Contra Klimastreik: Disruption for Future!

Der Klimastreik der Fridays verschwendet nur Ressourcen, sie sind gescheitert. FFF brauchen die Taktiken von Ende Gelände und Letzter Generation.

Luisa Neubauer und Tadzio Müller stehen in schwarzen T-shirts nebeneinander

Nicht gerade ein Fan der Fridays: Tadzio Müller mit Luisa Neubauer im Juni 2020 Foto: Wolf­gang Borrs

Was wir in der Klimabewegung uns nicht gern eingestehen: Auch wir werden selbst immer mehr Teil der Verdrängungsgesellschaft, die permanent damit beschäftigt ist, die Klimakrise und ihre Schuld daran von sich wegzuschieben. Dass Fridays for Future allen Ernstes zum 13. Mal zu einem „globalen Klimastreik“ aufruft, ist dafür symptomatisch.

2018 und 2019 hatten diese großen Fridays-Demos eine unglaubliche Wucht, beförderten einen neuen historischen Akteur auf die Bühne der Weltgeschichte: die junge „Generation Klima“. Jetzt ist die Wucht zur Brise geworden. Relevanten politischen Fortschritt kann man nicht erwarten, wenn die Demos immer kleiner werden. Das demonstriert vor allem unsere Schwäche als Bewegung. Es gibt uns nur das Gefühl, aktiv zu sein, dabei richten wir in Wahrheit nichts aus.

Wir sind gescheitert. Unser zentrales strategisches Ziel, die Treibhausgasemissionen so abzusenken, dass die Erderhitzung die 1,5-Grad-Grenze nicht reißt, haben wir nicht erreicht. Global steigen die Emissionen weiter, in Deutschland sinken sie, aber lange nicht schnell genug. Ich meine damit nicht, dass das Scheitern schuldhaft ist. Oder dass es nie kleine Erfolge gegeben hätte. Gescheitert sind wir trotzdem.

Es gab in der Klimabewegung bisher drei strategische Phasen, die jeweils von verschiedenen Gruppen angetrieben wurden. Dahinter standen verschiedene Analysen darüber, warum es keinen Klimaschutz gibt.

Manchmal liefen Kraftwerke für ein paar Stunden nicht

Nummer 1: Es fehlt die Aufmerksamkeit für das Problem. Die wollten wir schaffen. Mit Ende Gelände haben wir Aktionen mit spektakulärer Optik durchgeführt. Wir stürmten zu Tausenden in weißen Maleranzügen die Kohletagebaue. Zwar hatten diese Proteste auch kurzweilige praktische Folgen: Manchmal liefen nahegelegene Kraftwerke für ein paar Stunden nicht, weil keine Kohle mehr ankam. Trotzdem war das mehr symbolisch, das eigentliche Ziel waren eindringliche Bilder – und die lieferten wir.

Nummer 2: Es fehlt die Zustimmung für die Bewegung und ihre Ideen. Fridays for Future war großartig darin, Zuspruch zu generieren. In Deutschland und weltweit. Plötzlich bestand die Klimabewegung nicht mehr aus radikalen Linken und spinnerten Ökos, sondern vor allem aus Kindern und Jugendlichen von nebenan. Sympathischer geht es nicht. Der Zulauf war enorm, plötzlich entstanden auch noch die Parents for Future, die Scientists for Future – fast jede Gruppe gibt es mittlerweile „for Future“.

Die Normalos – im besten Sinne – baten die Regierung um mehr Klimaschutz, organisierten große Demos, machten gute Vorschläge. Manche davon zeigten sogar ein bisschen Wirkung. Dass die Große Koalition sich nicht traute, in ihrem Klimapaket von 2019 mit einem CO2-Preis in Höhe von lächerlichen 10 Euro an den Start zu gehen, sondern auf etwas weniger lächerliche 25 Euro erhöhte, hatte sicher damit zu tun. Der große Wurf war das aber natürlich auch nicht.

Nummer 3: Es fehlen unmittelbare Kosten, wenn man als Politik keinen Klimaschutz liefert. Hier wollte Extinction Rebellion ansetzen, mittlerweile ist der relevante Akteur in Deutschland aber die Letzte Generation. Deren Idee ist, sich beim zivilen Ungehorsam vom Symbolcharakter zu lösen – und das fossile Alltagsleben ganz praktisch zu unterbrechen. Zum Beispiel den Autoverkehr. Das Problem: Alles in allem ist die Bewegung bisher doch zu klein. Und so bleibt es irgendwo doch im Symbolischen.

Je mehr Klimakatastrophe, desto mehr Faschismus

Die Klimabewegung steckt also tief in einer Legitimationskrise. Hinzu kommt noch etwas, das wir als Bewegung verdrängen, und darin unterscheiden wir uns keinen Deut von der Mehrheitsgesellschaft: die faschistische Welle, die die reichen Länder der Welt gerade erfasst. Einerseits gilt: Je mehr Klimakatastrophe, desto mehr Faschismus. Schließlich werden die Ressourcen knapper, die Konflikte stärker.

Das ist meist Nährboden für Hassideologien, selten für Solidarität. Und andererseits gilt auch: Je mehr Faschismus, desto weniger Klimaschutz. Die meisten der rechtsextremen Parteien leugnen schließlich die Klimakrise.

In dieser politisch komplizierten Situation organisiert Fridays for Future nun schon wieder einen „globalen Klimastreik“. Das ist eine Verschwendung aktivistischer Ressourcen. Was könnte diese immer noch größte und mit dem dicksten Legitimitätspolster ausgestattete Bewegungsorganisation erreichen, wenn sie sich weiterentwickeln würde?

Sie ist der einzige Akteur, der eine Synthese der drei bisherigen Phasen der Klimabewegung schaffen könnte: Aufmerksamkeit, Zustimmung, Kosten. Die sympathische Masse der Fridays könnte mit den Taktiken von Ende Gelände und der Strategie der Letzten Generation den fossilen Alltag ernsthaft durcheinanderbringen. Was, wenn sich von den hoffentlich wenigstens Zehntausenden, die am Freitag auf der Straße sind, ein paar Tausend einfach hinsetzen und bleiben? Disruption for Future. So brauchen wir die Fridays.

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47, ist Klimaaktivist der ersten Stunde, hat unter anderem die Gruppe Ende Gelände mitgegründet. Mittlerweile gehört er keiner spezifischen Gruppe mehr an.

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