CDU für Laschet, CSU für Söder: Fast ein Kanzlerkandidat
Es hätte so harmonisch werden können. Da stellt sich die CDU einmütig hinter Armin Laschet. Doch Markus Söder mag nicht einfach klein beigeben.
A ls Armin Laschet am Montagmittag mit einer halben Stunde Verspätung in der CDU-Zentrale ans Redepult tritt, hält er sich mit der Kandidatenfrage nicht lange auf. Er habe sich sehr gefreut über die große Unterstützung in Präsidium und Bundesvorstand, sagt der CDU-Chef. Und geht dann schnell zur Zukunft über. „Ich will ein modernes Deutschland, das die Klimafrage mit der wirtschaftlichen Frage verbindet“, sagt Laschet.
Dann spricht er über Industriearbeitsplätze, über Nachhaltigkeit und über Vielfältigkeit, Stadt und Land, junge und alte Wähler und über Europa und macht damit klar: Hier sieht sich einer nicht mehr als Anwärter. Armin Laschet sieht sich als Kanzlerkandidat der Union.
Doch sein Kontrahent will so schnell nicht klein beigeben. Am Nachmittag meldet sich Markus Söder aus München zu Wort: Da hatte sich das CSU-Präsidium einmütig für ihn als Kanzlerkandidat ausgesprochen. Es sei jetzt noch nicht der Tag der Entscheidung, vielmehr werde man sich Ende der Woche zusammensetzen, sagt Söder. Und er werde auch darum bitten, dass sich nicht nur zwei Personen zusammensetzen, sondern dass weitere Vertreter beider Parteien mit dabei seien. Er sei gegen ein „Hauruckverfahren“.
Der bayerische Ministerpräsident betonte zudem, der Kanzlerkandidat der Union müsse von einer breiten Mehrheit der Mitglieder getragen werden. Er, Söder, sei bereit, Verantwortung zu übernehmen.
Der erste Akt: Das CDU-Präsidium tagt
Um neun Uhr am Montagvormittag hatte in Berlin der Versuch begonnen, die Kanzlerkandidatenkür zu klären. Da war bereits das Präsidium der großen Schwesterpartei CDU zusammengekommen, zum ersten Mal seit Monaten zu einer Präsenzsitzung im Konrad-Adenauer-Haus. Laschet bat dort „um Vertrauen“, so hatte er es zumindest am Abend zuvor in einem Interview angekündigt. Das aber ist vorsichtig ausgedrückt. Laschet forderte ein Votum des CDU-Spitzengremiums für seine Kanzlerkandidatur.
Paul Ziemiak, CDU-Generalsekretär, nach der Sitzung in Berlin
Und das bekam er dann auch. Alles andere hätte allerdings auch bedeutet, den frisch erwählten CDU-Chef gleich wieder zu demontieren. „Das Meinungsbild im Präsidium sowie im Vorstand ist eindeutig“, sagt CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, der am Redepult neben Laschet steht und als Erster spricht. „Es gibt breite Unterstützung für Armin Laschet als Kanzlerkandidat von CDU und CSU.“ Das Präsidium habe deutlich gemacht, dass man Laschet für „außergewöhnlich geeignet halte“, ließ sich unter anderem der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier zitieren, einer der Granden der CDU.
Es soll eine breite Aussprache gegeben haben, Ziemiak sprach von über 40 Wortmeldungen. Im Präsidium hätten mehrere Mitglieder deutlich gemacht, berichten Teilnehmer:innen, dass die aktuellen Umfragen nicht die Entscheidung über die Kandidatenfrage bestimmen sollten. In denen liegt Laschets Konkurrent Söder weit vorne. Die Präsidiumsmitglieder aber attestierten Laschet, er könne „Meinungen zusammenführen, Haltung entwickeln und diese auch durchgehend vertreten“. Große Unterstützung soll Laschet im Vorstand von Wolfgang Schäuble erhalten haben.
All das ist zwar noch kein offizieller Beschluss, wie auch Laschet am Mittag betont. Er spricht von „einem Meinungsbild der CDU“. Doch dass es keinen offiziellen Beschluss geben werde, war schon vorher klar. Denn darauf hatten sich Laschet und Söder zuvor geeinigt. Doch hinter die Voten ihrer höchsten Führungsgremien kann die CDU nun schwerlich zurück. Das heißt dann: Armin Laschet, 60, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, wird aller Voraussicht nach Kanzlerkandidat der Union werden und würde damit das Duell mit Söder, das erst seit Sonntag ein offenes ist, für sich entscheiden.
Das Vorspiel: der freundliche Söder
Am Sonntag nämlich hatten die Parteichefs von CDU und CSU, die auch Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und Bayern sind, bei einer Klausur des geschäftsführenden Vorstands der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ihren Willen zur Kandidatur erklärt – Söder hier zum ersten Mal. Der Franke hatte lange beteuert, dass sein Platz in Bayern sei. Überraschend für Laschet aber kam Söders Auftritt nicht.
Die beiden Kontrahenten hatten am Samstag lange telefoniert, es aber nicht geschafft, sich auf einen Kandidaten zu einigen. „Wir haben festgestellt, dass wir beide geeignet und beide bereit sind“, sagte Söder am Sonntagnachmittag und das klang ein wenig danach, dass ein Showdown in diesem Machtkampf, den er seit vielen Wochen mit Kritik und Sticheleien in Richtung Nordrhein-Westfalen anheizt, noch ausstehe – was er am Montagnachmittag mit seinen Äußerungen befeuerte. Doch Söder sagte am Sonntag auch: „Wenn die CDU bereit wäre, mich zu unterstützen, wäre ich bereit.“ Wenn die CDU, die nun einmal die größere der beiden Schwesterparteien sei, sich aber anders entscheide, „bleibt ohne Groll eine gute Zusammenarbeit“.
Damit hat Söder eigentlich eine Hintertür aufgemacht, durch die er wieder entschwinden könnte. Darauf wies auch Laschet am Montag hin, wenn auch etwas verklausuliert: „Sie kennen die Erklärung von Markus Söder vom gestrigen Tag“, sagte Laschet den fragenden Journalist:innen – und dürfte damit die Bedeutung der CDU-Entscheidung gemeint haben.
Der zweite Akt: Die CSU tagt
Ob es aber bei Söders Erklärung vom Sonntag bleibt, das wurde am Montagnachmittag eben fraglich. Aus Stellungsnahmen der CSU zum Beschluss der Schwester CDU wurde deutlich, dass die bayerische Partei keineswegs unwidersprochen ihren Kandidaten Söder einfach zurückziehen will. Söder selbst strafte alle Beobachter Lügen, die vermutet hatten, vielleicht sei die Bewerbung vom Sonntag nur ein besonders geschicktes Rückzugsmanöver, um sich hinterher nicht vorwerfen zu lassen, er habe gekniffen.
Das Warming-up bei der Pressekonferenz nach der CSU-Präsidiumssitzung in München erledigte Generalsekretär Markus Blume und winkte gleich mal mit dem Zaunpfahl zur CDU-Spitze nach Berlin: Es sei nicht der Tag der Entscheidung, sondern der Beginn der Beratung. Es gebe je eine Empfehlung für Armin Laschet und eine für Markus Söder, aber auch „eine deutliche Mehrheitsmeinung in der deutschen Bevölkerung“.
Markus Söder, Kanzlerkandidatenkandidat
Sollen also den Ausschlag nun doch nicht mehr das Votum der CDU, sondern die guten Umfragewerte für den bayerischen Ministerpräsidenten geben? Nach dem eindeutigen Votum des CDU-Präsidiums vom Montagvormittag, das keine Anstalten machte, Söder zu rufen, sieht die Sache nun anders aus. Das entscheidende neue Wording lautet: „in der Breite“. Nur wenn sich die beiden Unionsparteien „in der Breite“ gegen ihn entscheiden, will Söder das nunmehr akzeptieren. Sprich: Auch die Landesverbände und möglichst die Bundestagsfraktion sollen gehört werden. „Personen spielen nun einmal eine zentrale Rolle“, argumentiert Söder. „Personen ziehen die Parteien.“
Es solle aber kein endloser Prozess werden, man könne noch in dieser Woche zu einem Ergebnis kommen. Eine Mitgliederbefragung, wie sie zuvor Thomas Kreuzer, der CSU-Fraktionsvorsitzende im bayerischen Landtag, ins Spiel gebracht hatte, lehnte er deshalb ab.
Wie gefährlich ein Streit über die Kanzlerkandidatenfrage für CDU und CSU gleichermaßen werden könnte, hatte Söder am Sonntagnachmittag selbst angesprochen, indem er auf den destruktiven Machtkampf der damaligen Chefs der beiden Parteien im Bundestagswahlkampf 1980 verwies. „Wir sind nicht Helmut Kohl und Franz Josef Strauß“, sagte Söder. „Optisch nicht und inhaltlich auch nicht.“ Damals konnten sich die beiden nicht über die Kanzlerkandidatur einigen, Kohl favorisierte den niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht, Strauß sich selbst. Schließlich entschied die Bundestagsfraktion – sie sprach sich für die Kandidatur von Strauß aus. Der trat an und verlor.
Dieses Mal könnte es anders kommen, zumindest was die Kandidatur angeht. Auch wenn der eine oder die andere in der CDU fordert, dass auch heute die Bundestagsfraktion der Union entscheiden solle, gewichtige Stimmen sind es nicht. Stattdessen spricht viel dafür, dass sich nun Laschet gegen viele Widerstände durchsetzen wird, ein versierter Machtpolitiker, der Steherqualitäten hat, aber oft unterschätzt wird. Ganz anders als der breitbeinige Söder, der mit jeder Pore Führungswillen und Stärke ausstrahlt, kommt Laschet eher freundlich und abwägend daher, böse kann man auch sagen: mitunter hilflos und verzagt.
In der Pandemie wirkte Laschet oft wankelmütig, während Söder der zu sein schien, der der nervösen Bevölkerung sagt, wo’s lang geht. Was den Erfolg ihrer Coronapolitik angeht, gibt es zwischen den Ländern allerdings keinen großen Unterschied, wie ein Blick auf die Infektionszahlen des Robert Koch-Instituts zeigt.
Die Umfragen sprechen für Söder
Laschets politische Karriere ist von vielen Niederlagen durchzogen, die er am Ende in Siege verwandelt hat. Will er tatsächlich Kanzler werden, hat er aber noch einen weiten Weg vor sich. Seine Umfragewerte sind schlecht, sehr schlecht sogar. Nur ein Drittel der Wähler:innen, die bei der letzten Bundestagswahl für die Union gestimmt haben, würden dies mit einem Kandidaten Laschet tun.
Auch die Werte der Union sind deutlich unter 30 Prozent gerutscht und nähern sich den Grünen an. Hinzu kommen die schlechte Performance der Regierung in der Pandemie, Korruptionsaffären und Sinnkrisen.
Nächster Kandidat Die Auswahl des Kanzlerkandidaten der Union wird nach den Worten von Grünen-Co-Chef Robert Habeck keinen Einfluss auf die Entscheidung seiner Partei haben. Die Grünen würden ihren Entschluss wie geplant am 19. April verkünden, sagte Habeck am Montag. Habeck und Co-Chefin Annalena Baerbock wollen untereinander klären, wer von beiden für das Kanzleramt antreten wird.
Für stabile Union „Wir nehmen es, wie es kommt“, sagte Habeck. Die Entscheidung der Union sei deren Baustelle. „Wir brauchen eine handlungsfähige konservative Partei in Deutschland.“ (rtr)
Auch ist die Kanzlerin bei der Bundestagswahl zwar noch im Amt und damit verantwortlich. Der Amtsbonus aber wird wegfallen, schließlich tritt sie nicht mehr an. Merkel übrigens soll sich am Sonntag in der Fraktionsklausur indirekt für Laschet ausgesprochen haben.
So kritisierte sie laut Teilnehmer:innen Bayern für eine mangelnde Umsetzung der vereinbarten Notbremse in der Coronakrise. Bayern sei weiter abgewichen als Nordrhein-Westfalen, so die Kanzlerin. Auch forderte sie einen „Brücken-Lockdown“, den Begriff hat Laschet geprägt und er wurde dafür verspottet.
Bleibt die Frage, warum Söder trotz einer sich andeutenden Entscheidung zu Laschets Gunsten bei der Fraktionsklausur am Sonntag seinen Hut überhaupt in den Ring warf. Eine mögliche Erklärung: Weil er, der stets Stärke ausstrahlende CSU-Chef, nicht mehr anders konnte, nachdem er sich wochenlang vorgearbeitet hatte. Es hätte wie Kneifen gewirkt. Oder wie es der Söder-Biograf Roman Deininger in der Süddeutschen Zeitung so schön formulierte: „Wahrscheinlich verhält es sich mit Söder und der Macht wie mit dem Hund und der Wurst: Sobald die Wurst in Reichweite liegt, ist es keine freie Entscheidung mehr für den Hund.“
Hinzu kommt: Söder hat in diesem Machtkampf nicht viel zu verlieren. Er kann stets darauf verweisen, dass er eben nur die kleinere Schwesterpartei repräsentiert. Und sollte Laschet bei der Bundestagswahl im Herbst scheitern, kann Söder darauf verweisen, dass es mit ihm möglicherweise anders ausgegangen wäre. Und er kann auf eine neue Chance in vier Jahren spekulieren.
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