Corona-Lockdown vor Weihnachten: Macht zu die Tür
Das Robert-Koch-Institut hat den 20.372. Coronatoten in Deutschland vermeldet. Alles dichtzumachen, sofort, das wäre ein Hoffnungsschimmer.
A m heutigen Donnerstag hat das Robert-Koch-Institut den 20.372. Coronatoten in Deutschland vermeldet. An dieser Zahl lässt sich die Dramatik der Pandemie ablesen. Bis zu den ersten 10.000 an oder mit Corona Gestorbenen dauerte es gut sieben Monate. Die zweiten 10.000 kamen in gerade mal sieben Wochen ums Leben. Und für die dritten Zehntausend wird es wahrscheinlich nur drei Wochen dauern. Also bis Silvester.
Das ist keine Schwarzmalerei, es lässt sich an der Kurve der Neuinfizierten ablesen. Die Kurve der Coronatoten folgt ihr mit rund drei Wochen Verzögerung. Deshalb ist es jetzt schon Fakt, dass um den Jahreswechsel der 30.000. Coronatodesfall gemeldet werden wird. Mit etwas Glück dauert es ein paar Tage länger. Es deutet nur nichts darauf hin. Mit etwas Pech werden wir die Marke schon Weihnachten erreichen. Frohes Fest!
Klingt zynisch? Mag sein. Aber noch zynischer ist das Herumeiern von Kanzleramt und Ministerpräsidenten, die davon träumen, dass sich an den Zahlen etwas ändern könnte. Dabei sagen führende Virologen, dass der Anfang November beschlossene „Lockdown light“ nie und nimmer ausreicht, um die Pandemie zu bekämpfen.
Jetzt redet die Kanzlerin zwar von einem harten Lockdown – aber erst nach Weihnachten. Da stellt sich die Frage: Wie weltfremd kann man eigentlich sein? Denn wer jetzt harte Einschränkungen für in zwei Wochen ankündigt, provoziert doch für die Zeit bis dahin genau das Gegenteil: Viele werden jetzt erst recht an Weihnachten die Familien besuchen. Viele werden sich bis dahin erst recht in die Innenstädte stürzen, um mitzunehmen, was danach nicht mehr geht. Warum auch nicht? Die Regierung hat es doch erlaubt.
Ein späterer harter Lockdown führt somit in den nächsten zwei Wochen zu unzähligen weiteren Infizierten. Wer das verhindern will, muss ihn sofort verhängen. Damit jetzt die Zahl der Neuinfizierten sinkt. Damit ab Januar weniger sterben.
Ja, das ist hart. Hart für die Gesellschaft. Für die Wirtschaft. Für die Kultur. Für jeden Einzelnen. Aber was ist die Alternative? Ein bis ins Frühjahr anhaltender Lockdown light, der die Zahl der Opfer auf hohem Niveau belässt?
Alles dichtzumachen, ab sofort bis zum Ende der Weihnachtsferien, das wäre ein Hoffnungsschimmer. Nicht weil er die Coronapandemie besiegen würde. Aber wir würden der dritten Welle, die viele Virologen für das kommende Jahr prognostizieren, gelassener entgegensehen. Und dem Impfstoff Zeit geben, Wirkung zu zeigen.
Eine sofortige Stilllegung des öffentlichen Lebens passt sogar in die Vorweihnachtszeit: runterkommen, in sich gehen, Besinnlichkeit. Die nebenbei noch Leben rettet. Weihnachten ist das Fest der Liebe. Und wer seinen Verwandten in diesem Jahr besonders viel Liebe geben will, der schenkt: physische Distanz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr