Avon Foto: Giulia Spadafora/NurPhoto/picture alliance

Seit über 20 Jahren quälte sich Bristol mit der Statue. Mal sollte sie ins Museum, mal sollte sie mit einer Tafel versehen werden, die den Mann kontextualisiert. Am Ende geschah nichts. Bis zu diesem Sonntag.

Colston hatte seinen Reichtum nach seinem Tod der Stadt Bristol überlassen. Viel wurde damit aufgebaut. Erst als Black-Lives-Matter-Proteste auch Bristol erreichten, wo 16 Prozent aller gut 500.000 Einwohner*innen einen BAME-Hintergrund haben (Black Asian Minority Ethnic), wurde das Schicksal der Statue besiegelt. Nicht einmal die Polizei griff ein. Das hätte zu einer unnötigen Eskalation geführt, hieß es von dem Polizeichef der Stadt.

Die Proteste seien von Krawall untergraben worden, sagte Boris Johnson

Im ganzen Land wurde am Wochenende gegen Rassismus protestiert. Gründe gibt es viele: Die Anzahl Schwarzer in den Strafanstalten von England und Wales beträgt laut einem Bericht des schwarzen Labour-Abgeordneten David Lammy 12 Prozent, ihr Bevölkerungsanteil 3 Prozent. Neue Daten von der Gesundheitsbehörde Englands zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit, an Covid-19 zu sterben, bei schwarzen Männern viermal höher ist als bei weißen. Für schwarze Menschen in Großbritannien ist es doppelt so wahrscheinlich, unter Polizeigewalt zu sterben, als für andere.

Obwohl Mundschutzmasken und Handschuhe ausgeteilt wurden, hielt sich die Mehrzahl der Protestierenden nicht an Abstandsregeln. Einige begründeten ihre Anwesenheit trotz der Pandemie damit, dass Rassismus auch eine Pandemie darstelle. In London, wo am Samstag und am Sonntag mehrere Zehntausend, meist jugendliche Menschen vor der US-Botschaft und vor dem Parlament demonstrierten, kam es am Ende zur Konfrontation mit der Polizei. Mehrere Po­li­zei­beamt*innen wurden verletzt, etwa ein Dutzend Personen wurde festgenommen, größtenteils wegen Sachbeschädigung. So versuchten einige, Gedenkfahnen am Weltkriegsdenkmal „Cenotaph“ herunterzureißen, während einem Denkmal von Winston Churchill das Wort „Rassist“ beigefügt wurde.

Von „Krawall untergraben“

Die Proteste seien von „Krawall untergraben“ worden, behauptete daher Premierminister Boris Johnson. Im Parlament hatte er letzte Woche noch bestätigt, dass schwarze Leben wichtig seien. Sein ehemaliger Finanzminister Sajid Javid ließ wissen, seiner Ansicht nach könne Johnson mehr für Gleichberechtigung tun.

Das mit der Statue in Bristol unterstütze er nicht, so Sajid Javid. Innenministerin Priti Patel bezeichnete das Entfernen der Statue als schändlich und als inakzeptablen Vandalismus. Nach den Verantwortlichen wird jetzt gefahndet.

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13 Kommentare

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  • Das ist Vandalismus. Ja, es trifft eine Statue für jemanden, der sie nicht verdient hat. Trotzdem ist das nicht zu rechtfertigen und erst recht nicht demokratisch. Es hätte mit Sicherheit Wege über die kommunale Politik oder Petitionen gegeben, und ja, vlt wäre dann am Ende nur ein Hinweisschild an die Statue gekommen, das auf den historischen Kontext hinweist. Hier wurde trotzdem von einer sich selbst ermächtigenden Minderheit öffentliches Eigentum beschädigt, und das hier zu tolerieren oder gut zu heißen, wo es den eigenen politischen Ansichten genehm ist, ist bigott. Die Zerstörung öffentlichen Eigentums ist (außerhalb einer eventuellen Revolution) kein Mittel des Protests. Es unterscheidet sich in der Wahl der Mittel nicht von rechten Anschlägen auf KZ-Gedenkstätten (in der Motivation natürlich deutlich), auch wenn wir alle hier diese Statue gern abgerissen sehen.

    • @Vincent Braun:

      Gegen gezielten Vandalismus, der sich die richtigen Objekte aussucht, kann niemand etwas haben. Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.

  • Schändlich und inakzeptabel? Von mir aus.

    Ich würde mir so etwas nur von Leuten sagen, die sich klar dagegen positionieren, dass /echte/ Menschen im Meer ersaufen.

    Sachschaden. Von mir aus. Coole Aktion trotzdem :-)

    • @tomás zerolo:

      "Inakzeptabel" und "indiskutabel" gehören zum autoritär müffelnden Tutmannicht-Sprech der Gouvernanten-Art. Dieses verbale Kroppzeug wird immer dann gezückt, wenn ein offener Diskurs in der Sache impulsiv abgeblockt werden soll.

      • @Linksman:

        "Inakzeptabel" und "indiskutabel" gehören zum autoritär müffelnden Tutmannicht-Sprech [...]"

        Da würd' ich Ihnen tendenziell recht geben. Sehen Sie? Ich bin sogar Gouvernanten gegenüber... mnjah... irgendwie tolerant. Aber dann erwarte ich von ihnen auch Hausaufgaben. Z.B., dass sie sich in der Seebrücke engagieren :-D

  • "Uh, der Vergleich mit der Anteil an der Bevölkerung ist etwas schwierig"

    Jaja, Statistik ist nicht immer einfach. Muss man lesen, verstehen und so.

    Ihren Vergleich mit den Steuerhinterziehern packen Sie auch schon zum zweiten Mal aus. Das letzte Mal passte er eher schlecht als recht, diesmal gar nicht.

    In diesem Fall wird eine starke Korrelation zwischen "schwarz" und "verhaftet" festgestellt. Die werden Sie hoffentlich auch nicht leugnen. Welche Mechanismen dahinterstehen... das ist der nächste Schritt.

    Die meisten führen über eine Form der sozialen Diskriminierung.

    Nun ist das ein mittlerweile bis zum Exzess erforschtes Feld: wer will, kann sich schlau machen. So zu tun (wie Sie) als sei jetzt noch die Statistik zu diskutieren ist... schwach.

  • Die Statue ist jetzt da, wo sie hingehört, im Wasser.



    Nur schade, dass der Fluss jetzt verseucht ist.



    Rassistische Umweltverschmutzung



    Der oder die Avon kann doch nichts dafür oder dagegen.

  • Gut, dass Johnson noch mal bestätigt hat, dass schwarze Leben zählen.

  • Gute Aktion. Hau weg den Rassisten-Scheiß!

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Das Bronzebildnis eines berüchtigten Sklavenhändlers schleppte sich durch die Straßen einer Stadt, die auf dem Reichtum dieses Handels aufgebaut war (Bristol), und warf sich dann wie die Opfer der Mittleren Passage ins Wasser. Colston liegt nun am Fuße eines Hafens, in dem einst die Schiffe des Dreiecks - Sklavenhandels festgemacht hatten, am Hafen, auf den ihre Ladungen entladen wurden.

    Von Bristol segelten die Schiffe nach Afrika um von dort die Sklaven über den Atlantik in die Karibik/ Nordamerika zu bringen. Schätzungen zufolge überlebten diese Tortur ca. 19.000 Sklaven nicht, die dann von den Schiffen ins Meer geworfen wurden, was zur Folge hatte, das die Sklavenschiffe regelmässig von Haifischen begleitet wurden.

    Das nun das Abbild von Colston nun selbst, im Schlamm versunken, bei den Fischen im Hafen von Bristol liegt, hat er sich demnach selbst zuzuschreiben.

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    "Die Anzahl Schwarzer in den Strafanstalten von England und Wales beträgt laut einem Bericht des schwarzen Labour-Abgeordneten David Lammy 12 Prozent, ihr Bevölkerungsanteil 3 Prozent. "

    Uh, der Vergleich mit der Anteil an der Bevölkerung ist etwas schwierig. Es fehlt einfach der inhaltliche Zusammenhang. Vermutlich sind Schwarze öfters ärmer und haben einen niedrigeren Bildungsstand? Was ggf. zu einer höheren Kriminalitätsrate führt und damit Verhaftungen führt?

    So ziemlich 100% der erwischten und im Gefängnis sitzenden Steuerhinterzieher gehören den reichsten 5% der Bevölkerung an. Das bedeutet aber nicht das diese Menschen diskriminiert werden. Es macht einfach keinen Sinn auf dieser Ebene einen Zusammenhang herzustellen.

    Kann man nicht ein Beispiel nehmen wie unberechtigte Verhaftungen von Schwarzen in Kontrollen im Verhältnis zu Weißen o.ä.?

    • @02854 (Profil gelöscht):

      Ich glaube nicht das die reichsten 5% der Bevölkerung oft im Gefängnis landen für ihre Steuerhinterziehung. Wahrscheinlicher scheint mir das die kleineren Fische bei Steuerhinterziehung öfter im Gefängnis landen.

    • @02854 (Profil gelöscht):

      Ich gehe davon aus, dass dieser Zusammenhang bei solchen Zahlenvergleichen mitgemeint ist. Die Kriminalitätsrate ist immer auch ein Abbild der sozioökonomischen Bedingungen. Darüber hinaus aber ist leider bekannt, dass der Rassismus der Polizeien und der Gesellschaften zur Folge hat, dass Menschen mit dunkler(er) Hautfarbe dort leben, wo es eher schwierig ist, wo sie weniger Sicherheit (oder sogar eine Bedrohung) durch die Polizei erfahren, auch bei kleineren Delikten schneller beschuldigt und eher angezeigt werden als sogenannte Weiße, was dann auf lange Sicht so belastend ist, dass man aufsteckt und sich der restlichen Gesellschaft einfach entfremdet.



      Die Geschichte mit den Steuerhinterziehern ist deshalb auch im Rassismuskontext echt heikel, zumindest aber inhaltlich nicht relevant, weil man ja nur als sehr Reicher überhaupt so viele Steuern hinterziehen kann, dass man im Knast landet. Stimmen Ihre Zahlen an der Stelle überhaupt? :)