Das 49-Euro-Ticket kommt: Gleiches Spaß-Recht für alle
Kritiker*innen von vergünstigten Tickets beklagen, diese würden nur für Freizeitspaß genutzt werden. Na und?
Ab Januar kann man wieder vergünstigt durch Deutschland fahren. Zwar nicht mehr mit dem 9-Euro-Ticket, aber immerhin ein 49-Euro-Ticket soll es dann geben. Doch auch das schürt vielerorts die Angst über die Nutzung des Fahrscheins zur Freizeitbespaßung. Sie erinnern sich: die berühmten Fahrten nach Sylt.
Tatsächlich zeigte eine Studie zum 9-Euro-Ticket des Meinungsforschungsinstituts Civey, dass etwa jede zweite Person das Ticket für Tagesausflüge nutzte. 47 Prozent gaben an, mit dem Ticket gerne „auf Shoppingtour“ zu gehen. Also zum Freizeitvergnügen. Dass Menschen nicht vom Auto auf Bus und Bahn umsteigen und das Ticket lieber verwenden, um Freund*innen zu besuchen, verkam zum weiteren Argument gegen das Ticket. Dabei sollten wir uns fragen: und jetzt?
Denn der Zugang zu Freizeitangeboten ist ein wichtiges Element sozialer Teilhabe. Soziale Teilhabe, das meint die Möglichkeit sich im Alltag an unterschiedlichen Orten aufhalten zu können, um verschiedenen Aktivitäten nachzugehen: einkaufen, arbeiten, Besuch von Freund*innen oder Hockeytraining. Aber die Wege dahin sind kostspielig und stellen für Geringverdiener*innen meist eine Hürde dar. Werden sie von dieser Mobilität ausgeschlossen, zum Beispiel durch fehlenden Zugang zu Verkehrsmitteln, führt das zu Exklusion und Einsamkeit.
Mehr soziale Kontakte und verbesserte Erreichbarkeit
Eine neue Studie des Instituts Verkehr und Raum der FH Erfurt zeigt, dass das 9-Euro-Ticket die Mobilität als wichtiges Vehikel für soziale Teilhabe steigert. Ein Großteil der Befragten gab an, dass sie während des Ticketbesitzes häufiger unterwegs waren. Am größten ist der Effekt bei den unteren Einkommensschichten (also Personen mit weniger als 1.250 Euro netto pro Monat zur Verfügung).
Die soziale Teilhabe wurde laut den Forscher*innen deshalb gesteigert, weil Freizeitmöglichkeiten häufiger genutzt werden konnten. Außerdem sei die Lebenszufriedenheit durch mehr soziale Kontakte, Aktivitäten außer Haus und verbesserte Erreichbarkeit von Einkaufsläden gestiegen.
Mit der Einführung des 49-Euro Tickets geht der Wunsch von vielen Studienteilnehmer*in einer Weiterführung in Erfüllung. Damit lösen sich natürlich nicht alle Probleme. Für Geringverdiener*innen könnte die soziale Teilhabe jetzt 40 Euro zu teuer sein
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl