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Corona und ImpfpflichtImpfung oder Lockdown

Essay von Stefan Huster

Bei der Impfpflicht geht es nicht um Gewissensfragen, sondern um die Lösung für ein Problem. Nur durch Impfungen sind die Krankenhäuser zu entlasten.

Bewegt unsere Zeit: das Coronavirus Illustration: Katja Gendikova

E s sei seines Erachtens sehr vernünftig, sich impfen zu lassen, aber er wolle auf keinen Fall, dass der Staat den Menschen vorschreibt, was vernünftig ist. So begründete der FDP-Abgeordnete Wolfgang Kubicki seine Ablehnung einer Corona-Impfpflicht vorige Woche in der Orientierungsdebatte des Bundestags. Beim ersten Hinhören klingt das wie eine dieser hübschen paradoxalen Differenzierungen, die eine freiheitliche politische Ordnung unbedingt braucht: „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.“

Wahlweise „Ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, dass Sie sie äußern dürfen.“ – Fügt sich das Kubicki-Statement von der Vernünftigkeit der Möglichkeit der Unvernunft also nicht perfekt in das Poesiealbum des Liberalismus? Das mag durchaus sein, aber es trägt nicht die Ablehnung einer Impfpflicht. Zum einen kann es ein Recht auf „unvernünftigen“ Freiheitsgebrauch nur geben, wenn man lediglich seine eigenen Interessen beschädigt.

Wer seine Finanzen durch Prasserei, seine beruflichen Aussichten durch Faulheit und seine Gesundheit durch Rauchen und Trinken ruiniert, hat beste Argumente, auf seinem Recht auf Unvernunft zu bestehen: Der freiheitliche Staat hat seinen Bürgern nicht vorzuschreiben, was unter Lebensgenuss zu verstehen ist und wie viel davon akzeptabel ist.

Aber darum geht es bei der Impfung nicht: Nicht die Gesundheit des Einzelnen ist ihr Ziel, sondern eine gesellschaftliche Resilienz, die eine Rückkehr zum normalen Leben ermöglicht. Jeder könnte sich selbst überlegen, ob er durch den Verzicht auf eine Impfung das Risiko einer schweren Covid-19-Erkrankung eingehen will – wenn er sich dann still in den Wald zurückzöge und unbemerkt verstürbe. Das tut aber niemand; vielmehr klopfen auch die Ungeimpften an die Krankenhaustür und begehren Hilfe.

Bild: privat
Stefan Huster

ist Professor für Öffentliches Recht, Sozial- und Gesundheitsrecht und Rechtsphilosophie an der Ruhr-Universität Bochum. Er ist Mitglied der Leopoldina und Vorsitzender der Sachverständigenkommission von Bundestag und Bundesregierung zur Evaluation der Corona-Maßnahmen.

Gesellschaftliche Resilienz ist das Ziel

Das ist das ganze Problem: Die Belastung der Krankenhäuser führt dazu, dass wir Menschen mit anderen Erkrankungen nicht mehr zeitnah und hinreichend helfen können, wenn nicht sogar eine Triage droht. Es wird ja schon erforscht und berechnet, wie viele zusätzliche Krebstote uns dieser Engpass bereits gekostet hat. Die Corona-Impfung zu verweigern, ist daher keine private Angelegenheit, wie der abendliche Alkoholkonsum, sondern ähnelt eher der Entscheidung, seine Steuern nicht zu bezahlen – da ist es dann vernünftigerweise auch nicht mehr weit her mit der Toleranz gegenüber der Unvernunft.

Zum anderen: Was wäre denn die Alternative zur Impfpflicht? Das Beschwören der Hoffnung, die Ungeimpften kämen nun doch noch zur Vernunft oder uns fiele plötzlich eine total stylische und überzeugende Werbekampagne für die Impfungen ein, klingt schal und bleibt nicht ohne Grund seltsam unkonkret. „Haben wir wirklich schon alle Mittel ausgeschöpft?“ – sicherlich nicht, aber was wäre denn noch erfolgversprechend, um die Impfquote zu erhöhen?

Wenn die politische Mehrheit der Meinung ist, dass alles Werben und Überzeugen und Anbieten nicht mehr weiterhilft – kann man es ihr verdenken? Verfassungsrechtlich hielte sich das sicherlich im politischen Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum. Denn die Alternativen zur Erhöhung der Impfquote wären die Überlastung des Gesundheitssystems, die niemand redlicherweise wollen kann, oder der immer wiederkehrende Lockdown.

Entweder wir opfern einen Teil der Schwerkranken oder unsere Freiheit der „Tyrannei der Ungeimpften“ – dann wäre die Impfpflicht doch das mildere Mittel, wenn es mit Freiwilligkeit und Überzeugung nicht geht. Dies wird umso deutlicher, wenn man sich klarmacht, dass die Impfpflicht systematisch nichts anderes ist als das Ausweichen vor der Zurückstellung („Posteriorisierung“) der Ungeimpften im Krankenhaus.

Zur Behandlung bitte hinten anstellen

An sich wäre es ordnungspolitisch konsequent, den Ungeimpften zu sagen: „Ihr müsst Euch nicht impfen lassen, das ist Eure Entscheidung. Aber erwartet nicht, dass wir, die alles Erforderliche für unseren Schutz getan haben, dann für Euch auf unsere medizinische Versorgung verzichten. Bitte stellt Euch im Krankenhaus ganz hinten an.“

Dieses Argument gilt grundsätzlich gegenüber allen, die durch ihr Verhalten zu ihrer Behandlungsbedürftigkeit beigetragen haben; in Teilen hat es die Politik auch bereits aufgegriffen, als etwa zu Silvester das Abbrennen von Feuerwerkskörpern weitgehend untersagt wurde, um eine weitere Belastung der Krankenhäuser zu verhindern. Aber es sind im Übrigen kaum Verhaltensweisen erkennbar, durch deren Veränderung die Krankenlast in der Pandemie schnell gesenkt werden könnte – außer dem Impfen.

Und so ist es auch weniger die Gefahr einer schleichenden Risikoindividualisierung und Entsolidarisierung im Versorgungssystem, die uns vor einer Berücksichtigung des Impfstatus bei Behandlungsentscheidungen zurückschrecken lässt. Vielmehr wollen wir auf die professionsethische Orientierung des medizinischen Personals Rücksicht nehmen und ihm eine Sortierung der Patienten anhand des Impfstatus nicht zumuten.

Aber hat Kubicki mit seiner liberalen Intuition nicht vielleicht doch in dem Sinne recht, dass es eine absolute Grenze gibt, was der Staat vom Einzelnen verlangen kann – und die verläuft an seiner Körpergrenze? „My body is my castle“ klingt nicht so schlecht, und so könnte man jede Verpflichtung zum Impfen schlicht als eine staatliche Körperverletzung ansehen, die nie rechtfertigungsfähig ist. Tatsächlich sollte das Überschreiten der körperlichen Grenze ein Warnlicht auslösen – aber hier ist es falscher Alarm.

Wenn die Gefahr groß genug und der Eingriff – wie die Impfung – nur ein minimales Risiko mit sich bringt, lässt sich die Verhältnismäßigkeit letztlich nicht bezweifeln. Die Auffassung, dass staatliche Eingriffe in die körperliche Integrität nie zulässig sind, während die soziale und pädagogische Vernachlässigung der Kinder angesichts geschlossener Schulen hinzunehmen ist, dürfte die Komplexität der Verhältnisse biologistisch verkürzen: Ausgefallene Schulbildung kann viel schlimmer sein als ein kleiner Piks.

Und auch „Mein Bauch gehört mir“ war in der deutschen Rechtskultur nie ein unangefochtener Grundsatz. Es war deshalb nicht klug, die Entscheidung über die Impfpflicht im Bundestag zu einer Gewissensfrage aufzuplustern. Das ist bei medizin- und bioethischen Fragen zwar immer wieder gemacht worden, es ist hier aber nicht nur unglücklich, weil man den Verdacht hat, dass die Ampelkoalition damit gerne verdecken möchte, dass sie gar keine Mehrheit zusammenbekommt.

Dass eine höhere Impfquote nicht nötig sei, ist haltloses Gerede

Es verleiht der Impfdiskussion auch einen Status, den sie nicht hat: Es geht nicht um die Rechtfertigung eines heiklen Bürgeropfers, sondern ganz profan um die faire politische Bewältigung eines Problems: Wollen wir den Lockdown, überlastete Krankenhäuser oder eine Impfpflicht? Diese klare Fragestellung droht nun in den subjektiven Beliebigkeiten der vermeintlichen Gewissensqualen unterzugehen.

Kein Zweifel an der Verhältnismäßigkeit

Ganz und gar an der Sache vorbei gehen alle Behauptungen, eine höhere Impfquote sei nicht nötig oder trage zur Problemlösung nichts bei. Das ist haltloses Gerede, das – außer bei der AfD – im politischen Raum zum Glück auch kaum Gehör findet. Auch die Idee, die Politik habe das deutsche Krankenhauswesen heruntergewirtschaftet und es wäre ein „milderes Mittel“, mehr Intensivbetten aufzustellen, ist schon angesichts des Umstandes, dass Deutschland die höchste Dichte an Intensivbetten hat, schwerlich überzeugend. Kein Gesundheitssystem der Welt fängt eine Pandemie ab, wenn man nichts tut.

Bleibt noch der „Bruch des Versprechens“. Haben nicht alle Politiker und Parteien zunächst versichert, eine Impfpflicht werde es nicht geben? Tatsächlich haben zu Beginn der Impfkampagne alle geglaubt – und die wissenschaftliche Beratung hat das unterstützt –, dass man mit Freiwilligkeit und Überzeugung eine ausreichende und viel höhere Impfquote erzielt, als wenn man auf Verpflichtungen und Sanktionen setzt. Man wollte den Bedenken der Impfskeptiker entgegenkommen.

Dass gerade sie es nun sind, die der Politik das vorhalten, ist auch nicht ganz redlich. Tatsächlich musste die Politik in der Pandemie allerdings lernen, dass man nichts definitiv ausschließen sollte. Aber was folgt daraus? Dass man an dem einmal gemachten Fehler bis an das Ende aller Tage festhalten muss? Die Frage, ob man eine allgemeine Impfpflicht braucht oder ob nicht die Impfpflicht ab einem gewissen Alter ausreicht, um die Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden, mag die Politik unter Heranziehung epidemiologischen Sachverstandes klug beantworten.

Und dann gibt es noch etliche Um- und Durchsetzungsfragen. Aber eine Impfung abzulehnen und dann von allen anderen den Lockdown zu verlangen, weil sonst die medizinische Versorgung nicht mehr sichergestellt werden kann, auf die man mit gesteigerter Wahrscheinlichkeit selbst bald angewiesen sein könnte, ist gewiss keine „vernünftige“ Haltung. Auf sie muss man bei der Einführung einer Impfpflicht keine Rücksicht nehmen.

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11 Kommentare

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  • www.spektrum.de/ne...na-impfung/1817504

    orf.at/stories/3230529/

    www.rnd.de/medien/...HFKJ3P4IILUBA.html

    www.berliner-zeitu...sprechen-li.204832

    Ich finde bevor man eine Impfpflicht beschließt sollte man erstmal versuchen die Ungeimpften mit Zielgruppe genauer Ansprache zu erreichen.



    Nach wie vor gibt es nur einen kleinen Anteil hartnäckiger Impfgegner.



    Von viele andere werden die Sorgen und Ängste nicht gehört und ernst genommen, vllt weil die Querdenker so laut sind das man darüber hinaus vergisst das es Menschen gibt die vllt nicht die Möglichkeit haben zu recherchieren weil sie nicht wissen welchen Informationen sie vertrauen können, weil sie keine Zeit dafür haben, die Sprachkenntnisse dafür unzureichend sind oder weil ihre Lebenssituation es aus anderen Gründen nicht hergibt.

    Diese Menschen nun zu bestrafen, ohne dass man auch nur versucht hat sich ihren zu näheren ist zumindest mal alles andere als solidarisch und fair.

  • Es wird doch schnell zu einer einfachen Rechnung: 200000 Infektionen pro Tag x 60 Tage sind 12 Millionen Infizierte. Bei einer nach allen Aussagen hohen Dunkelziffer, die Angaben liegen bei 80 %, sind wir also bis Ende März bei 60 Millionen Infizierten. Deutschland hat aber nur 83 Millionen Einwohner. Die Durchseuchung ist also unvermeidlich. Statt zu Testen sollte das Geld zweckgebunden für Pflegekräfte ausgegeben werden. Dann gibt es auch keine Überlastung im medizinisch -industriellen Komplex.

  • Danke Herr Huster. Sehr gut argumentiert. Merkt man schon allein daran, daß die kritischen Kommentare zu Ihrem Text nicht ohne Verbiegung von Fakten und Argumenten auskommen bzw. nicht ohne gedankliche Ablenkungsmanöver...

  • Schon die Prämissen, eine Überlastung hätte je gedroht oder wenigstens wegen der Impfquote eben nicht, werden vom Autor nicht belegt. Wer aber so harte Forderungen stellt, sollte auch harte Belege liefern. Jedoch: nichts. Schwach.

  • Ich kann dem Kommentar nur zustimmen..

    Da sich aber im Moment die fragwürdige Hoffnung breit macht, mit dem Übergang in die endemische Phase, seien weitere Impfungen ja nicht mehr nötig, möchte ich hier folgenden Link zur Verfügung stellen:

    www.zeit.de/gesund...ndemie-infektionen

    Darin wird sehr präzise die momentane Situation, samt der weiteren Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt. Und aus diesem Artikel geht auch hervor, dass es für den Übergang zur endemischen Phase nicht zuerst auf das Virus ankommt, sondern auf den Grad an Immunität in der Bevölkerung. Und da gibt es in D-Land ja ganz offensichtlich noch Nachholbefarf..

    ...und in der Tat: die Dänen habens verstanden.

  • "Auch die Idee, die Politik habe das deutsche Krankenhauswesen heruntergewirtschaftet und es wäre ein „milderes Mittel“, mehr Intensivbetten aufzustellen, ist schon angesichts des Umstandes, dass Deutschland die höchste Dichte an Intensivbetten hat, schwerlich überzeugend. Kein Gesundheitssystem der Welt fängt eine Pandemie ab, wenn man nichts tut."

    Sorry, aber genau das ist der Knackpunkt, der hier einfach runtergepspielt wird. Es ist ja nicht so, dass man nichts getan hätte. Maßnahmen wie Abstand, Masken, Lock-Downs und später dann Impfungen sind ja nicht nichts! Das jetzige Gesundheitssystem ist völlig krank, indem es wirktschaltlich ausgerichtet ist: Es werden unglaublich viele sinnlose Operationen durchgeführt die Geld bringen und Personal/Pflege immer mehr verdichtet. Und wieder mal hat man dabei mit Minister Lauterbach den Bock zum Gärtner gemacht. Es sind nicht die Anzahl der Intensivbetten die man halten/födern muss, sondern das Fachpersonal dazu! In dem Sektor geht es schon jahrzehnte bergab dank der neoliberalen Ideologie. Was meint ihr, was hier los ist, wenn wirklich mal was passiert? Schwere, weiträumige Naturkatastrophen oder eine erheblich letalere Viruspandemie oder direkter: Reaktorunfall unserer westlichen Nachbarn mit Auswirkung über halb Europa oder gar großräumige Luftangriffe im Kriegsfall?



    Das System ist dafür nicht im gringsten vorbereitet, da man aus rein wirtschaftlichen Gründen völlig keinen kostspieligen Reserven einplant.

    Wenn nicht mal diese Pandemie die Menschen wachrütteln kann, sondern lieber über Impfpflichten diskutiert wo überwiegende Mehrheit geimpft ist, dann gute Nacht Deutschland!

  • "vielmehr klopfen auch die Ungeimpften an die Krankenhaustür und begehren Hilfe. Das ist das ganze Problem". Sollte dann nicht besser eine gesetzliche Zahlungsverpflichtung eines angemessenen Gehaltes für Pflegekräfte verabschiedet werden, um die Engpässe, hervorgerufen wodurch auch immer, zu beenden? Wer die Mitarbeiter des Gesundheitswesens dem Wirtschaftsmarkt zum Fraß vorwirft und dazu in die Persönlichkeitsrechte eingreift darf sich nicht wundern wenn es immer weniger Personal zur Verfügung steht.



    Die Abospritze für die Gesundheitsmitarbeiter nimmt sicher keine langen Wege und ist damit Umweltschonend. Wer ist aber schon bereit sich alle drei Monate einen "Schuß" zu setzen. Als Kinder haben wir gelernt, dass wir uns von Spritzen nicht abhängig machen sollen.



    Eine Impfpflicht ähnelt vielmehr einer staatlichen Entscheidung die Energieversorgung auf Atomkraft aufzubauen und damit nicht versicherbare Risiken der Gesellschaft zu verantworten, von einer Haverie bis zur jahrtausendlangen Lagerung der hochgiftigen Abfälle; Langzeitfolgenabschätzung?! Ein Vergleich mit Alkohol greift hier wohl zu kurz, da der Alkoholiker seine Sucht nicht weitergeben kann, der Geimpfte ungetestet und unbemerkt nach Wirkungsende des Vaccins, aber andere und sich selbst wieder anstecken wird.



    "Ihr müsst Euch nicht impfen lassen, das ist Eure Entscheidung. Aber erwartet nicht, dass wir, die alles Erforderliche für unseren Schutz getan haben, dann für Euch auf unsere medizinische Versorgung verzichten. Bitte stellt Euch im Krankenhaus ganz hinten an. Dieses Argument gilt grundsätzlich gegenüber allen, die durch ihr Verhalten zu ihrer Behandlungsbedürftigkeit beigetragen haben."



    So betrachtet sollten alle die keinen Atomstrom beziehen aber von den Schäden betroffen sind, keine Steuern zahlen müssen und im Krankenhaus die Chefarztbehandlung erhalten, denn sie haben persönlich alles dafür getan die Folgen zu vermeiden. Solidarität und Gemeinsinn sieht anders aus, Herr Professor.

    Zensur?!

  • Danke, auf den Pkt., dem gibt es nix hinzuzufügen.

  • Es gäbe auch eine andere Variante: das Hinterfragen der exorbitanten Sicherheits- und Hygienemaßnahmen. Mittlerweile sind Ansteckungsraten so hoch, dass selbst flächendeckende FFP2-Masken und Riesenabstände nicht mehr helfen. Dann es lieber lassen und lieber den tatsächlich relevant erkrankten helfen, statt bei jedem positiven Laborwert an die Decke zu gehen. Es würde die Krankenhäuser entlasten, wenn die "Schuld" an der Infektion nicht gesucht würde, sondern lediglich das Ergebnis betrachtet würde. Es sei denn, wir wollen tatsächlich dauerhaft so leben wie unsere Olympioniken in Peking.

  • Naja, rein formal betrachtet sind alle Entscheidungen des Bundestags „Gewissensfragen“, weil in dem Büchlein das keinen zu interessieren scheint steht es halt so… Mal fernab der Tatsache, dass der Herr Professor verfassungsrechtliche Selbstverständlichkeiten als „aufplustern“ abtut ist es am Ende auch so, wenn es keine parlamentarische Mehrheit für die Impfpflicht gibt, dann kommt sie halt nicht. Ende.

    Es ist jedenfalls schon mittelgradig skandalös, wenn der ohnehin unschöne Fraktionszwang nun schon aus der Leopoldina heraus „angeordnet“ wird…

    Wie auch immer, diese „Um- und Durchsetzungsfragen“ die im letzten Absatz kurz abgetan werden sind der eigentliche Knackpunkt. Wer ist für die Durchsetzung zuständig? Die vollkommen überlasteten Gesundheitsämter? Die neu aufzustellende Volksgesundheitsdivision Robert Koch? Mit welchen Mitteln? Schreibt man Briefe? Schicht man Sozialarbeiter? Kommen Impfwebel von der Bundeswehr vorbei und erledigen das auf die pragmatische Art und Weise? Und wie findet man die Ungeimpften überhaupt? Bundesimpfregister, aufgebaut so ab ca. 2032?

    Es gibt gute Gründe für die Impfpflicht, aber mit Gesetzen die praktisch nicht umsetzbar sind ist nichts gewonnen, im Gegenteil…

    Und dann gibt es noch einen ganz heiklen Punkt. Wenn man sich die sozioökonomischen Gruppen mit niedrigen Impfquoten ansieht, dann hat man es da eben nicht nur mit Rechtsextremisten und Esoterikern zu tun. Die Durchsetzung der Impfpflicht betrifft hierzulande sehr überwiegend die „Proletarier aller Länder“. Man darf dann nur hoffen, dass die sich nicht doch noch vereinigen. Erinnert sich noch wer an die „Corona-Helden“ die im ersten Lockdown (als man noch nicht so recht wusste ob das nicht doch sowas wie Ebola ist) Sonderschichten geschoben haben, damit Frau Verwaltungsrätin genug Klopapier hatte und der Herr Professor sich sein Rinderfilet an die Haustüre liefern lassen konnte? Dort findet ihr die heutigen „Impfverbrecher“…

  • Die Argumente wären bedenkenswert, wenn wir jetzt den Sommer oder Spätsommer 2021 schrieben. Aber aktuell, mitten im Verlauf der 5. Coronawelle, wirkt der Beitrag ein wenig aus der Zeit gefallen. Denn aktuell stellt sich die Frage "Impfung oder Lockdown" schlicht nicht. Im Sinne einer Individualentscheidung ist eine jetzige Impfung sicherlich für viele Personen immer noch sinnvoll. Doch der Verlauf der 5. Coronawelle ließe sich auch durch eine noch so intensive Impfkampagne nur noch marginal abmildern, da nicht mehr genügend Zeit bleibt, einen relevanten Teil der Bevölkerung nachzuimpfen.



    Wie stark eine jetzige Impfung mit veralteten Impfstoffen für eine befürchtete 6. Welle im Herbst zweckmäßig und notwendig ist, lässt sich zurzeit ebenfalls nicht beantworten. Es ist zurzeit noch nicht einmal klar, ob zu diesem Zeitpunkt aufgrund der jetzigen "natürlichen" Immunisierungen großflächige zusätzliche Impfungen noch notwendig sein werden.