CDU-Wahlkampfauftakt in NRW: Merz kann nicht anders

Der Landesparteitag der CDU sollte eine Krönungsmesse für den Kanzlerkandidaten werden. Doch er macht die Risse in der Union deutlich.

Friedrich Merz spricht vor CDU-Logo

Er wähnt sich schon im Kanzleramt: Der Kanzlerkandidat der Union, Friedrich Merz Foto: Guido Kirchner/ dpa

Münster taz | Von seiner Fixierung auf die Grünen als „Hauptgegner“ kann Friedrich Merz auch im schwarz-grün regierten größten Bundesland Nordrhein-Westfalen nicht lassen. „Robert Habeck ist Kinderbuchautor – und ich bin Jurist“, ruft der Kanzlerkandidat den Delegierten des CDU-Landesparteitags am Samstag in Münster zu. Ich bin Profi – und der Vizekanzler, der vor seiner Zeit als Minister in Schleswig-Holstein mehrere Romane veröffentlicht hatte, der ist Amateur, soll das wohl heißen.

Dabei soll das Treffen der rund 600 Delegierten eine möglichst harmonische Krönungsmesse für Merz werden. Vor knapp zwei Wochen haben erst Nordrhein-Westfalens CDU-Regierungschef Hendrik Wüst und dann auch Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder verzichtet. Erstmals als Kanzlerkandidat tritt Merz jetzt vor seinem Heimatverband auf – und Wüst versucht alles, um ihm einen warmen Empfang zu verschaffen.

Persönlich wartet er vor der Halle Münsterland auf seinen Bundesparteichef, holt ihn an seiner Mercedes-Limousine ab. Mit dem treibenden Beat von „Levels“ von Avicii ziehen beide dann durch die Reihen der Delegierten zur Bühne.

Merz versucht zu liefern

Dort versucht Merz zu liefern: „Heute genau in einem Jahr ist Bundestagswahl“, beginnt er seine Rede. „Und wir sind fest entschlossen, um 18 Uhr diejenigen zu sein, die die Bundestagswahl gewonnen haben.“ Zum dritten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik sei die Union jetzt in der Opposition. Und beim ersten Mal habe es 13, beim zweiten Mal 7 Jahre gedauert, bis CDU/CSU wieder die Bundesregierung stellten. „Dieses Mal sind maximal 4 Jahre genug“, ruft Merz – und macht klar: Hier steht ein Mann, der sich bereits im Kanzleramt sieht.

Der Sauerländer spricht hart, abgehackt, fast schnarrend – und wirkt manchmal wie die Karikatur eines preußischen Militaristen. Der Kanzlerkandidat redet über Migration als „Daueraufgabe“ und versichert treuherzig, die CDU sei „nicht die Partei, die Migration in erster Linie als Problem gesehen hat“. Für die, „die hier ihren Lebensunterhalt verdienen wollen, die sich integrieren wollen“, bleibe Deutschland offen, erklärt der Konservative – und grenzt sich hart von der „ausländerfeindlichen“ AfD ab: „Mit diesen Leuten haben wir nichts zu tun.“

Doch kaum verklausuliert macht Merz auch klar: Unter seiner Regierung soll es einen ordnungspolitischen Rechtskurs mit weniger Sozialleistungen und Klimaschutz geben. Merz fordert eine „Agenda 2030“. Ar­beit­neh­me­r:in­nen müssten dazu gebracht werden, „wieder mehr zu leisten, als im Arbeitsvertrag steht“ – nur so könne die Bundesrepublik „Land der industriellen Fertigung“ bleiben. Das gerade erst eingeführte Bürgergeld will Merz genauso abschaffen wie „die überbordende europäische Bürokratie“.

Auf der Bremse bei der Klimapolitik

In der Energiepolitik verspricht der 68-Jährige eine „360-Grad-Perspektive“, hält sich also auch den Wiedereinstieg in die Atomkraft offen. Beim Klimaschutz blickt Merz weiter skeptisch auf E-Autos und Wärmepumpen, verspricht stattdessen „Technologieoffenheit“. Überhaupt will er in der Klimapolitik auf die Bremse treten: Es möge sich doch niemand einbilden, „dass ein Land wie Deutschland es allein schaffen kann“, erklärt er zum Thema „weltweite Klimaneutralität“.

Dann schießt er noch einmal scharf gegen den grünen Bundeswirtschaftsminister Habeck. „Im Kern korrigiert werden“ müsse dessen Kurs. „Wir wollen bessere Rahmenbedingungen für alle“, ätzt Merz, „und nicht möglichst hohe Subventionen für wenige.“

Deutlich macht der CDU-Bundestagsfraktionschef damit aber auch die Risse, die weiter durch die Union gehen. Mögen er, Wüst und Söder noch so oft die „Geschlossenheit“ ihrer Parteifamilie betonen – in seiner Einführungsrede hat Wüst zuvor deutlich gemacht, dass er für den Bundestagswahlkampf ganz andere Schwerpunkte sieht als Merz: Der NRW-Ministerpräsident stärkt den Sozialflügel um seinen frisch gewählten neuen Vorsitzenden, den Bochumer Dennis Radtke. Wüst verspricht „Wohlstand für alle“ und „Aufstieg durch Bildung“.

Grüne stimmten „Sicherheitspaket“ zu

Ausdrücklich lobt er seinen Koalitionspartner – schließlich haben die vier grünen Mi­nis­te­r:in­nen im Kabinett Hendrik Wüst einem verschärften „Sicherheitspaket“ zugestimmt, das „irreguläre Migration“ bekämpfen soll und das Nordrhein-Westfalen am Freitag auch bereits in den Bundesrat eingebracht hat. Mehr Repression gegen Asylsuchende und erweiterter Vorratsdatenspeicherung etwa haben die NRW-Grünen damit ebenso zugestimmt wie dem Einsatz von Gesichtserkennung und dem Bau eines zweiten Abschiebeknasts.

Umso mehr freut sich Wüst, dass sich auch der grüne Co-Landesvorsitzende Tim Achtermeyer zum CDU-Landesparteitag angekündigt hat. Doch die Christdemokraten müssen mit dem grünen Landesgeschäftsführer Raoul Roßbach vorliebnehmen – Achtermeyer kommt nicht. Der grüne Landes­chef hat andere Probleme: An diesem Samstag erklärt der Vorstand der Grünen Jugend auch in NRW, geschlossen aus der Partei austreten zu wollen. „Wir wollen“, heißt es zur Begründung, „nicht länger unseren Kopf hinhalten für eine Politik, die wir falsch finden.“

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