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Bundesparteitag des BSWErst der Anfang

Das BSW liegt in Umfragen unter 5 Prozent. Dennoch glaubt die Partei, in den Bundestag einziehen zu können. Wagenknecht wird Kanzlerkandidatin.

Sahra Wagenknecht (hier mit Ehemann Oskar Lafontaine) ist auf dem BSW-Parteitag zur Kanzlerkandidatin gewählt worden Foto: Hannes P. Albert/dpa

Bonn/Hamburg taz | Kanzler Olaf Scholz ein Politiker für „Reiche und Mächtige“, seine SPD eine „Rentenkürzungspartei“, sein Herausforderer Friedrich Merz (CDU) ein „Bettvorleger der Grünen“. Die wiederum die Partei, die „das Leben der Menschen immer teurer macht“ und „kriegsbesoffen“ ist – dazu die AfD als „Donald Trumps Fanclub“: Mit heftigen Attacken gegen Politiker anderer Parteien von Generalsekretär Christian Leye, Co-Parteichefin Amira Mohamed Ali und der Namensgeberin und selbsternannten Kanzlerkandidatin selbst ist das Bündnis Sahra Wagenknecht in Bonn in den Bundestagswahlkampf eingestiegen.

Im World Conference Center in Rheinnähe beschloss der zweite BSW-Bundesparteitag sein Wahlprogramm, das die Partei trotz aktuell schlechter Umfragen von 4 Prozent am 23. Februar in den Bundestag tragen soll. Abstimmungsberechtigt waren die 605 anwesenden der bundesweit rund 1.100 Parteimitglieder – rund 25.000 sogenannte „Unterstützer:innen“ haben es auch ein Jahr nach Parteigründung noch immer nicht in die Partei geschafft.

Zu Beginn des Wahlprogramms geht es um Friedenspolitik. Das BSW warnt vor einem Atomkrieg mit Russland – und lehnt deshalb die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen ebenso ab wie die Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine. Für die soll generell „kein weiteres deutsches Steuergeld bereitgestellt“ werden.

Was das konkret bedeutet, machte die ursprünglich aus dem Ruhrgebiet stammende BSW-Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen, die auf Platz 2 der Berliner Landesliste fürs Parlament kandidiert, klar: „Keine Waffen, kein Cent, erst recht keine Soldaten für die Ukraine“, rief sie unter Beifall. Stattdessen müsse sich Deutschland vom Einfluss der USA befreien und so seine „Souveränität“ wiedergewinnen, forderte Dağdelen unter dem Slogan „Ami go home“. Antiamerikanismus klang auch im Grußwort des Co-Herausgebers des Online-Magazins multipolar, Paul Schreyer, an: Der behauptete, es gebe ernsthafte Theorien, die den Ursprung des Coronavirus in US-Laboren sehen.

Aus Hamburg kamen die Partei-Rebellen Dejan Lazić und Norbert Weber

BSW will populistische Härte beim Thema Migration zeigen

Sozialpolitisch fordert das BSW eine Mindestrente nach 40 Versicherungsjahren, einen Mindestlohn von 15 Euro und längere Zahlungen von Arbeitslosengeld für „langjährige Beitragszahler“. In der Wagenknecht’schen russlandfreundlichen Tradition fordert das BSW „Energieimporte, die sich am Kriterium des niedrigsten Preises orientieren“, dazu ein Ende der „Autofeindlichkeit“, des Verbrennerverbots und des Heizungsgesetzes des grünen Wirtschaftsministers Robert Habeck.

Aus Hamburg angereist waren die Partei-Rebellen Dejan Lazić und Norbert Weber, die sich am migrationsfeindlichen Kurs der jungen Partei stören und hofften, das Ruder herumreißen zu können. Denn: Populistische Härte zeigen will das BSW auch beim Thema Migration. „Der unkontrollierte Zustrom von Menschen, über deren Biografie, Integrationsbereitschaft und Einstellung“ man sehr wenig wisse, sei „ein Sicherheitsrisiko“, schreibt Wagenknechts Partei in ihrem Wahlprogramm. Und Plakate mit Sahra Wagenknechts Konterfei werben mit dem Spruch „Unser Land wünscht sich weniger Migration“. Zudem sollten Menschen, die über sichere Drittstaaten einreisen, gar „kein Recht auf Aufenthalt“ mehr haben, weder ein Asylverfahren noch soziale Leistungen.

Lazić' Streit mit dem BSW

Der Jurist Dejan Lazić, der sich in den 90ern in der Flüchtlingsarbeit engagierte und später Asylbewerber vertrat, erklärte auf Facebook, dies sei Volksverhetzung und bediene „rassistische sowie völkische Elemente“. Wäre dies ein AfD-Programm, gebe es sofort einen Aufschrei und Demos gegen rechts. Doch die Führung des BSW bestehe mehrheitlich aus gut integrierten Migranten, was es „nicht besser, sondern schlimmer“ mache. Auf dem Bundesparteitag wollte Lazić gegen diesen Kurs mobilisieren und kündigte an, sollte sich eine Mehrheit dafür entscheiden, „verlasse ich das BSW“.

Allerdings: Das BSW ist Lazić zuvorgekommen. Der Bundesvorstand entzog ihm und Weber alle Mitgliedsrechte und beantragte den Rauswurf, weil sie sich „parteischädigend“ verhielten. So durften sie die Bonner Parteitagshalle auch nicht betreten. Die beiden hatten öffentlich die „Top down“-Struktur des BSW kritisiert und dass nur der Bundesvorstand neue Mitglieder aufnimmt. Als Akt des Protests gründeten sie am 15. Dezember mit sieben BSW-Mitgliedern einen eigenen Landesverband und meldeten gar einen eigenen Kandidaten für die Bundestagswahl an. Seither tobt der Streit, auch auf juristischer Ebene.

Trotz des Streits blicken sowohl die BSW-Namensgeberin wie auch die Basis optimistisch auf die Bundestagswahl: „Ganz normal“ seien die aktuellen Umfrageergebnisse. „Wir haben eben noch keine Stammwählerschaft.“ Der Bundesparteitag sei erst der Auftakt des Wahlkampfs, meinte auch Claudia Wittig, in Sachsen-Anhalt auf Platz 3 der Landesliste: „Klar schaffen wir es in den Bundestag.“

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24 Kommentare

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  • Die guten Nachrichten sind derzeit rar. Dass diese antiamerikanische, Israel-hassende und ausländerfeindliche nationalbolschewistische Clique von Putin-Fetischisten unter 5 Prozent steht ist so eine.

  • Unkontrollierter Zustrom von Menschen? Den gibt es in Deutschland und in Europa ganz sicher nicht. Das ist reine Anbiederung an die AfD-Wählerschaft.



    Deutschland wünscht sich weniger Einwanderung? Nicht in meinem Namen.



    Die Kanzlerkandidatin des BSW gräbt ihrer Partei mit ausländerfeindlichen Parolen das eigene Grab.

  • Sahra Wagenknecht hat der Linke den Sargnagel eingeschlagen. Darf sie auch, ist ihr gutes Recht die Linke zu verlassen.



    Nun kann es passieren, dass sie die 5% nicht schafft. Dann hat sie der Linke und sich selbst den Sargnagel eingeschlagen. Ehrlich gesagt, bei der Linke und vor allem der Putin-Versteherin wäre dies kein schlechtes Ergebnis. Wobei dann eine linke Partei im Sinne realer linker Politik im Bundestag schon fehlen würde, denn die SPD hat mit links gar nichts mehr am Hut.

  • Wenn das eigene Programm nur darauß besteht aufzuzählen was die anderen alles falsch machen.......

  • Ich glaube, das BSW hat eine Chance, juristische Schwierigkeiten werden sie irgendwann auch kriegen, so hart, wie da miteinander umgegangen wird. Aber kurzfristig wird diese Bewegung sich wahrscheinlich etablieren können. BSW positioniert sich schon ganz anders als die Linke oder die AfD, so einfach aburteilen kann man diese Partei nicht. Auch wenn es befremdlich ist, dass eine oder zwei Personen (Wagenknecht und Lafontaine) da so exponiert vorne stehen.

  • "Wagenknecht wird Kanzlerkandidatin"



    Das alleine zeigt doch, wie weit Wagenknecht von der Realität entfernt ist. Null, Null Chancen, aber einen auf Kanzlerin machen.



    Träume weiter Sahra, ich hoffe dass Sie die 5% nie erreichen.

    • @Hans Dampf:

      Wie heißen eigentlich die Kanzlerkandidaten der Piraten, Grauen Panther, Partei Bibelreuer Christen, und der Partei des Ewigen Lebens? Die haben ähnlich große Chancen wie Wagenknecht, ins Kanzleramt einzuziehen. Sind Aiwanger und Lindner eigentlich auch Kanzlerkandidaten?



      Vielleicht war es ein Fehler, das Geschäftsmodell mit den klugen Büchern und den noch klügeren Auftritten in Talkshows aufzugeben. Echte Politik ist vielleicht nicht das Richtige für sie.

  • Stellt Euch das mal wirklich realitätsnah vor:



    Bundeskanzlerin Wagenknecht ! Hat die ein Kabinett und wenn, hat das irgendeinen Wert? Remigration - ist das eine Priorität? Wird die russische Botschaft ins Kanzelramt integriert? Wird die US-Botschaft geschlossen? Dürfen andere Parteien -vor allem demokratische- weiter existieren? Wird es freie Medien geben oder nur noch TikTok, X oder FB? Wird "Schengen" eingestampft? Wird es weiter Kommunal-, Landtags- und Bundestagwahlen geben oder wird das Politbüro per Dekret "regieren", gar Sarah ganz alleine???

  • In Anlehnung an einer Aussage von einer Rednerin in Hamburg, kann ich nur rufen, Wagenknecht go home!



    Verschone uns mit deiner ausländerfeindlichen, Putin freundlichen und antiwestlichen Politik.

  • Unter 5%?



    Insa vom 11.1.2025: 6%



    Infratest dimap vom 9.1.2025: 5%



    Was ist hier unter 5%?

    • @Mouse:

      Forsa 4%



      Forschungsgruppe Wahlen 4%



      GMS 4%

  • Man muss es klar sagen: Wer die Prüfung des Dublin III-Falls bzw. des Antrags auf Asyl und Flüchtlingsstatus auf deutschem Boden ablehnt, verstößt gegen die Verordnung (EU) 2024/1351, die über ihren Vorgänger 604/2013 seit 2013 gilt, und außerdem gegen Art. 16a GG. Die Versagung von Grundleistungen an Flüchtlinge verstößt laut BVerfG gegen Art. 20 GG. Das ist eindeutig AfD-Sprech. Die Art und Weise, wie die Kaderpartei organisiert ist und Entscheidungen von oben beliebig durch Aufnahme aus einem Pool von 25.000 Anwärtern bei nur 1100 Mitgliedern kippen kann, verstößt gegen Art. 21 GG mit dem Gebot demokratischer Verfasstheit der Parteien. Das BSW entwickelt sich tatsächlich hin zu einer verfassungswidrigen Partei und muss wohl vom Verfassungsschutz beobachtet werden.

  • "Die beiden hatten öffentlich die „Top down“-Struktur des BSW kritisiert und dass nur der Bundesvorstand neue Mitglieder aufnimmt."



    Die Bezeichnung "Kaderpartei" hatte cicero parat, links-konserativ und links-autoritär sowie populistisch wurden von PolitikwissenschaftlerInnen auch diskutiert und analysiert.



    www.cicero.de/inne...knecht-kaderpartei



    Die besonders scharfen Töne der schneidigen Führungsriege sind schon bemerkenswert.

  • Das kleinere und sozialere Übel gegenüber ADis oder FW oder FDP vielleicht.



    Recht sicher aber eine Ein-Personen-Partei mit allen Nachteilen und Risiken davon. Und links hieß doch eigentlich mal internationale Solidarität der Arbeiterklasse und nicht Gegeneinanderausspielenwollen.

    • @Janix:

      Sie sagen es: Vielleicht!

      Würden die Parteien, die nicht eindeutig die Zerstörung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung zum Ziel haben, ihr Potential für Regieren zum Wohle des Volkes statt zum Wohle der Partei und ihrer Förderer zusammenlegen, könnten wir uns ganz entspannt zurücklehnen.

      • @Erfahrungssammler:

        Klingt attraktiv und etwa in Koalitionen zusammenarbeiten gehört dazu.



        Unterschiede zwischen den Parteien dabei genau so. Wenn es Einheitspartei-Alle gegen AfD wäre, hätte die letztgenannte absehbar gewonnen. Nein, wir streiten nicht nur über deren Themen, sondern über Klima, über Soziales, Wirtschaft, Verteidigung, ... Nur sicherheitshalber ergänzt.

        Das BSW muss sich wohl langsam entscheiden, ob die v.a. links in der Lafontainetradition sein wollen, oder sich in überzogenem Antiamerikanismus oder Abwertung anderer Menschengruppen verlieren.

  • Was für ein verqueres Denken und welche Herzlosigkeit muss man haben, um "keinen Cent für die Ukraine" zu fordern.

    Asylrecht aushebeln, russisches Öl kaufen, auf Verbrenner setzen, die uns dann keiner mehr abkauft... Da kriegt ja sogar ein hartgesottener Verschwörungstheoretiker Bedenken.

  • Schon mal jemandem aufgefallen, wie viel Migrationshintergrund in der Kaderpartei prominent ist?



    Sevim Dağdelen, Amira Mohamed Ali, Fabio de Masi, Zaklin Nastic, Dejan Lazić, Bijan Tavassoli... auch die Große Vorsitzende hat einen iranischen Vater.

    Ist in der AfD ähnlich. Motto: Wir haben es in die Burg geschafft, jetzt schnell Zugbrücke hoch.

  • „… Sevim Dağdelen, die auf Platz 2 der Berliner Landesliste fürs Parlament kandidiert, klar: „Keine Waffen, kein Cent, erst recht keine Soldaten für die Ukraine“, rief sie unter Beifall. Stattdessen müsse sich Deutschland vom Einfluss der USA befreien und so seine „Souveränität“ wiedergewinnen, forderte Dağdelen unter dem Slogan „Ami go home“.“

    Unfassbar wahnhaft und moralisch verkommen. Dagdelen will entweder, dass der russische Faschismus gewinnt, oder sie ist zu verblendet, ihn zu erkennen. Beides disqualifiziert sie für jedes Mandat.

  • "Der behauptete, es gebe ernsthafte Theorien, die den Ursprung des Coronavirus in US-Laboren sehen."



    Soviel ich weiß, ist das aktuell die wissenschaftliche Mehrheitsmeinung.

    • @XXX:

      Bitte mit diversen wissenschaftlichen Quellen belegen. Soweit ich weiß, ist das eine Verschwörungstheorie.

    • @XXX:

      Dann müssen sie aufhören soviel Verschwörungstheorien zu konsumieren.

    • @XXX:

      Das ist offensichtlich vollkommender Blödsinn.

      Natürlich gibt es die Theorie, dass das Virus aus einem Labor stammen könnte, aber die meisten Indizien führen zum Tiermarkt in Wuhan.

      Das Labor, über welches gesprochen wird, befindet sich in China und nicht in den USA.

      Wo findet man Ihre "wissenschaftliche Mehrheitsmeinung"?

    • @XXX:

      US-Labore haben Covid-19 gezüchtet? Mehrheitsmeinung?

      Das stimmt schlicht und einfach nicht. Wie kommen Sie darauf? Und, liebe Taz: wer schalktet so einen Kommentar frei? Ist das hier jetzt der Kommentarbereich der "Berliner Zeitung"?