Bundestag stimmt gegen Unionsantrag: Friedrich Merz scheitert mit seinen Plänen
Trotz Warnungen wollte der CDU-Chef sein „Zustrombegrenzungsgesetz“ durch das Parlament bringen. Doch Union, FDP, BSW und AfD verfehlten die Mehrheit.
Die Gruppe der Linken applaudiert, CDU-Chef Friedrich Merz blickt fragend um sich. Der Spuk, der das Parlament die vergangenen 48 Stunden umgetrieben hatte, ist vorerst abgewendet: Die Union kann ihr geplantes Gesetz zur Verschärfung der Einwanderungspolitik in Deutschland trotz den Stimmen des BSW und der AfD nicht durchbringen. Die taz berichtete in einem Live-Ticker.
Zu viele Abweichler*innen aus der Union und der FDP machen dem CDU-Chef einen Strich durch die Rechnung. Immerhin 12 Abgeordnete aus der CDU/CSU-Fraktion verweigern dem Kanzlerkandidaten ihre Gefolgschaft für sein „Zustrombegrenzungsgesetz“ und geben keine Stimmen ab.
Kurz darauf tritt Merz vor die Kameras, er wirkt gefasst: „Ich bin mit mir sehr im Reinen, dass wir es wenigstens versucht haben“, sagt er. Merz bemüht sich um eine eigene Interpretation der Ereignisse der vergangenen Stunden: Er selbst und die Union gingen gestärkt aus dem Tag hervor. „Der deutsche Parlamentarismus ist der einzige Sieger. Die heftige Debatte hat uns allen genützt.“ Eine eigenwillige Sichtweise.
Die Debatte war nicht nur heftig, der Tag war vor allem durch zahlreiche Wendungen und lange Phasen der Unklarheit geprägt. Über mehr als drei Stunden liefen die Abgeordneten zwischen dem Plenarsaal und den Fraktionssälen im dritten Stock des Hauses hin und her. Die Fraktionsvorsitzenden von FDP, Grünen und SPD versuchten, den CDU-Chef dazu zu bringen, die Abstimmung zu seinem Gesetzentwurf aufzuschieben – vergeblich.
Wie das Ergebnis zeigte, waren vor allem bei der FDP die Zweifel daran gewachsen, dass sie sich beim „Zustrombegrenzungsgesetz“ auf dem richtigen Weg befindet. Obwohl die Liberalen bereits Anfang der Woche ihre Zustimmung zu dem Vorhaben signalisiert hatten und Parteichef Christian Lindner am Mittwoch im Bundestag mit heftigen Worten für eine restriktive Asylpolitik geworben hatte, sind am Freitag 23 von insgesamt 90 FDP-Abgeordneten nicht auf Parteikurs: 16 beteiligen sich nicht an der Abstimmung, 5 enthalten sich und zwei stimmen sogar gegen den Gesetzentwurf.
Der FDP steckt der Mittwoch noch in den Knochen
Mit diesem Stimmungsbild muss FDP-Fraktionschef Christian Dürr bereits am Morgen konfrontiert gewesen sein: Um 9.30 Uhr kündigt er an, einen Antrag einzubringen, um das Gesetz in den Ausschuss zu verweisen und dort aus der „demokratischen Mitte“ an einem Kompromiss zu arbeiten. Den FDP-Abgeordneten steckte da wohl die Entscheidung zwei Tage zuvor in den Knochen.
Am Mittwoch hatte die Union mit Hilfe der FDP und um die Zustimmung der AfD wissend, einen Antrag durch den Bundestag gebracht, mit dem die Regierung etwa aufgefordert wurde, flächendeckend Grenzkontrollen an den deutschen Grenzen einzuführen und Asylsuchende pauschal zurückzuweisen. Der Aufschrei war groß: Die Union war als Initiatorin des Antrags mit dem Vorwurf konfrontiert, die Brandmauer gegen die AfD eingerissen zu haben.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Bernd Baumann, wähnte sich bereits „in einer neuen Epoche“ – und hoffte auf mehr Macht, indem seine Partei nun dem Gesetzentwurf der Union zu einer notwendigen Mehrheit verhelfen sollte. An der AfD lag es denn auch nicht, dass dieses Vorhaben der Union am Freitag keine Mehrheit erhielt. Bis auf einen Abwesenden stimmte die extrem rechte Partei geschlossen für den Gesetzentwurf der Unionsfraktion.
Parteichefin Alice Weidel machte ihren Rückhalt für die Pläne der Union nach der verlorenen Abstimmung erneut deutlich: „Die AfD steht geschlossen. Es gibt keine Abweichler, die einem berechtigten Anliegen in den Rücken fallen“, sagte sie. Dem CDU-Chef warf sie vor, seine Partei nicht im Griff zu haben. Sie fragte, wer die CDU aktuell führe: „Ist es immer noch Frau Merkel oder ist es Herr Merz?“
„Kehren Sie um“
Damit bezog sie sich auf die Erklärung der ehemaligen Bundeskanzlerin, mit der sie am Donnerstag den CDU-Chef scharf dafür kritisiert hatte, mit seinem Wort gebrochen zu haben und entgegen früherer Ankündigungen Mehrheiten mit der AfD gefunden zu haben. Inwieweit es diese Worte von Merkel waren, die am Freitag bei den Abweichler*innen verfingen, ist unklar.
Deutlich war jedoch, dass es ein deutliches Unbehagen zumindest bei einigen in der Unionsfraktion gegenüber den Plänen von Merz gab, die Abstimmung zum Zustrombegrenzungsgesetz durchzudrücken. Mehr als 20 Minuten tagte sie am Freitagmittag hinter geschlossenen Türen, nachdem klar war, dass Merz SPD und Grüne nicht für sein Vorhaben gewinnen würde, den Entwurf im Bundestag zu unterstützen. Als die Unionsabgeordneten danach in den Plenarsaal zurückkehrten, gaben sie sich dennoch geschlossen, es auf die Abstimmung ankommen zu lassen.
Daran änderten auch weitere Interventionen nichts, diesmal von SPD und Grünen. „Ich kann Ihnen nur sagen Kollege Merz, kehren Sie um“, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich in der Debatte. Aus der Gruppe der Linken erinnerte deren parlamentarischer Geschäftsführer Christian Görke die Union nochmal an „unsere Kanzlerin Angela Merkel“ und ihre Mahnung. Als SPD und Grüne die Zurückstellung des CDU-Entwurfs in den Ausschuss beantragen, gehen auch die Hände bei den Linken in die Höhe.
Doch eine Mehrheit aus Union, FDP, AfD und BSW: stimmt geschlossen dafür, zur Abstimmung über das Unionsgesetz zu schreiten. Damit schien Friedrich Merz freie Bahn für sein Vorhaben zu haben, sich notfalls auch am rechten Rand der Stimmen zu bedienen. Doch schließlich kam es anders. Nicht einmal die Zustimmung von Sahra Wagenknechts BSW, das sich am Mittwoch noch enthalten hatte, hat gereicht. Fraglich ist jedoch, ob dieses Scheitern eine nachhaltige Wirkung auf die Union haben wird.
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