Coronabeschlüsse für Weihnachten: Preis der Lockerungen
Bund und Länder geben mit den Ausnahmeregeln zu Weihnachten ihre Eindämmungsziele auf. Damit rückt ein bisschen Normalität im Alltag in weite Ferne.
D er Corona-November war ein besonderer Monat: Zur Pandemiebekämpfung gaben die Regierungen von Bund und Ländern in gerade mal vier Wochen gleich drei verschiedene Losungen vor. Die ersten beiden standen noch im Einklang miteinander. Mit der dritten aber, den Weihnachtsbeschlüssen vom Mittwoch dieser Woche, ändern die Regierungen den Kurs der Coronapolitik ganz deutlich.
Zu Beginn des Monats sollte der neue Teillockdown, begrenzt bis Ende November, das exponentielle Wachstum der Neuinfektionen stoppen. Ein einleuchtendes Ziel, wären sonst doch die Intensivstationen in absehbarer Zeit überfüllt gewesen. Mediziner*innen hätten todkranken Patient*innen die Behandlung verweigern müssen. Seit das im März in Italien der Fall war, gilt eine solche Situation auch in Deutschland zu Recht als Horrorszenario.
Als das exponentielle Wachstum zur Monatsmitte tatsächlich gestoppt war, rückte ein anderes Ziel in den Vordergrund: die Zahl der Infektionen auf 50 pro 100.000 Personen und Woche zu senken. Ab diesem Wert traut die Politik den Gesundheitsämtern zu, wieder nachverfolgen zu können, wo sich infizierte Personen angesteckt haben. Ab diesem Punkt wäre prinzipiell also wieder eine „Coronanormalität“ möglich, wobei Restaurants, Museen und Fitnessklubs unter Hygieneauflagen öffnen können.
Mit den Beschlüssen vom Mittwoch geben die Regierungen das 50-Neuinfektionen-Ziel jetzt aber wieder auf. Explizit sagen sie das nicht, in der Konsequenz läuft aber alles darauf hinaus. Die zunächst nur leicht verschärften Beschränkungen werden kaum ausreichen, um die Infektionszahlen bis Weihnachten entscheidend zu senken. Durch die Lockerungen, die über die Feiertage und bis Neujahr geplant sind, dürften die Zahlen anschließend eher wieder steigen.
Normalität rückt in weite Ferne
Unterm Strich könnte sich also bis weit in den Januar hinein die aktuelle Situation fortsetzen: Die Kontaktnachverfolgung ist zwar nicht mehr möglich, die Zahlen sind immer noch hoch und die Kliniken stark belastet. Es besteht aber zumindest für den Moment keine akute Gefahr der Überlastung. Die Zahlen sind auf hohem Niveau stabil, und die Regierungen geben sich damit zufrieden, dass die Pandemie halb unter Kontrolle ist.
Die für Weihnachten vorgesehenen Lockerungen haben aber einen hohen existenziellen Preis: Mit den Infektionszahlen werden wohl auch die Todeszahlen auf hohem Niveau bleiben. Aktuell sterben pro Tag deutlich über 200 Menschen an oder mit Corona, in letzter Zeit sogar mehrmals über 400. Die Anzahl sei so hoch, wie wenn täglich ein Flugzeug abstürze, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder in dieser Woche.
Für Weihnachten nehmen er und ein Großteil der übrigen RegierungschefInnen das trotzdem in Kauf. Das ist grundsätzlich auch legitim, schließlich werden Lebensrisiken in diversen Bereichen laufend gegen andere Güter abgewogen. Im konkreten Fall stehen gegen den absoluten Lebensschutz die Interessen des Handels (der Lebensmittel, Feuerwerk und Geschenke verkaufen will) und die Bedürfnisse der Gesunden. Viele von ihnen wollen gerade in diesem Pandemiejahr, das an den Kräften zehrt, zumindest über die Feiertage etwas Normalität erfahren. Auch das ist etwas wert.
Nur, und damit kommen wir wieder zurück zum Anfang: Bleiben die Infektionszahlen hoch, rückt dafür auch die Möglichkeit einer Teilnormalität im Alltag in weite Ferne. Die Gesundheitsämter sind noch länger überfordert. Die Kontaktnachverfolgung funktioniert weiterhin nicht. Der Besuch im Pflegeheim, der Kinoabend oder das Handballtraining sind noch länger gestrichen. Dabei sind auch das Ereignisse, die im anstrengenden Pandemiewinter Kraft spenden könnten. Und dabei hängen auch hieran Umsätze und wirtschaftliche Existenzen.
In der Summe bleibt von den Weihnachtslockerungen also wenig übrig. Nur eines: das Leid der Kranken.
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