Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde: Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Kurzfristig kostete die Kilowattstunde am Donnerstag im Großhandel mehr als 93 Cent. Leidtragende waren vor allem Menschen mit dynamischem Stromtarif.
936 Euro pro Megawattstunde, also mehr als 93 Cent pro Kilowattstunde, kostete der Strom am Donnerstag zwischen 17 und 18 Uhr im Großhandel. Bis der Strom dann im Haus ist, kommen weitere Kosten wie Netzentgelte und Mehrwertsteuer hinzu. Auf diese Weise ergab sich der Rekordpreis, der vier- bis fünfmal so hoch war wie der Haushaltsstrompreis zu normalen Zeiten.
Wie schon mehrfach in den letzten Wochen war eine Dunkelflaute die Ursache. Wenn die Sonne durch Wolken bedeckt oder schon untergegangen ist, wenn zugleich die Windkraft kaum Strom erzeugt, explodieren inzwischen regelmäßig die Notierungen am Strommarkt, der viertelstündlich aus Angebot und Nachfrage einen spezifischen Preis generiert.
Hohe Preise signalisieren dann eine Knappheit, die oft zu Importen führt. Entsprechend bezog Deutschland an diesem Donnerstag bis zu 17,1 Gigawatt aus dem Ausland – der Höchstwert bisher für das Jahr 2024. Vor allem aus der Schweiz, aus Frankreich und Dänemark floss die Energie ins deutsche Netz.
Nun bedeuten Importe nicht, dass Deutschland nicht in der Lage wäre, sich in diesen Stunden selbst zu versorgen. Sie zeigen lediglich, dass das Ausland im betreffenden Moment billiger liefern kann – das ist das Prinzip der Kopplung der europäischen Märkte. Ohne die Importe wären die Preise in Deutschland also noch höher gestiegen.
Beschwerden aus Schweden
Weil Lieferungen nach Deutschland in den Herkunftsländern das Angebot verknappen, strahlen hohe Strompreise immer wieder in die Nachbarländer aus. Schwedens Energieministerin Ebba Busch klagte auf X über die „Achterbahnfahrt der Strompreise“, die von der deutschen Energiepolitik ausgehe. Denn der Ausbau von Windkraft und Photovoltaik, verbunden mit dem Rückbau planbarer Erzeugung, führt einerseits zu immer mehr Stunden mit negativen Strompreisen, andererseits aber auch zu immer mehr extremen Preisausschlägen nach oben. Rund ein Viertel aller Stunden lag in diesem Jahr über 100 Euro pro Megawattstunde.
Große Schwankungen schaffen grundsätzlich eine attraktive Situation für Speicher, weil diese sich durch Preisdifferenzen refinanzieren. Und doch kommt der Ausbau der Speicher nicht in dem Maße voran, wie die Energiewende sie bräuchte – schlicht, weil viele Investoren aufgrund der Kapitalkosten die wirtschaftlichen Risiken scheuen. Entsprechend überschaubar sind bislang die Kapazitäten. Alle Batteriespeicher zusammen können gerade 17 Gigawattstunden bereitstellen – während Deutschland zuletzt bis zu 324 Gigawattstunden am Tag importierte.
Grundsätzliche Maßnahmen gegen die volatilen Strommärkte sind kaum absehbar, zumal sich der Neubau flexibler Gaskraftwerke durch den Bruch der Ampelregierung weiter verzögert. Kurzfristige Entspannung brächte vor allem flexibler Verbrauch – wobei manche Unternehmen diesen bereits notgedrungen praktizieren: Das Elektrostahlwerk im sächsischen Riesa zum Beispiel fuhr seine Produktion dieser Tage herunter, um bei den hohen Strompreisen die Verluste zu minimieren. Andere Stromverbraucher hingegen haben oft noch wenig Anreiz, sich an der Marktsituation zu orientieren.
An Ladesäulen zum Beispiel kostet Strom heute oft noch zu jeder Zeit das Gleiche – unabhängig davon, ob es Strom gerade im Überfluss gibt oder ob Mangel herrscht. Vermutlich wird sich das angesichts der extremer gewordenen Preisschwankungen zwar auf Dauer nicht durchhalten lassen, aber noch agiert die Branche in dieser Hinsicht träge.
So bleibt am Ende die Erkenntnis, dass das Einzige, was im Zuge der Energiewende derzeit nach Plan der Politik voranschreitet, der Ausbau der Photovoltaik ist – mit einem Rekordwert von rund 15 Gigawatt im Jahr 2024.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Gerichtsentscheidung zu Birkenstock
Streit um die Sandale